Jakobsweg Tag 109: Fast wie ein Tag im Schwimmbad

Navarrenx – St. Palais (ca. 30 Kilometer)

Die Weltmeisterfeiern gingen nicht allzulang. Ab Mitternacht war dann Schluß. Hat mich aber ohnehin nicht besonders gestört, weil ich mich wieder mit Musik weggestöpselt hab. Was hingegen schon störend war… ich hab das Zelt direkt neben einer kniehohen Wegbeleuchtung aufgestellt. War bisschen hell in der Nacht 😀

Gegen 8 stehe ich auf und baue in windeseile das Zelt ab. Denn es regnet und mein ganzes Zeug wird nass. Schnell alles rein in den Rucksack und den Regenschutz drüber. Der Regenschutz für mich selbst: Ein Kapperl. Alles andere habe ich ja schon längst zurückgeschickt. Zum Glück regnet es nur leicht, da genehmige ich mir noch eine kurze Besichtigungstour durch Navarrenx. Die Stadt ist von einer Zitadelle umgeben und ein Burgennarr wie ich darf sich das doch nicht entgehen lassen!

Der Regen nimmt zu, aber der Jakobsweg führt ein gutes Stück durch dichten Wald. Zwar ist der Boden etwas rutschig, aber ich komme gut voran und bringe so die ersten 10 Kilometer rasch hinter mich. Auf einem Firmengelände steht eine überdachte Pausenstation für Pilger. Trockene Bankerl!! Zeit für ein ordentliches Frühstück. Ich bleibe etwas länger sitzen, in der Hoffnung, dass der Regen nachlässt. Nach insgesamt einer Stunde Pause gehe ich dann trotz unverändertem Wetter weiter.

Kurz darauf regnet es nicht mehr, es schüttet. Mir wird etwas bange ums Handy. Bei einer Überdachung stopfe ich es schnell in den Rucksack und hoffe, dass ich mir meinen heutigen Weg gemerkt habe und nicht mehr nachschauen muss. Denn ich werde bei Tageskilometer 20, in Aoure, den Jakobsweg verlassen und einen kleinen Umweg nach St. Palais gehen. Das erlaubt mir die Etappen besser einzuteilen und morgen Saint Jean Pied du Port zu erreichen.

Es hört gar nicht mehr auf zu schütten und die Straßen stehen bald unter Wasser. Sobald man sich mal an das klatschnass-Gefühl gewöhnt hat, macht es richtig Spaß durch die Lacken zu laufen. Das erweckt das Kind in mir 😀 Vor lauter von Lacke zu Lacke hüpfen, hätts mich fast auf die Pfeiffn ghaut, weil ich nicht bedacht hab, dass Gatsch ja auch rutschig sein kann 😀

Meine Hosen kleben so eng an meinen Schenkeln, dass ich schon fast eine Anzeige wegen sexueller Belästigung befürchte. Während ich mit fast kindlicher Anmut in den Lacken plansche, fallen mir die entgeisgerten Blicke von drei anderen Pilgern auf, die unter einer Brücke Pause machen. Alle in voller Regenmontur. Die haben sich wohl auch was gedacht, als ich in kurzer Hose und kurzem Shirt lachend und kichernd, in eine Lacke hüpfend, ums Eck gekommen bin 😀

In Aoure komme ich an einer Herberge vorbei, aus deren überdachten Terrasse ich rufe höre. Cecilia übernachtet heute dort und will mir unbedingt irgendwie helfen. Ich bin zwar nass, aber glücklich. Deshalb tratschen wir nur ein bisschen, ehe ich weitermarschiere.

Jetzt habe ich 10 Kilometer viel befahrene Freilandstraße vor mir. Ein durchaus unangenehmer Abschnitt, aber wenigstens mit Grünstreifen um zumindest LKWs aus dem Weg gehen zu können. Im Eilschritt gehe ich die Straße entlang. Unterwegs passiere ich Bauarbeiten an der Straße und ernte ein paar verwunderte Blicke der Arbeiter. Im Allgemeinen komme ich gut voran, es ist nicht ganz so viel Verkehr wie erwartet, aber mehr als erhofft. Kurz vor St. Palais kommt ein Postauto mit Mordstempo aus einer unübersichtlichen Kurve raus. Ein beherzter Hechtsprung ins Gebüsch erspart dem Fahrer ein Ausweichmanöver. Dann endlich: Gehsteig!

Ich mache mich auf den Weg zu meinem Hotel. Das habe ich mir heute wirklich verdient! Aus einem vorbeifahrenden Auto bekomme ich Zurufe: „Bonne Camino. Ultreia!“. Die Unterstützung für Pilger in dieser Gegend ist echt genial. Mittlerweile hat es auch endlich aufgehört zu schütten. Trotzdem bin ich noch durchnässt als ich im Hotel ankomme. Fast zwei Stunden brauche ich um mein Zeug aus dem Rucksack zum Trocknen auszubreiten, mein Zeug am Körper und mich selbst zu waschen.

So, nun muss ich mich stärken für die Etappe morgen. Kanns kaum erwarten endlich an der spanischen Grenze zu sein. Mahlzeit!