Saint Palais – Saint Jean Pied de Port (ca. 34 Kilometer)
In weiser Voraussicht habe ich gestern schon den Rucksack vorgepackt. So schaffe ich es zwar nicht wie vorgenommen um 7, aber immerhin um 7:30 aus dem Hotel. Die bereits gebuchte Pension hat etwas seltsame check-in Zeiten. 17-18:30. Da will ich nach Möglichkeit weder zu früh, noch zu spät sein.
Meine Motivation ist am Zenit. Ich kann es kaum erwarten endlich in SJPDP zu sein. Was für viele Pilger der Startpunkt ist, markiert für mich etwa drei Viertel des Gesamtweges. Ungefähr 2500 Kilometer müssten es sein. Ein bisschen stolz bin ich schon auf mich 🙂 Aber erst mal ankommen.
Die Etappe beginnt mit 200 Meter Aufstieg. Zwar nach wie vor anstrengend, aber dank dem Motivationsschub ein Klacks.
Plötzlich: Berge! Wie aus dem Nichts tauchen in weiter Ferne die Pyrenäen auf. Sofort fühle ich mich ein bisschen zu Hause und geniesse die Aussicht. Noch nie wollte ich so unbedingt schnell einen Hügel rauf um einen besseren Ausblick zu bekommen. In diesem Moment bin ich mir sicher, dass genau jetzt ein richtiger Wanderer aus mir geworden ist.
Plötzlich: Kühe! Es stehen einfach Kühe am Weg. Kein Zaun, kein Gitter, nichts. Theoretisch könnten sie also auch nach Santiago gehen. Freilandkühe?
Plötzlich: Schafe! Ich war ja schon über die Kühe verwundert, aber mir kommen tatsächlich zwei ungehütete Schafe mitten auf der Straße entgegen. Sie bleiben stehen, ich bleibe stehen. Erst als ich einen Schritt zur Seite gehe, schlurfen sie langsam an mir vorbei. Verrückt.
Wieder mal komme ich durch ein Gelsenhoheitsgebiet und muss etwas an Tempo zulegen um nicht bei lebendigem Leibe verspeist zu werden. Da komme ich auch schon in Ostabat an. 12 Kilometer habe ich bereits am Buckel, aber mir ist überhaupt nicht nach Pause, ich will weiter.
Die nächsten 10 Kilometer verlaufen ereignislos und ich bin gedanklich schon in Spanien. 22 Kilometer ohne Pause in 4 Stunden und 20 Minuten. Meine neue Bestleistung. Und dabei wars nichtmal flach. Etwa 500-600 Höhenmeter inklusive. Nur leider gibt es in dieser seltsamen Stadt, die ausschließlich aus Farmbetrieben besteht, kein Schattenplatzerl. Zum Glück ist es bewölkt, also gehts einigermaßen. Nur noch 12 Kilometer, die Nervosität steigt.
Plötzlich: Pilger! In der Wiese im Schatten sitzt die Pilgergruppe mit Cecilia, die ich vorgestern im Vorbeigehen getroffen habe. Ich setze mich dazu und wir plaudern ein bisschen. Ah, was solls, ich schließe mich für die letzten paar Kilometer gleich an. Die meiste Zeit rede ich mit Pierre-Alexandre, wir sind uns sehr ähnlich und haben deshalb reichlich Gesprächsstoff.
Als größere Gruppe (wir sind zu fünft, die Franzosen Pierre-Alexandre und Clément, der Belgier Klaas, Cecilia und ich) kommt man einfach nicht so flott voran. Ständig braucht irgendwer irgendwas und so ergibt sich eine Pause nach der anderen. Passt mir aber gut, denn sonst wäre ich viel zu früh vor der Pension gestanden.
Endlich. Saint Jean Pied de Port! Noch bevor wir durch das Stadtportal kommen, werden wir regelrecht vom Touristenstrom mitgerissen. Die Gassen sind bummvoll mit Menschen. Fühlt sich seltsam an wieder von so vielen Leuten umgeben zu sein. Noch dazu, wo wir fünf Pilger von den Touris begafft werden 😀 Ich tausche noch die Handynummer mit Pierre-Alexandre, denn wir werden uns bestimmt nochmal über den Weg laufen. Als ich von einem deutschen Pilger aufgehalten werde, trenne ich mich von der Gruppe. Das Gespräch mit Klaus ist relativ kurz, aber seltsam. Er erzählt mir wie dringend er Geld sparen muss und was er sich nicht alles gekauft hat. Hmmm… klingt ein bisschen nach mir 😀
Exakt um 17 Uhr treffe ich bei der Pension ein. Gerade als ich mein Zimmer beziehe, öffnet der Himmel seine Pforten und lässt ein Unwetter auf die Stadt herabfahren. Nochmal Glück gehabt, wollte sicher nicht nochmal nass werden 😀
Morgen werde ich ein paar Sachen besorgen und einiges erledigen. Und vielleicht selbst einen auf Touri machen. Wobei die Stadt irgendwie kaum Flair hat, wenn man von den Menschenmassen nur so hin und her geschoben wird. Wir werden sehen. Jetzt verkrieche ich mich mal ins Bett. Habe zwar heute noch nichts gegessen, aber auch nicht wirklich Hunger. Werde vermutlich dafür morgen umso mehr schlemmen 🙂