Jakobswegurlaub Tag 7: Illegaler Wanderer

Lofer – Bad Reichenhall

Ausnahmsweise wache ich mal vor dem Wecker auf. Ich nutze die gewonnene Zeit und mache mich mal früher auf die Socken. Bin auch noch leicht motiviert, da gestern „Wild“ im Fernsehen lief. Die Verfilmung des Buches von Cheryl Strayed. Ihre Erfahrungen am PCT habe ich mir als Hörbuch etliche Male während meinen Wanderungen einverleibt.

Der erste Tagesabschnitt ist wirklich wunderschön. Ein Pfad entlang der Saalach führt mich aus Lofer raus. Plötzlich ein Schild: Achtung Alpinsteig! Oha. Im Endeffekt ging der Weg ganz normal weiter 😀

Weiter gehts hauptsächlich entlang wäldlicher Radwege. Immer wieder muss ich mich umdrehen, denn die schönen Aussichten lasse ich allmählich hinter mir.

Regelmäßig muss ich über Weiden und dafür natürlich die Gatter passieren. Man sollte meinen, dass ich reichlich Erfahrung gesammelt habe um über sämtliche Kuh-Sperr-Maßnahmen drum herum zu kommen. Aber eine federndes Metallband gibt mir Rätsel auf. Ich sehe schon einen Haken, aber an der Stelle knackt es verdächtig. Wers nicht kennt: Wenn ein Weidezaun knackt, dann ist Strom drauf. Eine Zeit lang versuche ich herauszufinden ob das wirklich die Öse zum Aushaken ist, denke mir dann schlussendlich, dass dort, wo man es aushakt, sicher kein Strom drauf sein wiiiirrzzzzzt. Ok, jetzt bin ich definitiv wach. Des Rätsels Lösung: Am anderen Ende des Bandes ist ein Plastikgriff. Naja… ich halt 😀

Ehrlich gesagt kann ich mich auf die Schönheit der Umgebung gar nicht mehr fokussieren. Meine Blasen tun inzwischen derart weh, dass mir jeder Schritt einfach nur Schmerzen bereitet. Wirklich schade. Ich bin sehr gerne hier und es bereitet mir auch Freude, aber an diesem Punkt ist es einfach nicht mehr lustig.

Ich gehe von Bankerl zu Bankerl und tratsche regelmäßig mit anderen Pausengesellen. Gerade bin ich auf einem sehr gut besuchten Radweg Richtung Bad Reichenhall, also bereits in Deutschland. Eine Fußgängerin erzählt mir, das vor wenigen Minuten nicht weit von mir ein tragischer Radunfall passiert ist. Wie es ausgegangen ist, das weiß sie nicht, der Rettungshubschrauber hat den Radfahrer mitgenommen. Ohje. Neugierig wie ich bin halte ich natürlich meine Augen offen, weil ich wissen will was passiert ist. Ehrlich gesagt ist das eine meine inneren Wanderängste, immer schon gewesen, dass mich ein Radfahrer in einer Kurve einfach abschießt. Deshalb gehe ich auch auf Radwegen immer links. Ich will das Unheil sehen, das auf mich zukommt 😀 Nicht weit entfernt begehe ich den Unfallort. Anhand der polizeilichen Bodenmarkierungen und der Blutspuren gelingt es mir den Unfallhergang herbeizuführen. Sherlock Phil am Start. Ein LKW hat eine Betriebsausfahrt verlassen und musste eine enge, uneinsichtige Kurve hochfahren. Er konnte noch nicht schnell gewesen sein, da die Ausfahrt unmittelbar hinter dem Unfallort liegt. Allerdings ist es aus Richtung des Radfahrers längere Zeit Abschüssig gewesen und man konnte aufgrund des Abfallenden Geländes und einer Ummauerung der Kurve den LKW tatsächlich nicht sehen. Der Radfahrer hat bergab Tempo aufgenommen und ist mit hoher Gescheindigkeit in die uneinsichtige Kurve eingebogen. Exakt mein Alptraumszenario! Hoffentlich geht es dem Radfahrer gut und er wird wieder.

Irgendwie schäme ich mich jetzt ein Bisschen dafür, dass ich so viel über meine Füße klage 🙁 Im Hotel angekommen, muss ich mich natürlich ausweisen. Da kommt mir… ich habe meinen Reisepass gar nicht mit! Bin ich jetzt ein illegaler Wanderer? Glücklicherweise genügt der Führerschein. Muss ich mich nur morgen still und heimlich wieder nach Österreich schleichen 😀 Abgesehen davon möchte ich sofort wissen wo man in der Nähe gut essen kann. Ich bin nämlich doch recht weit vom Stadtzentrum entfernt. An der Rezeption wird mir eine Pizzeria im Bahnhofsgebäude empfohlen. Pizza am Bahnhof, na ich weiß nicht. Der Rezeptionist empört: „Bitte der Herr. Wir sind hier nicht in Frankfurt!“ Einen innerlichen Lacher konnte ich mir nicht verkneifen 😀 Da ich schon lange einen Zahn auf Pizza habe, porbier ichs aus und werde nicht enttäuscht. Wohlgenährt und zufrieden bereite ich mich mental auf meine letzt Etappe morgen vor. Sofern ich überhaupt noch in die Schuhe reinkomm 😀 Dazu noch ein Fun Fact: Scheinbar mache ich einen derart bemitleidenswerten Eindruck, dass ich seitens des Hotels eine Tagesfahrkarte nach Salzbur erhalten habe hahaha 😀