Jakobsweg Tag 81: Le Puy en Velay – Die inoffizielle Halbzeit

Saint Julien Chapteuil – Le Puy en Velay (ca. 18 Kilometer)

Lange schlafen in einem gemütlichen Bett. Das war herrlich! Weil ich es gaaaaanz langsam angehen will, habe ich mir das Frühstücksbuffet gegönnt und in aller Ruhe zusammengepackt. Gegen 9:30 breche ich dann auf.

Die heutige Etappe ist nicht nur kurz, sondern auch sehr einfach. Fast der gesamte Weg führt durch Städte und Dörfer über Asphalt. Auch wenn ich mich oft über das Teer unter den Füßen beschwert habe, ist es doch eine willkomene Abwechslung. Ich bin sehr gut gelaunt und weil ich weder auf Autos aufpassen muss, noch mitten in der Natur bin um die Geräuschkulisse geniessen zu können, gönne ich mir mal wieder ein bisschen Musik. Für Pausen ist es zu kalt. Es weht nach wie vor eine frische Brise und so komme ich erst nach ca. 10 Kilometern bei einem windgeschützten Bankerl zu einer gemütlichen Sitzgelegenheit. Dabei mangelt es heute wirklich nicht an Bankerl. Ein regelrechter Bankerlwald.

Eigentlich hatte ich mit 5 Stunden Gehzeit inklusive Pausen gerechnet, war aber schon nach 4 Stunden in Le Puy. Ich habe ein verhältnismäßig günstiges Hotel gebucht und hatte Angst, dass ich so früh noch nicht einchecken kann. War aber kein Problem. Frisch renoviertes Zimmer, gut erwischt 🙂

Es ist ja noch viel Zeit vom Tag übrig und deshalb mache ich eine Besichtigungstour durch die Stadt. Natürlich gehts zuerst in die Kathedrale, nicht zuletzt um den begehrten Pilgerstempel zu holen.

Leider haben alle Restaurants gerade geschlossen (die übliche französische Siesta) und so muss ich mich mit einem Weckerl vom Bäcker begnügen.

Mir fällt die ungewöhnlich hohe Dichte an Deutschen auf. Man hört in der Altstadt schon fast mehr Deutsch als Französisch 😀 Während ich so durch die Gassen schlendere, höre ich oberösterreichischen Dialekt. Eine Gruppe Linzer ist von Genf nach Le Puy gepilgert. Morgen geht es für sie nach Hause.

Für mich bedeutet Le Puy: HALBZEIT!!! Also eigentlich müsste ich die Hälfte der Strecke nach Santiago schon vor ein paar Tagen passiert haben, aber eine Pilgerstadt wie Le Puy ist einfach ein schönes Symbol. Nachdem ich ja anfangs sehr geschwächelt habe, dann noch die Verletzung am Knie dazu kam und jetzt erst fast 2 Wochen wegen Grippe auf Eis gelegt war, hoffe ich doch, dass die zweite Hälfte etwas schneller geht. Nicht, dass ich Stress hätte, aber man ist ja schließlich doch ehrgeizig 🙂

Wenn ich etwas genauer darüber nachdenke, kann ich gerade nicht sagen, ob es „schon die Hälfte“ oder „erst die Hälfte“ ist. Mittlerweile fühle ich mich sehr routiniert. Nicht nur was den Tagesablauf angeht, auch wie man am Besten durch schwieriges Gelände kommt, wo man Unterkünfte findet, was die Grenzen meines Körpers sind und so weiter. Ich fühle mich „erfahren“ kann man sagen. Dadurch wird aber auch das Gehen selbst ein bisschen zum Alltag. Diese WOW-Effekte vom Anfang werden seltener. Aber auch die Aufreger über Herausforderungen am Weg verschwinden nach und nach.

Auf der anderen Seite ist doch jeder Tag eine Überraschung. Man weiß nie welche Menschen man trifft, was man heute erleben wird, was es zu bewältigen gibt. Und bei all der Routine und dem Alltag beim Gehen, merkt man doch, dass der Körper mittlerweile die tägliche Bewegung braucht. Als ich mit Martin gemeinsam den Pausentag hatte, wollten unsere Füße trotzdem weiter 😀

Apropos Pausentag. Mein Packerl mit den Schuhen und der Isomatte ist noch nicht da. Trotz des „garantierten Lieferdatums“ heute. Zwar hatte ich das Zimmer nur für eine Nacht gebucht, weil die Etappe ja sehr kurz war und mir nicht nach Pausentag ist, aber ich habe jetzt erst mal um eine weitere Nacht verlängert und hoffe sehr, dass das Paket morgen da ist. Wenn nicht… tja, dann muss ich mir was überlegen 😀

Weil ich einen großen Teil des klassischen Sightseeings ja heute schon erledigt habe, werde ich den morgigen Tag zum chillen verwenden und mein „Jausensackerl“ wieder auffüllen. Und natürlich hoffentlich zur Post gehen 😀

In diesem Sinne… daumen Drücken und bis morgen 🙂