Jakobsweg Tag 92: Das Thunfisch Paradoxon

Livinhac-le-Haut – Figeac (ca. 25 Kilometer)

Erstaunlicherweise habe ich fast durchgeschlafen, obwohl ich es ja nicht gewohnt bin mit mehreren Menschen im selben Raum zu schlafen. Gut, ich habe mich ohnehin vorsorglich mit Musik zugestöpselt, damit ich weder mein Geschnarche, noch das der Anderen hören muss.

Nachdem mir gestern am Abend mit Händen und Füßen mitgeteilt wurde, dass die Pagage um 7:15 frühstücken geht, habe ich mir den Wecker auf 7:30 gestellt, damit ich mich in aller Ruhe fertig machen kann. Eine Stunde brauche ich in der Regel, bis ich „ready to go“ bin. So auch heute.

Das erste Stück geht gleich mal ordentlich bergauf und ich bin sofort klatschnass. Oder wie Martin sagen würde: „Es sieht aus als hätte dir jemand einen Kübel Wasser übergelehrt“. An die nassen Sachen während dem Wandern werde ich mich wohl nie gewöhnen.

Eigentlich wollte ich heute sparsam mit meinem Pausenkontingent umgehen, aber die Hitze macht mich fertig. Außerdem setzt der Hunger ein, ich hatte gestern kein Abendessen, daher fällt die Entscheidung für eine ausgiebige Frühstückspause recht rasch. Bei einer Kirche finde ich ein schattiges Bankerl und bereite alles vor um mir ein Thunfischsandwich zu machen. Mit viel Herumgepatze bekomme ich dann endlich den Thunfisch aufs Brot. Sonnenblumenöl überall. Meine Finger tropfen regelrecht. Egal. Voller Vorfreude möchte ich einen herzhaften Bissen vom Sandwich machen. FLATSCH. Der Thunfisch ist auf der Rückseite des zusammengeklappten Toastbrotes rausgefallen. Am liebsten würde ich himmelsschreiend auf die Knie fallen. Das letzte Bisschen zu essen. Vergeudet. Naja, nicht ganz. Eine Armada von Ameisen macht sich über die Reste her, die ich nicht aufklauben konnte um sie wegzuwerfen. Auch eine Katze kommt vorbei und schleckt paar mal über den Boden. Am liebsten würde ich hier sitzen bleiben und den Ameisen stundenlang zusehen, wie sie die Thunfischstückchen zerkleinern und in ihren Bau bringen. Aber wer kommt da ums Eck? Der tschechische Martin! Na dann packe ich halt doch zusammen, denn wir beschließen die heutige Etappe gemeinsam zu beenden.

Die drückende Hitze macht uns zu schaffen. Ab und zu kommt ein windhauch durch, welcher die 31 Grad ein bisschen erträglicher macht. Morgen solls sogar 36 Grad bekommen. Von Tag zu Tag frage ich mich mehr, wie ich Spanien nur überleben soll 😀

Wir machen 2 sehr lange Pausen im Schatten und dösen ein wenig. Mir gehts überhaupt nicht gut. Ich habe schon lange nichts mehr gegessen und mein Thunfisch hat ja das Weite gesucht. Der Magen geht mit mir durch und ich muss mir die Gurte abschnallen, wodurch natürlich Rücken und Schultern anfangen zu schmerzen. Zum Glück ist das Gelände der Etappe ziemlich angenehm, was die Sache etwas erleichert.

Wie schon angekündigt, will ich morgen einen Pausentag machen. Kurz vor Figeac setzen wir uns nochmal hin und schauen uns Unterkünfte an. Ich suche nach einem Hotel mit akzeptablen Preis-/Leistungsverhältnis. Auf den ganzen Buchungswebsites finde ich kein einzige Zimmer. Wie kann das sein? In Figeac gibt es dutzende Unterkünfte. Also fange ich an die Hotels abzutelefonieren. Bis mir gesagt wird, dass vermutlich alles voll ist, denn es findet am Wochenende irgendein superduper Event statt. Na toll. Die Kontakte vom tschechischen Martin schreiben, dass sie große Schwierigkeiten haben einen Platz in den Herbergen zu finden.

Wir erreichen die Stadt und trennen uns. Martin sucht die billigste Gite und ich laufe von Hotel zu Hotel um nach freien Zimmern zu fragen. Erfolglos. Ein „Hotel“ ist eigentlich eine Herberge, und mir wird das letzte freie Bett im Schlafsaal angeboten. Nachdem ich einsehen muss, dass es nicht nur mit dem Ruhetag nichts wird, sondern ich eigentlich gerade Glück habe überhaupt einen Schlafplatz zu finden, schlage ich ein.

Nach einer erfrischenden Dusche und einer nahezu perfekten Handwäsche der Sachen, muss ich in die Innenstadt um Geld abzuheben. Mir ist nämlich aufgefallen, dass ich meinen Schlafplatz nicht bezahlen kann 😀 Da hole ich mir natürlich auch gleich was zu essen. Leider haben die Supermärkte schon geschlossen, deshalb wirds ein Burger im Restaurant. Endlich wieder Energie!

Mal schauen wies die nächsten Tage rennt, ich bräuchte dringend einen Ruhetag. Am Jakobsweg gibt es aber hauptsächlich Gites, also Herbergen, wo man am nächsten Tag wieder raus muss. Jetzt wird erstmal gepennt. So gut es halt geht. Gute Nacht 🙂