Ich mache jetzt…. ja was eigentlich?

Die ersten „Arbeitstage“ als angehender Einsatzleiter bei den ÖBB waren leicht verwirrend. Ich muss davon nicht nur berichten, sondern auch erarbeiten, was das für mich bedeutet. Am Besten fangen wir dabei ohne große Vorrede direkt am Anfang an.

Es ist der 29.08., ein Donnerstag. Leicht ungewöhnlich für einen ersten Arbeitstag, aber es sollen einige Formalitäten geklärt werden, bevor die eigentliche Ausbildung beginnt. Erstaunlicherweise bin ich nicht nervös. Eher neugierig. Ich kann nicht genau sagen ob es daran liegt, dass ich mit Vorfreude anreise, oder weil ich es von meinen Reisen kenne, an fremden Orten von fremden Menschen umgeben zu sein.
Der Eingang zum Gebäude ist etwas versteckt, lässt sich aber dennoch leicht finden. Mir wurde bereits die Raumnummer mitgeteilt, also kann ich mich vom Empfang gleich richtig lotsen lassen.
Kurze dunkle Gänge führen mich in ein Hinterzimmer, welches als Seminarraum dient. Die Glastüre steht offen und ein leicht schüchterner Blick in den Raum lässt mich fragen, ob ich da wirklich richtig bin. Wie zu Schulzeiten sind Sessel und Tische gegen einen großen Pult angerichtet. Nur statt einer Tafel gibt es hier einen Beamer.
Ein zweiter Blick auf die Raumnummer bestätigt: Hier bin ich richtig.

Langsam trete ich mich einem aufschwelenden mulmigen Gefühl ein. Es ist totenstill, obwohl bereits mehrere andere Kursteilnehmer hier sind und das Zimmer gut zur Hälfte gefüllt ist. Erst denke ich, dass hier gerade ein Test stattfindet, aber niemand schreibt. In meiner hemmungslosen Art schreite ich vor zum „Lehrer“Pult und spreche die durchaus resch wirkende Dame mittleren Alters an, welche offenbar das Sagen hat.

„Guten Morgen, Deringer. Bin ich hier richtig für den Einsatzleiterkurs?“
“ Setzen Sie sich, wir fangen in 10 Minuten an.“

Na Bumm. Ein „Guten Morgen“ hätte ja wirklich niemandem weh getan. Der Kurs wird in einem strengen Ton abgehalten. Wir erledigen etliche Formalitäten und erfahren auch 147 Arten, wie wir fristlos entlassen werden können. An dieser Stelle möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, denn auch das wäre ein Kündigungsgrund.

So vergeht der Tag dann im Endeffekt doch recht zügig. Ich hätte mir den Empfang herzlicher vorgestellt, aber vielleicht ist das auch nur mein subjektiver Eindruck. Oder ich bin einfach zu euphorisch in den Tag gegangen. Morgen wird sicher alles besser!

 

30.08. – Wir treffen uns heute um 7 Uhr in Schwechat. 7 Uhr! Für jemanden, der beinahe 2 Jahre lang (fast) jeden Tag ausschlafen konnte, der blanke Horror. Zum Ausgleich dafür starten wir sehr gemütlich, denn wir befinden uns im Lager und wir müssen Uniformen anprobieren um unsere Größen festzustellen. Die Gruppe nützt die Zeit um sich ein wenig kennen zu lernen. Denn Vorstellungsrunde hatten wir keine und wissen daher auch noch keine Namen der 22 Teilnehmer.
Bis auf besagte Modeschauen soll nicht mehr passieren. Ein kurzes Gespräch in der Zentrale erwartet uns noch.
Und das, liebe Freunde, hat es in sich. Bis jetzt hat uns noch niemand darüber aufgeklärt WAS wir als Einsatzleiter überhaupt machen müssen. Es kommen zum ersten Mal alle Fakten an den Tisch und wir sind gemeinschaftlich entsetzt. Viele Dinge wurden beim Einstellungsgespräch anders dargestellt, bzw. gar nicht erst erwähnt. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen, sind es für mich konkret die Dienstzeiten, welche mich fast vom Sessel geschmissen hätten. Gesagt wurde mir: 3 Tage Arbeit im 12 Stunden Dienst und dann 4 Tage frei. Dem ist nicht so. Sehr schade, denn das war der Hauptgrund, warum ich eine besser bezahlte Stelle mit deutlich geringerer Anfahrtszeit abgelehnt habe.
Und mit diesem Absacker werden wir nach Hause geschickt.

 

02.09. – Das Wochenende war geprägt von Entscheidungsschwankungen. Will ich den Job überhaupt noch machen, wenn so viele Dinge anders sind als erwartet? Kann ich mich mit den Bedingungen anfreunden? Ich habe für mich den Entschluss gefasst: Nein, kann ich nicht. Genauso wie zwei andere Kursteilnehmer, welche gleich gar nicht erst aufgetaucht sind.

Eine der ersten Aktionen des Tages: zwei potentielle Arbeitgeber anrufen, welche mir bereits einen Job angeboten hätten. Leider verlaufen beide Anfragen negativ. Während eines Lernvorbereitungskurses durchsuche ich wieder einmal die österreichischen Karriereportale.

Direkt nach der Mittagspause steht plötzlich ein unbekannter Mann in der Mitte des Raumes. Er stellt sich als Bereichsleiter Stellvertreter vor und erklärt uns im Klartext welche Aufgaben uns konkret erwarten werden, mit welchen Dienstzeiten zu rechnen sind und wie die Ausbildung von statten läuft. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass da jemand steht, der den vollkommenen Durchblick hat und Missverständnisse ausräumt statt zu generieren.

Ich gehe mit einem wohligeren Gefühl nach Hause, als ich den heutigen Tag begonnen habe.

 

03.09. – Einer meiner neuen Kollegen (sofern ich das so formulieren darf) ist bereits Mitarbeiter der ÖBB und wechselt nur den Bereich. Er hat uns seine alten Dienstpläne mitgebracht, damit wir auch das Thema mit den Dienstzeiten einmal auf Papier sehen. Sieht zwar immer noch belastend aus, aber dennoch besser als ich es aufgefasst habe. Ich bin inzwischen wieder etwas „runter gekommen“ und finde die gesamte Situation jetzt nicht mehr so schlimm wie am Wochenende. Am Liebsten wäre ich ja am Freitag schon direkt aufgestanden und gegangen. Eben so, wie es zwei andere ja gemacht haben.

Auch heute haben wir einen Lernvorbereitungskurs, welcher uns helfen soll die wöchentlichen Prüfungen zu bestehen. 

Ehrlich gesagt bin ich nach wie vor unschlüssig. Zu viele Faktoren sprechen derzeit gegen ein Bleiben. Andererseits habe ich momentan keine Alternative. Leider kann ich aber auch nicht „mal schauen“, denn nach dem Probemonat müssen Ausbildungskosten erstattet werden. Und das kann ich mir schlichtweg nicht leisten. Sprich ich muss bis spätestens nächsten Monat eine Entscheidung getroffen haben ob ich die Ausbildung abschließen möchte oder nicht.
Keine leichte Entscheidung, wenn man bedenkt, dass ich die praktische Arbeit erst nach Ablauf des Probemonats kennen lerne und somit nur schwer einschätzen kann, ob ich über die „unleiwanden“ Dinge hinweg sehen kann.

Wie so oft, seit ich wieder in Österreich bin, wird sich vermutlich auch diese Angelegenheit leichter auflösen lassen als gedacht. Deshalb setze ich mich nicht unter Druck und versuche die Sache gelassen anzugehen. Eines habe ich in den letzten zwei Jahren gelernt: Es gibt keine richtigen oder falschen Entscheidungen. Aber wir sollten aus den daraus gewonnenen Erfahrungen lernen.