Jakobsweg Tag 80: Jetzt bin ich in Frankreich

Montfaucon en Velay – Saint Julien Chapteuil (ca. 38 Kilometer)

Den Wecker drücke ich gleich mal weg. Ich fühle mich total niedergeschlagen und weiß nicht warum. Da fällt mir wieder die Karaffe Wein ein. Als ich gestern den Wein bestellt habe, bin ich davon ausgegangen, dass ich um 5 Euro einen viertel Liter bekomme und nicht einen halben 😀 Man will ja nicht unhöflich sein und deshal habe ich natürlich ausgetrunken 😉 Obwohl ich verschlafen habe, bin ich trotzdem um 6:30 Uhr auf der Straße.

Heute werde ich regelmäßig durch Städte kommen, deshalb nehme ich nur wenig Wasser mit, das erspart mir viel Schlepperei. Die Etappe lässt sich gut in zwei Hälften teilen, mit jeweils fast gleich vielen Höhenmetern. In Summe wieder 2000. Die erste Hälfte geht immer bergauf und bergab, aber nie viel. Es ist eine leicht hügelige Landschaft und jetzt fühle ich mich zum ersten Mal richtig in Frankreich. Weite, offene Wiesen, in der Ferne Hügelchen und immer wieder kommt man an prächtigen Chateaus vorbei. In meiner Vorstellung sieht Frankreich so aus und jetzt bin ich mittendrin. Gefällt mir sehr gut!

Wer hätte nicht gerne einen Wasserfall im Garten?

So früh am Sonntag bin ich überall ganz alleine. Es ist etwas frisch und bei meiner ersten Pause nach 12 Kilometer ziehe ich mir dann sogar eine Weste an. Bei den bergauf Passagen muss ich sie ausziehen, bei bergab wieder an. Ein bisschen mühsam 😀

Bei der Hälfte des Weges mache ich eine längere Mittagspause. Hier wäre Etappenende laut Reiseführer. Mir schmerzt mein rechtes Bein etwas und ich überlege ob es so klug ist jetzt nochmal 18 Kilometer zu gehen. Allerdings wird es während der Pause besser und ich habe nicht wirklich Lust jetzt schon Schluß zu machen. Die Kirche im Ort ist ausnahmsweise mal offen UND es gibt sogar einen Pilgerstempel! Die sind im Land der Franken Mangelware.

Mein Bein hat sich erholt, ich auch, also gehts weiter. Die zweite Hälfte meiner Etappe ist geprägt durch einen langen Aufstieg und noch längeren Abstieg. Bergauf geht mittlerweile sehr gut und so schieße ich förmlich den Berg hinauf. Der Weg wird zunehmend schlechter und ich bin wirklich sehr froh, dass es noch immer nicht geregnet hat, sonst wäre ich wohl im Schlamm erstickt. Am Gipfel meines Berges habe ich einen unglaublich tiefen Einblick in die Landschaft. Die Luft ist so klar, dass ich hunderte von Hügelchen bis in weite Ferne sehen kann.

Ab jetzt gehts runter. Ich hoffe, dass die Wege bergab in besserem Zustand sind, werde aber leider enttäuscht. Immerhin kommt die Sonne raus und es ist nicht mehr kalt. Viel zu sehen gibt es bei diesem Abschnitt nicht. Es geht hauptsächlich durch dichten Wald und meine Augen sind auf den matschig-steinigen Boden gerichtet.

Ich mache regelmäßig Pausen um mein Bein etwas zu schonen, auch wenn der Schmerz nicht wiedergekommen ist. Außerdem ist das Gelände sehr fordernd und wesentlich anstrengender als gestern.

Trotzdem erreiche ich mein Ziel am späten Nachmittag. Eigentlich wollte ich heute campen, aber der „Campingplatz“ wirkt eher wie der Hinterhof eines Schrottplatzes und ist mir nicht wirklich geheuer. Da checke ich lieber in einem der Hotels im Ort ein. Meine Wahl fällt auf ein Hotel, das seine Glanzzeit vermutlich in den Sechzigern hatte. Aber das Zimmer ist in Ordnung und hat ein großes Bett, das ist wichtig 😀

Leider gibt es im ganzen Ort nichts zu essen, weil einfach alles geschlossen hat. In einer Bar gibt es kühle Getränke zum Mitnehmen und ein paar M&M’s. Nicht das Abendessen meiner Träume, aber besser als nix 😀

Morgen habe ich eine kurze Etappe nach Le Puy. Ich freue mich wirklich schon sehr dieses wichtige Pilgerziel zu erreichen. Auch wenn ich dann ja noch einiges vor mir habe 🙂