Jakobsweg Tag 106: Spanisches Temperament

Aire sur l’Adour – Arzacq-Arraziguet (ca. 34 Kilometer)

Ok, ich habe grundsätzlich Schwierigkeiten mit französischen Ortsnamen. Aber Arzacq-Arraziguet? Ehrlich? Ja, mir ist klar, das ist baskisch, trotzdem liest es sich so, als würde der dunkle Lord höchstpersönlich dort wohnen 😀

Wie auch immer… Morgenablauf sehr normal, bisschen verschlafen, Zeug packen, einkaufen gehen. Ich habe mich auf einen Tagesmarsch ganz alleine eingestellt. Gestern haben wir ja keinen einzigen anderen Pilger getroffen, also rechne ich auch heute nicht mit viel Gesellschaft. Außerdem ist es sehr stark bewölkt und es sieht nach Regen aus. Laut Wettervorhersage gibt es zwischen 9 und 10 eine 20%ige Regenwahrscheinlichkeit mit 0,1 Liter Niederschlag. Tja… Es hat den ganzen Vormittag durchgeschüttet. Während ich also so durch den Regen watschel, sehe ich vor mir eine Dame herumirren. Es ist Cecilia, eine junge Spanierin, die nach ihrem abgeschlossenen Studium den französischen Teil des Jakobsweges geht. Zu zweit geht es sich definitiv besser im Regen als alleine, also watscheln wir von jetzt an gemeinsam.

Wie es am Camino meistens ist, tauscht man sich zuerst mal über die kulturellen Unterschiede der Nationen aus. Es geht um die spanische Siesta, die österreichische Raunzerei und sämtliche anderen Klischees. Als der Regen noch schlimmer wird (hätte auch nicht gedacht, dass es von schütten noch eine Steigerung gibt), suchen wir Unterschlupf in einer eigens für Pilger gebauten überdachten Sitzgelegenheit. Nach einiger Zeit wechselt es wieder zu normalem schütten und wir gehen weiter.

Wir reden über Gott und die Welt, es macht wirklich Spaß sich mit Cecilia zu unterhalten… nicht nur wegen dem wirklich süßen spanischen Akzent 😉 Und so vergeht die Zeit wie im Flug.

Der Regen hat aufgehört und die Sonne kommt raus. Es wird sehr dampfig und schwül, was ich ja überhaupt nicht leiden kann. Auch unsere Gespräche werden hitziger und wir haben ein paar ausgewaschene Diskussionen über Feminismus und Veganismus. Die kleine Spanierin holt dabei ihr ganzes Temperament hervor, was mich doch ein bisschen amüsiert 😀

Wir machen eine längere Pause in Pimbo und Cecilia überlegt ob sie schon hier bleiben soll. Ich will auf jeden Fall noch die letzten 7 Kilometer machen, denn ich kann es kaum erwarten an der spanischen Grenze anzukommen. Nach einer kurzen aber herzhaften Verabschiedung gehe ich voran. Nicht lange alleine, denn Cecilia hat es sich anders überlegt und ist mir nachgelaufen.

Jetzt wirds nochmal anstrengend. Es geht bergauf und bei diesem tropischen Klima rinnts mir nur so runter. Cecilia ist voller Energie und hüpft herum, während ich mit jedem Schritt ein kleines Stück Lebenswillen zurücklasse.

Als wir in der Stadt des dunklen Fürsten ankommen trennen sich unsere Wege endgültig. Sie geht in eine Herberge, ich „muss“ in ein Hotel. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass mein wasserdichter Rucksack zwar vom Material her wasserdicht ist, allerdings kommt beim Zip schon was durch. Jetzt muss ich erst mal alles ausbreiten und trocknen lassen. Hab ich wieder mal super hinbekommen 😀

Bis ich mit Wäsche waschen und allem anderen fertig bin, hat der Supermarkt schon zu. Morgen ist in Frankreich Feiertag. Bin mal gespannt ob ich was zu essen bekomme oder kläglich verhungern muss. Jetzt noch ein oder zwei Stunden chillen und dann ab ins Träumeland.

Meinen Füßen gehts übrigens ein bisschen besser. Sofern es morgen nicht wieder die mörderschwule des Todes bekommt, bin ich sehr zuversichtlich, dass ich die zwei verbleibenden langen Etappen gut überstehen werde. Und dann kann ichs mir aussuchen… 2 mal 20 Kilometer oder 1 mal 40. Reizen würde es mich schon, aber ich denke da muss ich wohl um 5 losgehen. Na mal schaun 😀