Jakobsweg Tag 121: Neue Bekanntschaften

Logroño – Nájera (ca. 29 Kilometer)

4:30 Uhr ist definitiv nicht meine Zeit. Immer wieder drücke ich den Wecker weg, in der Hoffnung, dass ichs mir noch anders überlege. Aber die Hitze war so prägend, da rappel ich mich dann doch lieber auf. Um 6:30 Uhr stehe ich auf der Straße. Es hat bereits 25 Grad und ich befürchte schlimmes für den weiteren Tagesverlauf.

Die Etappe ist sehr einfach. Lange flache Strecken und langgezogene Aufstiege auf Asphalt und Feldwegen sind die ideale Voraussetzung um meine neuen Schuhe einzugehen. Mir fällt rasch auf, dass die Einlagen nicht wirklich eine stützende Funktion haben und ich sie vermutlich umsonst gekauft habe. Was mir auch auffällt ist, dass es angenehm kühl ist. Der Himmel ist bedeckt und es weht eine sanfte Brise. Bei so einem Wetter könnte ich den ganzen Tag gehen.

Zwei Kanadierinnen spazieren schon eine ganze Zeit vor meiner Nase herum. Gut die Hälfte der Strecke habe ich hinter mit, sprich mein Tagespensum an allein sein ist erfüllt. Da erlaube ich mir doch glatt eine Konversation zu starten. Eine der beiden ist Lehrerin und ich lasse mich über das kanadische Bildungssystem aufklären. Finde das sehr faszinierend, wie andere Länder das so handhaben. Wir erreichen eine kleine Stadt und ich will unbedingt Pause machen. Dos cervezas con lemon por favor! Nach und nach bildet sich eine Gruppe aus Kanadierinnen, Amerikanerinnen und auch eine Australierin ist dabei. Löst sich aber genauso schnell auf wie sie entstanden ist. Inzwischen bin ich aber mit der Deutschen Bianca ins Gespräch gekommen. Mehr oder weniger zufällig ergibt es sich, dass wir das letzte Drittel gemeinsam zurücklegen.

Wisst ihr… manchmal findest du einen Gesprächspartner, der einfach auf deiner Wellenlänge ist. Bianca gehört da definitiv dazu. Für mich waren das sehr emotionale 10 Kilometer. Es war fast so, als würde ich mit einer guten Freundin reden, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Sehr einprägsame zwei Stunden. Sollten wir uns nicht mehr sehen und du das lesen: Liebe Bianca, ich wünsche dir weiterhin viel Kraft auf deinem Weg und zolle dir meinen größten Respekt wie du dein Leben meisterst!

In Nájera trennen sich unsere Wege. Julia hat mir geschrieben, dass sie und Astrid noch einen Ort weiter gehen. Ich bin aber mental schon angekommen und kann zudem auf die Schnelle keine Unterkunft dort finden. Da bleibe ich dann lieber in meinem Spottpreishotel und versuche morgen aufzuholen.

Mir ist nach einem „Belohnungs Cerveza con Lemon“ und mache es mir bei einem Schattenplatzerl gemütlich. Zwei andere Pilger, die ich unterwegs kurz getroffen habe, gesellen sich zu mir und wir plaudern ein wenig. Hauptsächlich üblichen Pilgertalk (Wetter, Route, andere Pilger), aber trotzdem ist es ganz nett. Plötzlich fällts mir wieder ein: RIESENHUNGER! Gut, dass wir in einem Restaurant sitzen 😀 Weil ein Hauptgericht nur 4 Euro kostet und ich wirklich Riesenhunger habe, gönne ich mir gleich 2 davon (die ich auch fast aufesse!). 

Wird Zeit zum Hotel zu gehen. Sehr netter Empfang, aber am Zimmer wird mir schnell klar warum es so günstig ist. Fleckige Bettwäsche, wunderschönes Farbspiel in den Fugen des Badezimmers und die Wände sind so dünn, ich kann die Haare meines Zimmernachbars wachsen hören. Da hätte es eine Herberge wirklich auch getan 😀 Was solls, zum Schlafen reichts. Bevor ich mich allerdings aufs Ohr haue, muss ich noch einkaufen gehen. Nach so viel Cerveza con Lemon heute, brauche ich mal was alkoholfreies 😀 Und wenn ich schon mal dort bin, nehme ich mir auch gleich einen halben Kilo Yoghurt zum Sofortverzehr mit. Habe ja noch fast nichts gegessen 😉

So, jetzt bin ich randvoll und hundemüde. Morgen will ich wieder früher weg, auch wenn es bedeckt bleiben soll und man somit wirklich „nur“ die 30 Grad im Schatten hat. Aber eben im Schatten. In diesem Sinne… Gute Nacht!