Jakobsweg Tag 93: Licht und Schatten

Figeac – Carjac (ca. 31 Kilometer)

Ich muss schon sagen, so abgeschirmt mit der Musik, ist der Schlaf in Gemeinschaftszimmern durchaus akzeptabel. Wenn ich da nicht in der Nacht permanent aufs Klo hätte rennen müssen. Durchfall hat mir jetzt gerade noch gefehlt.

Wieder habe ich mir den Wecker so gestellt, dass ich aufstehe, während die anderen frühstücken sind. Nachdem ich mich von Pierre, dem Besitzer, verabschiedet habe, hole ich mir noch ein Baguette und paar Karotten für unterwegs. Und natürlich viel Zuckerwasser, um den Zuckerspiegel möglichs oben zu halten, wenn ich schon nur wenig essen kann. Wichtig ist vorallem viel zu trinken. Denn mit Durchfall bei 36 Grad 31 Kilometer zurück zu legen kann unter Umständen unlustig werden. Die Etappe ist fix eingeteilt, denn ich habe in Carjac ein Hotel gefunden, wo ich morgen rasten kann. Endlich ein Pausentag. Das spornt an!

Noch in Figeac knabbere ich bisschen am Baguette und hau einen Liter Oasis weg. Oasis ist ein Fruchtwasser ohne Kohlensäure und wurde zu meinem absoluten Lieblingsgetränk in Frankreich. Mittlerweile ist es 9 Uhr und ich sehe, dass die Rezeption meiner Unterkunft um 19 Uhr schließt. Oha. Normalerweise rechne ich inklusive Pausen mit 3 Kilometer pro Stunde. Könnte knapp werde. Noch dazu bei der Hitze, wo ich eigentlich eine Siesta halten möchte. Naja, mal schauen wies läuft.

Weil die meisten Städte nunmal im Tal liegen, gehts gleich am Anfang bergauf. Schon wieder. Überall tropft der Schweiß an mir runter. Bloß wieso? Sonst schwitze ich ja auch nicht so extrem. Ach, Kappe statt Buff. Für die nächsten 8 Kilometer trage ich die Kappe in der Hand. Ich fühle mich zu k.O. um den Buff aus dem Rucksack zu holen. Dann endlich eine Kirche. Ihr erinnert euch… Kirche = Bankerl. Und zum Glück ein schattiges. Hier futtere ich fast mein ganzes Baguette, hole den Buff raus und chille eine Runde.

Weiter gehts. Ah, herrlich. Dieser Unterschied ist unglaublich. Ich liebe den Buff! Er saugt den ganzen Schweiß rund um den Kopf sofort auf und dank dem dünnen Stoff trocknet er innerhalb weniger Minuten. Und nein, das hier ist kein Sponsoringeintrag 😀 Der Weg ist von jetzt an fast durchgehend mit Bäumen besetzt. Mal waldartig, mal lückenhaft, aber richtig sonnenknallige Stellen sind zum Glück selten. Zur zusätzlichen Motivation schmeiß ich wieder das Hörbuch an, außerdem bin ich bald am Ende und ich will wissen wie „Der Hobbit“ ausgeht.

Pilger sehe ich fast keine, schätze den meisten ist zu heiß. Mir ist zwar auch ziemlich warm, aber durch das Hörbuch und dem ständigen Straßenseitenwechsel um möglichst viel Schatten abzubekommen, merke ich kaum wie die Zeit vergeht. Ich bin 12 Kilometer am Stück gelaufen! Das schockiert mich selbst. Ein Schild weist auf einen Picknickplatz mit Wasser hin. Perfekt für eine Nachmittagspause. Der Tisch ist im Halbschatten und ich muss immer wieder ein Stück wegrücken um der vordrängenden Sonne auszuweichen. Durstig leere ich den Rest meines Zuckerwassers in mich hinein. Ohne Spaß… die Zitronenlimo wäre bei einer Blindverkostung locker als Tee durchgegangen, so aufgeheizt ist mein Rucksack. Na dann hole ich mir mal kühles Wasser aus dem Brunnen. Gut, schmeckt ekelhaft. Das trinke ich nur, wenns nicht mehr anders geht 😀

Die letzten 11 Kilometer lege ich ähnlich schnell zurück, muss mich aber nach den inzwischen kleiner gewordenen Aufstiegen für ein paar Minuten hinsetzen um den Körper wieder bisschen abzukühlen. Vorteil von diesem Wetter: Mein durchgeschwitzter Rücken ist binnen kürzester Zeit trocken.

Gegen 18 Uhr treffe ich bei meiner Unterkunft ein. Der Tag heute hat mich wirklich geschlaucht und ich freue mich auf eine ausgedehnte Pause, bevor es Abendessen gibt. Fast… das Restaurant ist heute geschlossen. Mist, also doch einkaufen gehen, aber zumindest hat mein Zimmer eine Küche laut Website. Fast… die Küche ist „deaktiviert“ und wurde extra kosten. Verdammt! Und der Supermakt schließt bald, ich sollte mich beeilen, wird mir gesagt. Mit meinen letzten Kräften schleppe ich mich zum Supermarkt, aber unfähig noch logische Entscheidungen zu treffen, werfe ich einfach irgendwas in mein Sackerl rein. Und natürlich zwei 2 Liter Flaschen Oasis 😀 Eine davon geht gleich mal auf ex weg. Das grausliche Wasser vom Brunnen hatte nämlich schnell gefühlte 80 Grad und hätte ich wohl nichtmal mit würgen runtergebracht.

So, ich machs mir jetzt mal gemütlich und werde morgen bis mindestens 11 schlafen 😀 Gute Nacht meine Süßen!