Te Araroa Trail 9: Yo-Yo

Tag 29: Ramarama – Mercer – Auckland

Wie? Warum jetzt wieder Auckland? Der Reihe nach.

Der Tag sollte kurz und angenehm werden. Etwa 28 Kilometer mit nur einer stärkeren Steigung. Zwar ein großer Teil Asphalt, aber auf verkehrsarmen Straßen.

Außer mir war kein anderer Hiker in Ramarama. Vermutlich weil der Campingplatz nicht in der App eingezeichnet ist, die alle verwenden. Guthooks. Die App ist ganz nett um Kommentare anderer Hiker zu lesen, aber zum Navigieren meiner Meinung nach nicht wirklich geeignet, da ausschließlich der Trail und dort nur ausgewählte Unterkünfte und Shops eingezeichnet sind. Da bleibe ich lieber bei meiner heißgeliebten Locus Map Pro.

Zuerst geht es ziemlich gemütlich auf einem breiten Grünstreifen dahin, bis ich Bombay erreiche. Dieser kleine Ort liegt auf einem Hügel und scheint die neuseeländische Elite, bestehend aus alteingesessenen engländischen Familien, zu beherbergen. Es ist der absolute Kontrast zu allen anderen Orten, durch die ich bis jetzt gekommen bin. Verhältnismäßig sauber, große Häuser aus Ziegel (was man sehr selten sieht, es wird überwiegend mit Holz gebaut), eine der ältesten Schulen Neuseelands, Tennisplatz und so weiter und so fort. Anwesen im imperialen Stil auf den Weideflächen um Bombay herum runden das Gesamtbild ab.

Heute ist es so richtig heiß. Naja, Definitionssache. Es hat mal endlich 20 Grad, so warm war es bisher noch nie, und ausnahmsweise geht kein Wind. Das treibt mir den Schweiß aus allen Poren, obwohl es nur 300 Höhenmeter sind. Am „Gipfel“ angekommen, sehe ich in der Ferne, wie die Straße weiterhin auf und ab geht. Innerlich nehme ich Embryonalstellung ein und beginne zu weinen. Plötzlich hält ein Auto neben mir. Ein Anrainer ist grad am Weg nach Hause und möchte mich ein kurzes Stück mitnehmen. Da sagt man nicht nein! Wenige Kilometer später schmeißt er mich auch schon wieder raus. Netterweise hat er mich weiter geführt als er eigentlich muss, denn er meint, dass ab hier die Straße weniger gefährlich ist.

Als er umdreht und wegfährt, winke ich ihm zu und ziehe das Handy raus um meine Position zu bestimmen. FUUUUUUUCK. Der Trail scheint auf dem aktuellen Kartenabschnitt nicht mal auf. Eigentlich hätten wir irgendwo abbiegen müssen, aber stattdessen stehe ich jetzt irgendwo im Nirgendwo. Mit viel Herumgefummel finde ich die schnellste Route zu meinem Tagesziel, Mercer. Verbleibende Kilometer: 28. An dieser Stelle möchte ich gerne Roland Düringer aus „Poppitz“ zitieren: „Wüst du mi vaoschn?“ Man beachte, dass ich bereits 10 Kilometer Marsch hinter mir habe. Für 38 Kilometer habe ich definitiv zu wenig Wasser mit. Vorallem bei der „Hitze“.

Weniger ärgern, mehr gehen. Ich folge dem Straßenverlauf weiter. Zurück zu gehen würde nur noch mehr Kilometer bedeuten. Immerhin komme ich dadurch an der „religiösen Stätte“ vorbei, die mir gestern auf der Karte schon aufgefallen ist und ich mich gewundert habe was das sein soll. Ein buddhistischer Tempel. Mitten im Nichts. Interessant.

Auf der Straße gibt es leider nichts wo man sich vor herannahendem Verkehr in Sicherheit bringen könnte, aber zum Glück ist tote Hose. Bei einer schattigen Farmeinfahrt genehmige ich mir eine Pause. Ein vollbepacktes Fahrrad kommt vorbei. Eine Australierin verbringt ihren Urlaub damit durch Neuseeland zu radeln. Wäre mir persönlich viel zu gefährlich auf den Straßen Neuseelands. Nach einem kurzen Plausch geht, bzw. fährt, jeder seines Weges.

Ich laufe Hirntod die Straße entlang und höre Hörbuch um mich von den entstehenden Gelenkschmerzen abzulenken. Da bleibt schon wieder ein Auto neben mir stehen. Ob ich den Te Araroa Trail gehe, möchte der Herr wissen. Ansich ja keine ungewöhnliche Frage, denn viele Anwohner des Trails sind die Hikerflut schon gewöhnt. Nur bin ich ja gerade ziemlich weit vom Trail entfernt und somit hatte meine bejahende Antwort einen verwunderten Unterton. Er hat schon mal jemanden hier aufgegabelt und die haben ihm vom Trail erzählt und er würde mich exakt zum Wiedereinstiegspunkt des Trails bringen, jetzt weiß er ja wo der ist. Ha! Geht doch! Und schon war ich wieder am offiziellen Trail. Nochdazu endlich weg von der Straße. Jetzt geht es nämlich über Weideland.

Ich komme nur sehr langsam voran, denn die Grünflächen sind von den Kuhhufen (oh ja, es gibt so unglaublich viele Kühe in Neuseeland) durchlöchert und wegen kniehohem Gras sieht man den Boden nicht, wodurch man bei jedem Schritt wegknickt und deshalb massiv aufpassen muss. Aber der Abschnitt ist nicht so lang und nach wenigen Kilometern sehe ich bereits eine Schotterstraße. Dort sitzen andere Hiker, aber ich habe irgendwie grad keine Lust auf das übliche Hikerblabla und versuche mich mit gesenktem Kopf vorbeizuschleichen. Da höre ich schon wen rufen Phil, Phihiiiiiiiiiil. Hä? Oh, das ist Susann! Sie, Christian und 2 andere sind ein Stück gehitcht und haben so wieder zu mir aufgeholt.

Wir gehen nur ein kurzes Stück zusammen, mir ist die Partie einfach zu flott unterwegs. Mir hängen die 100 Kilometer auf Asphalt einfach nach, bin ich nicht mehr gewöhnt. Der letzte Abschnitt, kurz vor Mercer, führt durch einen Trampelpfad, wo ich es schaffe, mit der Stadt in Sichtweite, so richtig schön in knöcheltiefen Matsch zu steigen. Na das hat ja noch sein müssen…

Ziel erreicht. Der „Ort“ ist im Prinzip eine Autobahnraststätte. Aber es gibt einen Mäci 😀 Gleich mal allles reinfuttern was geht und auf jeden Fall trinken. Das Wasser ist mir schon längst ausgegangen und ich habe Durst ohne Ende. Und jetzt beginnt das unglaubliche Glück meines Onkels.

Mein Onkel braucht dringend ein Dokument wegen einem Familiending von mir. Das kann ich aber nur beim Konsulat in Auckland machen. Das Glück besteht darin, dass ich nicht nur gerade wo bin, wo ich Empfang habe, und auch noch meine Mails gecheckt habe, sondern auch noch, dass ich DIREKT auf der Autobahn nach Auckland bin. Sogar in Fahrtrichtung 😀 Aber des Onkels Glück geht noch weiter. Ich war nämlich (ausnahmsweise) so intelligent und habe mir die Öffnungszeiten des Konsulats angesehen. Mo-Do 10-12. Morgen ist Donnerstag. Also sollte ich heute noch nach Auckland hitchen, weiß ja nicht wie lang das dauert, bis mich einer mitnimmt.

Während ich also an der Autobahnauffahrt mit erhobenem Daumen stehe, checke ich die Unterkünfte in Auckland. Alles… wirklich alles ist ausgebucht. Es gibt nur noch Hostels mit Bettwanzen oder 5-Stern Hotels um 1000 Euro pro Nacht. Noch bevor ich mich darüber wundern kann, bleibt auch schon ein Auto stehen. Also das hitchen in Neuseeland ist echt einfach 😀

Ein anderer Phil stellt sich mir vor. Eigentlich nimmt er keine Anhalter mit, aber ich hätte so verzweifelt dreingeschaut haha 😀 Bis ins Zentrum von Auckland kann er mich leider nicht mitnehmen, aber er schmeißt mich am Busbahnhof eines Vorortes raus. Ich bedanke mich herzlich und frage mich selbst kurz wie es weiter gehen soll, das ging ja jetzt alles wahnsinnig schnell 😀

Moooooment. Ich bin ja noch nicht in Auckland, vielleicht gibts ja hier eine Unterkunft! Tatsächlich, ich bekomme das letzte Zimmer in der ganzen Stadt. Diese Eventwoche nervt bisschen 😀 Hab übrigens rausgefunden was gefeiert wird. Guy Fawkes. Hätte nicht gedacht, dass Neuseeland SO britisch ist 😀 Nachdem es schon ziemlich spät ist, bin ich froh für diese Nacht irgendwo angekommen zu sein. Bevor ich mich hinlege, checke ich noch die Fahrtzeiten der Busse zu dem Vorort, wo das Konsulat liegt. Das sich natürlich nicht in Auckland direkt befinden kann, so wie die Vertretungen aller anderen Länder… Der erste Bus geht um 11. Zu spät, na toll. Aber mit dem Problem setze ich mich morgen auseinander 🙂

 

Tag 30: Auckland – Hamilton

So, gleich nochmal die Verbindungen checken. Yap, der erste Bus fährt noch immer um 11. Dann bleibt mir nichts anderes übrig als ein UBER zu nehmen. Immerhin werde ich bis zur Haustüre gebracht, auch wenn nicht sofort erkennbar ist, um welche es sich handelt 😀 Ich befinde mich mitten im Industriegebiet und ein Pfeil mit Österreichflagge zeigt auf eine Biotech-Firma. Interessant. Am Empfang fragt man mich ob ich einen Termin hätte, was ich verneinen muss. „Na ohne Termin geht das nicht, aber ich werde den Vize-Konsul fragen“. Anscheinend hat man dann doch Zeit für mich, muss mich aber eine Weile gedulden. Macht nix, Visum gilt ja noch 5 Monate 😀

Die Frau Vize-Konsul ist gebürtige Österreicherin und es tut sooooo gut sich endlich mal wieder in Mundart zu unterhalten. Während sie die Sachen macht, die ein Vize-Konsul so macht, tratschen wir über den Te Araroa Trail. Dabei warnt sie mich vor den Roadwalks, weil die Neuseeländer wie die Irren fahren (ist mir schon aufgefallen) und es jedes Jahr so viele und tragische Unfälle (mit Österreichern, Anm.) gibt. Unter anderem erzählt sie mir auch eine Geschichte, als sie einmal wandern war und den Weg verloren hat. Einen halben Tag ist sie durch den Wald geirrt, obwohl der Weg nur 50 Meter entfernt war. Jaja, die Dschungel hier können schon Biester sein.

Das Konsulat befindet sich übrigens deshalb in der Biotech Firma, weil das der Hauptberuf der Frau Vize-Konsul ist und sie sich somit zusätzliche Pendelei erspart. Praktisch 🙂

Jetzt gehts zum Stadtzentrum Aucklands. Von dort nehme ich einen Bus zum nächstgelegenen Ort zu Mercer. Nämlich nach Hamilton. Hamilton ist die letzte größere Stadt für eine laaaaaange Zeit. Ab jetzt wird der Trail wesentlich wilder und einsamer.

Apropos wilder. Es würde jetzt auf den Mount Pirongia raufgehen. Der Hihikiwi Track, den man dazu nehmen muss, ist aber die mit Abstand größte Fickscheiße auf Gottes Erden. Man verzeihe mir den Ausdruck, aber nachdem ich Fotos von anderen Hikern gesehen habe, die ich kennengelernt habe und wenige Tage vor mir sind, fällt mir kein passendes Wort ein um diesen Abschnitt zu beschreiben. Nach dem Aufstieg geht es so steil bergab, dass man auf allen Vieren klettern muss. Aber das war es noch nicht, aufgrund des permanenten Regens der letzten Wochen steht der Schlamm bis zu den Knien. Nachdem es mich auf einem ähnlichen Track (Dome Forest) ja insgesamt 7 Mal hingelegt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich den Hihikiwi Track, auch wenn er einen lustigen Namen hat, überspringen möchte. Dazu kommt, dass eine Warnung für eine Flußquerung auf diesem Track ausgegeben wurde. Aufgrund des aktuell hohen Wasserstandes soll man den Fluß auf keinen Fall bei Regen queren. Und… was soll ich sagen… für die nächsten 10 Tage ist Regen angesagt. Mittlerweile frage ich mich ja… wann regnet es mal NICHT? Ich bin jetzt bei… wieviel? Tag 30. Und hatte ganze zwei… das muss man sich ja mal auf der Zunge zergehen lassen….ZWEI… Tage an denen es nicht geregnet hat. Ja, auch gestern hats geregnet. Und heute.

ABER! Ein Lichtblick. In einem Punkt sind sich alle einig, nach dem Mount Pirongi (bzw. dem Hihikiwi Track) kommen keine dermaßen übertrieben schwierigen Passagen mehr. Ehrlich gesagt spornt das schon ein wenig an, aber andererseits habe ich wirklich Angst mich ernsthaft zu verletzen, wenn ich mich beim Bergabgehen so ungeschickt anstelle. Ich frage mich wirklich woran das liegt. Ok, fast jeder ist am Dome Hill ebenfalls gestürzt. Aber ein- oder zweimal. Und nicht sieben Mal. Vielleicht liegt es wirklich am Körpergewicht? Rutscht man leichter im Schlamm, wen man blad ist? Jedenfalls tendiere ich, auch im Sinne der noch leicht angeschlagenen Sehne, dazu diese heikle Stelle zu überspringen. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen hab ich schon. Muss ich zugeben.