Jakobsweg Tag 37: 700 Kilometer durch Österreich – ein Resümee

Bludenz

Fast 12 Stunden am Stück geschlafen. Das habe ich mal wieder gebraucht! Es gibt ein großes Frühstücksbuffet, und ich habe meinen verrückten Tag, also esse ich statt einer Wurstsemmel eine Specksemmel.

Für meine Erledigungen habe ich mir gestern schon die Geschäfte rausgesucht und so treibt es mich als erstes zum türkischen Friseur, der auch gut mit Bärten umgehen kann. Leider ist er heute aber komplett voll, also muss ich vorerst auf meine Rasur verzichten. Dann gehts zum Intersport. Er hat meine Salomon Speedcross 4 lagernd, allerdings nur mit Membran, sprich wasserdicht. Ohne Membran bestellen sie gar nicht mehr. Verdammt. Auf gar keinen Fall will ich wasserdichte Schuhe bei den anstehenden 30 Grad im Schatten. Nach langem hin und her entscheide ich mich dann für eine britische Marke „inov-8“. Die Schuhe sollen ein Barfuß-Gefühl vermitteln. Man geht tatsächlich ganz anders in diesen Schuhen. Bisschen Angst hab ich schon, denn die Salomon waren wirklich extrem bequem, aber ich wollte es mal ausprobieren.

Alt vs. Neu

Dann geht es zur Apotheke, meine Medizintasche auffüllen, und zum Interspar ein paar Kleinigkeiten für morgen kaufen. Am Rückweg zum Hotel komme ich bei einem Herrenfriseur vorbei. Ich schaue mal rein und frage ob er mir auch den Bart zurechtschneiden kann. Ja, macht er. Nunja, irgendwie weiß ich jetzt wie sich Frauen fühlen nach dem „Spitzen schneiden“. Mir fehlt mein Pilgerbart ein bisschen 🙁

Joa, dann habe ich im Hotelzimmer noch den schweizer Jakobsweg überflogen und das wars auch schon wieder. Deshalb möchte ich die Zeit nutzen um ein bisschen über meinen Weg durch Österreich zu philosophieren.

Morgen schlafe ich das letzte Mal in der Heimat. Im Summe habe ich dann knapp über 700 Kilometer zurückgelegt. Wie ist es mir ergangen, was hat mir gefallen? Nunja, die ersten 2-3 Wochen waren die reinste Hölle. Unsportlich bis dorthinaus war mein Körper die tägliche Belastung einfach nicht gewöhnt. Allerdings ist es danach rasant besser geworden. Mittlerweile freue ich mich jeden Morgen aufs Marschieren. Die Füße machen gut mit und bis auf eine leicht entzündete Achillessehne bin ich in guter Verfassung. Gerade der Aufstieg auf den Arlberg hat mir vor Augen geführt wie positiv sich meine Fitness entwickelt hat. Natürlich ist es nach wie vor anstrengend, aber ich sterbe nicht mehr tausend Tode 😀

Was mir von der Landschaft her sehr gut gefallen hat war Tirol. Die Berge haben mich sehr fasziniert. Zum Gehen war es auch wesentlich besser als die Bundesländer davor, weil der Asphaltanteil verhältnismäßig gering war. Was mir hingegen gar nicht gefallen hat war Oberösterreich. Aber laut Reiseführer ist das auch der langweiligste Abschnitt des österreichischen Jakobsweges, der noch dazu die längsten Asphaltetappen hat. Vermutlich beginnen deshalb viele Pilger ihren Weg erst nach Oberösterreich.

Meine Ausrüstung hat soweit ganz gut mitgemacht. Die Geschichte mit dem Rucksack hat mich bisschen geärgert. Der jetzige von ZPACKS passt mir sehr gut und hätte den Einstieg ins Wandern vermutlich einfacher gemacht. Die Schuhe haben auch länger gehalten als erwartet und auch sonst ist das Meiste noch in gutem Zustand. Eine Unterhose musste ich ersetzen, die ist komplett zerfetzt, sonst habe ich nur paar kleine Löcher in den Sachen.

Neben meiner körperlichen Entwicklung hat sich auch mental einiges getan. Ich fühle mich momentan sehr gut. Das alleine sein, gepaart mit der körperlichen Anstrengung, befreit den Geist und man hat viel Zeit über alles Mögliche nachzudenken. Man kann seine Gedanken ordnen und die Dinge aussortieren, die man nicht mehr braucht oder schlichtweg nicht mehr in seinem Leben haben will. Für mich fühlt es sich ein bisschen so an als würde ich eine „Datensicherung“ machen. Das Wesentliche wird neu sortiert und der ganze Mist wird gelöscht. Jedes Mal, wenn der Weg durch ganz wilde und einsame Passagen führt, setzt in mir ein Gefühl der Freiheit ein. Nur du und die Natur. In diesen Momenten ist einfach absolut alles egal und das ist unglaublich befreiend. Beim Aufstieg auf den Arlberg hatte ich sogar das eine oder andere Freudentränchen in den Augen. Nach wie vor weiß ich nicht was es ist, das ich suche. Etwas, das die Leere in mir füllt, die sich lange Zeit ausgebreitet hat. Aber ich habe ja noch viel Zeit „es“ zu finden oder vielleicht findet ja „es“ mich.

So viel zu philosophieren macht hungrig. Ich glaub ich muss nochmal in die beste Pizzeria der Welt schauen und mich kulinarisch verwöhnen lassen 😉 Mahlzeit!