Jakobsweg Tag 116: Eine Frage der Perspektive

Pamplona – Puenta la Reina (ca. 24 Kilometer)

Oh was habe ich herrlich geschlafen! Auch wenn das Zimmer nicht wirklich 4 Sterne war, das Bett war es definitiv. Bereits in der Früh quillt die What’s App Gruppe der Pyrenäengruppe über. Sie sind schon um halb sieben gestartet, während ich um halb neun noch so ausgesehen hab:

Die heutige Etappe scheint kurz zu werden, da darf ich noch eine runde im Bett chillen 🙂 Letztendlich schaffe ich es dann um halb zehn am Weg zu sein.

Auf den ersten Kilometern geht es noch durch Pamplona und seine Vororte. Nicht so berauschend, aber immerhin wirklich sehr gut markiert. Danach wird es eine Spur ländlicher und der Asphaltanteil geringer. Bei einer Kreuzung steht ein Auto mit Wasserspender im Kofferraum und es werden eifrig durstige Pilger hydriert. Finde ich nett.

Bei meiner „Frühstücks“-Pause merke ich, dass meine Schuhe schon komplett durch sind. Haben immerhin schon wieder fast 700 Kilometer drauf. Schlimm wie schnell die Zeit vergeht. Schade nur, dass es mir nicht bereits gestern aufgefallen ist, dann hätte ich in Ruhe in Pamplona neue kaufen können. Naja, jetzt müssen sie noch 2-3 Tage durchhalten. Stellenweise gehe ich halt wirklich schon auf der Innensohle 😀

Die ganze Zeit über kann ich in der Ferne Windturbinen sehen, unter denen der Jakobsweg hindurch verläuft. Auch wenn ich stückchenweise näher komme, ist es doch ein langer Weg. Beim Aufstieg auf den Hügel werden die Turbinen endlich größer. Wenn man nah dran steht, sind die Dinger echt riesig. Dies führte zu meinem „Gedanken des Tages“: *Es ist wichtig alle Blickwinkel zu kennen, um die Dinge richtig einschätzen zu können.* Oft gehen wir mit Scheuklappen durch die Gegend und meinen die ganze Wahrheit zu kennen, weil das eben alles ist was wir sehen. Es entstehen Vorurteile, Fehleinschätzungen und verzerrte Wahrnehmungen. Man interpretiert Dinge in alles mögliche rein, wo gar nichts ist. Deshalb ist es auch wichtig regelmäßig nach hinten zu sehen. Der Spruch „Blick nicht zurück“ ist in meinen Augen nicht sehr hilfreich. Denn… und das ist eine meiner Erfahrungen aus der Wanderschaft… oft zeigt einem erst der Blick zurück wo man jetzt gerade ist.

Weiter. Oben bei den Windrädern gibt es ein schattiges Pausenplatzerl. Während ich ein paar Fotos knippse (siehe Instagram), kommen Petra und Sandra, die beiden in London lebenden Ungarinnen, den Berg herauf. Oh, ich dachte sie sind mit dem Rest der Gruppe unterwegs. Wir haben viel Spaß und lachen was das Zeug hält. Die letzten Kilometer legen wir gemeinsam zurück.

Bei einer Pause im Hintergarten einer etwas ominösen Bar klagt Petra über undefinierbare Schmerzen im Unterleib. Wir rätselraten was es sein kann. Bis sich aufklärt…. ein Muskelkater vom Lachen 😀 Hach, was bin ich froh die beiden Mädels wieder getroffen zu haben!

Wir kommen in Puenta la Reina an und gehen zu unseren Unterkünften. Die beiden Damen suchen sich eine Herberge, ich habe mir ein 1-Stern Hotel genommen. Wusste gar nicht, dass es sowas gibt 😀 Jedenfalls sind diese 40 Bett Schlafsäle nichts für mich. Also zumindest nicht, wenn es sich für einen kleinen Aufpreis vermeiden lässt.

Kurz unter die Dusche und dann gleich zum Rest der Gruppe, die bereits in einer Bar am Futtern ist. Ich bestelle mir das Tagesmenü. Eine herrliche Paella mit Salat. Die Gruppe löst sich aber bald wieder auf, weil alle müde sind. Wäre ich auch, wenn ich um halb sechs aufgestanden wäre 😀

Ich glaube ich bleibe bei den kurzen Etappen. Das ist echt sehr entspannend langsam zu gehen und trotzdem so viel Zeit zu haben. Ein bisschen Angst habe ich, dass mir die große Anzahl an Pilgern langsam zu viel wird. Vielleicht auch einfach nur Gewöhnungssache. Immerhin war ich monatelang allein oder zu zweit unterwegs. Maximal zu dritt. Naja, nicht denken, machen. Das ist die Devise. Ergibt sich ja eh alles von selbst.

So, jetzt ist Heidizeit. Noch eine Weile chillen und dann ab ins Träumeland. Bis morgen meine Lieben!