Erster Jakobsweg-Jahrestag. Zeit für einen Rückblick!

Unfassbar! Ein Jahr ist es schon her seit ich Santiago erreicht habe. Auf den Tag genau! Damals wusste ich noch nicht, was der Jakobsweg für mich bedeutet, aber auf meinem weiteren Weg, habe ich erkannt, was ich aus ihm lernen konnte.

Es geht um Schmerz, Anstrengung, Verzweiflung aber auch um Freundschaft, Glück und Zufriedenheit. Mir ist aufgefallen, dass sich der Geist erst unter großer Anstrengung und viel Schmerz richtig entfalten kann. Die besten Ideen, bzw. die erkenntnisreichsten Gedanken, hatte ich stets unter großem Leid. Wobei Leid vielleicht übertrieben klingen mag, in der jeweiligen Situation jedoch ganz klar eine Untertreibung war 😀
Das liegt vielleicht daran, dass in diesen Momenten die persönliche Gedankenwelt versucht, mit den dubiosesten Einfällen, den Schmerz zu überblenden.

Doch genau diese Gedanken, Einfälle oder wie auch immer man es nennen möchte, haben zu einer Art Selbsterkenntnis geführt. Eine Erkenntnis, dass man sich vielleicht zu viele Gedanken über die Dinge der Welt macht. Es ist schwer sich selbst Fehler einzugestehen, aber genau dabei hat mir der Jakobsweg geholfen. Sich selbst zu erkennen und kennen zu lernen und an sich selbst zu arbeiten. Mir persönlich hat es auch gezeigt, dass alles was passiert, vielleicht nicht aus einem bestimmten Grund geschieht, aber die persönliche Einstellung den Unterschied macht, was bzw. ob man daraus lernt.

Genug der Philosophie und starten wir den Rückblick! 🙂

Vielleicht klingen jetzt manche Worte vertraut, aber ich möchte es so niederschreiben, wie ich die Abschnitte jetzt noch in Erinnerung habe und sehen ob bzw. welche Erkenntnis ich daraus gezogen habe. Ein kurzer Rückblick:

Abschnitt Österreich

Aller Anfang ist schwer. Die ersten Tage waren, und da will ich nicht lügen, eine Qual für mich. Unsportlich bis dorthinaus, keine Outdoorerfahrung und generell nicht so der große Wanderer, befinde ich mich plötzlich auf einem Marsch durch halb Europa. Natürlich kommt es wie es kommen muss, ich verletze mich wegen Überbelastung. Ein Fehler aus dem ich offenbar noch immer nicht gelernt habe 😀
Es sind nicht viele andere Pilger in Österreich unterwegs, doch Gleichgesinnte an meiner Seite zu haben, stärkt meine Motivation ungemein. Langsam aber doch, komme ich in den „Flow“ und der Spaß an der Sache verdrängt die Qual. Natürlich ist es nicht immer nur lustig, man hat auch einmal einen schlechten Tag, dennoch komme ich gut voran und habe mich selbst von den Schneemassen in Vorarlberg nicht unterkriegen lassen.
Emotional war ich bei diesem Abschnitt noch zu sehr in meinem „alten Ich“ um eine großartige Veränderung erkennen zu können oder zulassen zu können.
Als ich kurz vor der Grenze in die Schweiz stand, drang sich ein seltsames Gefühl der Erfolgslosigkeit auf. Ein Land war geschafft, aber trotzdem bin ich kaum weiter gekommen. Ich hatte Angst, dass mir der Weg nicht das gibt, was ich mir von ihm gewünscht hätte.

Abschnitt Schweiz

Auch in der Schweiz hat sich dieses seltsame Gefühl in den Vordergrund gedrängt. Zwar habe ich hier schon deutlich mehr andere Pilger getroffen, allerdings haben die vermehrten Höhenmeter zur Angst nicht voran zu kommen beigetragen. Sobald ich in die französischsprachige Schweiz eingetreten bin, kam ich mir komplett fremd in der Welt vor. Ein neuer Tiefpunkt war erreicht. Ein Loch, welches immer größer und tiefer wurde und mich aufzusaugen drohte.
Nur dank des Besuches einer lieben Freundin, hat sich mein Energiepegel rasch wieder aufgefüllt. Und ich bin voller Euphorie voran geschritten.
Plötzlich konnte ich die Natur, den Weg und seine gesamte Umgebung in einem positiven Licht wahrnehmen und fühlte mich bereit um bis nach Santiago zu gehen.

Abschnitt Frankreich

Direkt an meinem ersten Tag in Frankreich wurde ich ja leider krank und war gezwungen das erste Mal in meinem Leben organisatorische Dinge zu bewältigen, in einem Land, welches ich nicht kannte und dessen Sprache ich nicht sprechen konnte. Wie sich herausstellen sollte, war diese Herausforderung wesentlich einfacher zu meistern als befürchtet, und die Gesundungstage gaben meinem Körper reichlich Zeit sich von grundauf zu erholen.
Kurz darauf traf ich Martin. Der Jakobsweg sollte uns ein Monat lang verbinden. Für mich zählt diese Zeit definitiv zu den schönsten Erfahrungen meines Lebens.
Generell habe ich in Frankreich sehr viele interessante Menschen getroffen, die mich in Gedanken auch heute noch begleiten.
Obwohl es viel Roadwalk war und der Asphalt für Gelenkschmerzen sorgte, war dies ein bedeutender Abschnitt meiner Reise. Denn wenn ich davon spreche, den Jakobsweg zu vermissen, denke ich oft zuerst an den französischen Weg. 


Abschnitt Spanien

Viele meinen den spanischen Teil, also den Camino Frances, wenn sie vom Jakobsweg sprechen. Für mich war es der Endspurt. Für meinen Geschmack war der Weg zu überbevölkert, als dass ich ihn so richtig genießen konnte. Vielleicht war auch das der Grund, dass ich nach dem erfolgreichen Abschluss des Jakobsweges noch immer nicht das Ende meiner Reise vor mir gesehen habe. Zum Glück traf ich auch hier viele interessante Menschen, mit denen ich auch jetzt noch in Kontakt stehe. Denn sonst hätte ich diesen Abschnitt nicht genießen können. Aber da nicht alles im Leben nur Zuckerwatte ist, habe ich den Abschnitt als Teil des Weges akzeptiert und bin ihn frohen Gemutes zu Ende gegangen.
Landschaftlich zwar toll, allerdings war mir hier deutlich zu viel los. Deshalb bin ich meinen Mitpilgern dankbar, dass sie diese Reise für mich zu etwas besonderem gemacht haben.

 

Zusammenfassung

Natürlich ist es schwer 4 1/2 Monate voller Erlebnisse und Abenteuer in wenige Absätze zu packen, aber mir war es wichtig, die essenziellen Bestandteile meiner aktuellen Gedanken zu den jeweiligen Abschnitten zu Papier zu bringen. Denn der Blog dient schließlich nicht nur zu eurer Unterhaltung, sondern auch mir als Tagebuch.
Man kann an den Beschreibungen aber schön erkennen, dass es vorallem positive Eindrücke in das Langzeitgedächtnis geschafft haben. Denn im Zuge dieses Geschreibsels, habe ich mir die Fotos des Jakobsweges nochmals angesehen, und auch nicht so schöne Erinnerungen gefunden, welche ich aber anscheinend erfolgreich verdrängt habe 😀

Würde ich den Jakobsweg nochmal machen? Vermutlich schon. Es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte, auch wenn ich mittlerweile auf etwas abenteuerlichere Wege stehe 🙂

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei ALLEN bedanken, also auch bei meinen treuen Lesern, die Teil meiner Reise waren und diese Zeit zu einer wertvollen Erfahrung in meinem Leben gemacht haben.