Erlebnistag Traunstein

Dieser Tag war so denkwürdig, der hat einen Eintrag verdient 😀 Aber eins nach dem anderen.

Gestern habe ich ein paar Sachen aus dem Elternhaus geholt. Unter anderem das Auto meiner Stiefmutter. Ein alter Ford Fiesta, in knallig roter Farbe, mit einem schwarzen Hexensticker am Kofferraum. Sichtlich ein Charakterauto höhö ;D Nachdem mir mein Papa erfolgreich ein schlechtes Gewissen mit dem Wellnessresort gemacht hat, habe ich also lieb nach dem Auto gefragt und bin eher planlos in Richtung Salzburg gefahren um etwas anderes als ein Wellnessresort zu besuchen 😀 Ein Zwischenstop beim Alex inklusive, der ja danksenswerterweise ein haufen Zeugs für mich aufbewahrt hat, welches ich abgeholt habe. Nachdems aber schon etwas später war, wollte ich nicht bis Salzburg durchfahren und habe eine Region auf der Landkarte ausgesucht, welche nett aussieht um einen halben Tag auszuspannen. Also buche ich die billigste Unterkunft auf Booking in der Region um den Traunsee. Mit dem Auto ist man ja flexibel und ich muss mich daher nicht auf eine bestimmte Lage fixieren. Gesagt getan sitze ich im Auto und fahre nach Westen.

Während der Fahrt kämpfe ich hart gegen die einsetzende Müdigkeit, werde aber hellwach als ich in der Ferne einen unglaublich geilen Berg langsam näher kommen sehe. Da will ich rauf! Zum Glück handelt es sich dabei um den Traunstein und ist somit in akzeptabler Nähe zu meiner Unterkunft.

Apropos Unterkunft. Das Zimmer war besser als erwartet… ABER… die Aussicht vom Balkon… atemberaubend. Damit habe ich definitiv nicht gerechnet!

Mein liebes Cousinchen Eva muss mal wieder herhalten. „Schaff ich den?“. Sie wirft mir eindringliche Warnungen entgegen. Zwar sei ich ein Wanderprofi, aber Bergsteigen ist eine ganz andere Nummer und ich solle das auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Sicherheitshalber suche ich mir schon im Vorfeld den einfachsten Aufstieg raus, damit ich mich auf keinen Fall verlaufe.

Tagesanbruch. Es geht los! Naja… fast. Ich komme eigentlich überhaupt nicht aus dem Bett und quäle mich zum Frühstück. War im Preis inkludiert, da kann mans nicht liegen lassen. Und bisschen Stärkung tut sicher gut. Dem Traunstein fahre ich mit einem „na schauma mal“ Gefühl entgegen, bin aber kurz vorm Parkplatz megamotiviert.

Der Aufstieg beginnt. Ziemlich am Anfang kommt man am Naturfreundesteig vorbei. Welcher ein anspruchsvoller, aber der mittelschwere der drei beliebtesten versicherten Steige ist. Alleine der Einstieg schaut schon ziemlich hart aus 😀 Mein Ziel ist der Mairalmsteig. Dieser soll mit Abstand leichter sein, auch wenn nach wie vor ein Absturzrisiko besteht. Alleine dieses Jahr sind bereits drei Wanderer/Bergsteiger am Traunstein tödlich verunglückt. Der Mairalmsteig ist auch deshalb einfacher, weil er höher beginnt. Die ersten 350-400 Höhenmeter geht man gemütlich eine Forststraße entlang. Jetzt ist es so weit. Ein Pfeil deutet den Beginn des Steiges an. Zugegeben, ich bin ziemlich nervös. Immerhin habe ich sowas noch nie gemacht. Nach etwa 100 Höhenmetern wird mir klar: Rauf schaffe ich vermutlich locker, aber runter wird ziemlich sicher eine Herausforderung und ich weiß nicht ob ich nach 800 Höhenmetern durch den Steig noch genügend Kraft für einen sicheren Abstieg habe. Das Kraxeln mit Händen und Füßen ist für mich ungewohnt und da ist ein Berg, wo regelmäßig Menschen in den Tod stürzen vielleicht nicht der beste Start. Kurz überlege ich, aber wenn mir die 3300 Kilometer Weitwandern eins gelehrt haben, dann ist es eine realistische Selbsteinschätzung. Ich weiß was ich kann und was nicht. Und Klettersteige kann ich nicht. Wenn man ein ungutes Gefühl hat, sollte man es besser lassen. Bin halt ein Wanderer und kein Kletterer. Aber vielleicht kommts ja noch 🙂

Nachdem ich den Steig wieder verlassen habe, stellt sich mir die Frage… was nun? Ich hatte keinen Plan B. Als ich mit drei Fragezeichen überm Kopf in der Gegend rumstehe, sehe ich ein Zeichen.

Auf dem Weg zur Moaralm werde ich von Wegweisern abgelenkt. MOOOOOOMENT. Wenn ich schon nicht auf den Traunstein rauf kann, dann doch vielleicht rundherum? Ein kurzer Blick auf meine Offline-Map, welche ich mittlerweile über alles liebe ( Locus Map Pro ), bestägt… es geht!

Ein Warnschild prangt bei dem Weg, den ich nehmen möchte. „Gassnersteig. Trittsicherheit erforderlich. Betreten auf eigene Gefahr!“. Wie schlimm kanns schon werden? Rein da! Es ist ein bisschen steiler, aber ein normaler Wanderweg. Weil aber überall Laub herumliegt packe ich sicherheitshalber meine Stöcke aus. In gewohntem Wandertempo überhole ich eine Gruppe. „So schnell wie der unterwegs ist, braucht er schon fast eine Klingel!“. Ich kann mir das Lachen fast nicht verkneifen 😀 Allerdings vergeht mir selbiges bald. Irgendwo bin ich falsch abgebogen und stehe plötzlich mitten auf einem mit Laub bedecktem Steilhang. Ich komme weder vor noch zurück und Panik setzt ein. Das erste Mal beim Wandern hatte ich wirklich richtig Angst. Fuck, was mach ich jetzt? Ok Philipp, ganz ruhig. Dein Körper ist grad voll mit Adrenalin, sprich schnellere Reflexe und instinktive Entscheidungen, nutze das! Also schalte ich mein Hirn aus und lasse mich vom Instinkt leiten. Ich lehne mich gegen die Wand des Hangs und drehe mich vorsichtig um. Den linken Stock ramme ich mit aller Kraft in den erdigen, aber von Steinen durchsetzten, Boden um so viel Halt wie möglich zu bekommen. Mit der rechten Hand halte ich mich an Steinen auf Oberkörperhöhe fest. Der Halt ist so bombenfest, dass ich mich trotz mehrmaligen Ausrutschern auf dem feuchten Laub auf meiner Linie am Hang halten kann. Mit dem Oberkörper bleibe ich dicht an der Wand, dass ich selbst im Falle des (im wahrsten Sinne des Wortes) Falls eher den Hang runterrutsche statt zu fallen. Das Laub würde hoffentlich gröbere Verletzungen verhindern, bevor ich nach etwa 40 Metern an den Ausläufen des Hangs liegen bleiben würde. Das gibt mir mentale Sicherheit. Phu, geschafft. Das war mir eine Lehre. Sowas wird mir nicht mehr passieren, dass ich mich achtlos in einen Hang reinarbeite.

Der restliche Aufstieg erfolgt problemlos. Mit Adleraugen spähe ich jetzt die fortlaufenden Markierungen aus 😀 An der Spitze des Steigs verschwindet der Weg im Nichts. Es geht verdammt steil runter. Aber immerhin soweit ich erkennen kann durchgehend mit Stahlseilen versichert. Also Stöcke weggepackt und in die Seile gehängt. Bei einer Passage wird mir kurz schlecht, es geht ohne Übertreibung senkrecht runter. Die dreifache Versicherung macht mir Mut. Zwei Stahlseile und in den Fels gehauene Stahltreppen ermöglichen ein relativ sicheres Durchkommen. Für einen Bergsteiger vermutlich ein Klacks, ich wurde hier aber gerade entjungfert und hab mir fast in die Hose gemacht. Aber es war gut so etwas einmal gesehen und gemacht zu haben. Das gibt zusätzlich Sicherheit für weitere Klettersteige. Vielleicht habe ich sogar ein bisschen Blut geleckt 🙂

Blick den „Weg“ hinauf

Das Schlimmste ist überstanden, die Versicherungen alle überwunden, von nun an gehts zwar auch noch etwas steiler, aber immerhin auf einem normalen Wanderweg bergab. Genau da komme ich natürlich auf dem Geröll ins Rutschen und es setzt mich hin. Ich war aber so schnell wieder auf den Beinen, das eventuelle Augenzeugen nicht mal blinzeln hätten dürfen 😉

Am Laudachsee kommt die lang ersehnte Pause beim ansässigen Wirten. Es gibt Specklinsen mit Semmelknödel zur Stärkung. Eine Familie gesellt sich zu mir, die ich am Weg immer wieder getroffen habe. Als sie über den Pacific Crest Trail reden, kann ichs mir einfach nicht verkneifen mich an der Konversation zu beteiligen 🙂 Der Junior der Familie will dort auch unbedingt hin. Kann ich verstehen! Sie geben mir eine Wegweisung wie ich den Rundweg abschließen kann und dann verabschiede ich mich. Natürlich nicht ohne vorher noch Werbung für meinen Blog zu machen 🙂

Ab jetzt wird es sehr einfach und die letzten Kilometer lassen sich rasch bewältigen. Zurück am Auto suche ich nach einer günstigen Unterkunft im Großarltal. Ich finde ein gutes Angebot einer Pension, welche Halbpension im Preis inkludiert hat, über einen Swimmingpool verfügt und Vergünstigungen für die Seilbahnen im Tal anbietet. Perfekt! Autofahren fasziniert mich total. Wie verdammt schnell man überall hinkommt. Ich wertschätze das jetzt viel mehr. 86 Kilometer in 2 Stunden. Krass. Achja… zum Thema schnell… sorry Papa, ich glaub 2 Sponsoringanfragen der Polizei werden demnächst eintrudeln. Geht natürlich auf mich 🙂

Jetzt liege ich hier, vollgefressen mit einem 4 Gänge Menü, und freue mich auf einen entspannten Tag morgen. Seilbahn fahren und einen gemütlichen Rundweg am Berg. Wird wohl einen intensiven Muskelkater von der heutigen Tour geben, da will ich mir morgen nicht zu viel zumuten. Für das, dass ich eigentlich nach dem Jakobsweg relaxen wollte, bin ich erstaunlich aktiv 😀 Aber was soll ich sagen, ich kann einfach nicht mehr anders. Bin wohl süchtig nach Bewegung geworden. Ich… der Couchpotato schlechthin.

So, Freunde der Berge. Werde mich die nächsten Tage mal wieder mit einem Statusupdate melden. Sofern mir nicht früher wieder irgendwas Verrücktes einfällt 😀