Jakobsweg Tag 122: Und plötzlich…allein

Nájera – Viloria de Rioja (ca. 34 Kilometer)

Letzte Nacht fällt definitiv in die Top 3 der miserabelsten Nächte am Camino. Das Zimmer war eine Sauna, draussen war es permanent laut und die Wände waren so dünn, dass man es sogar gehört hat, wenn der Zimmernachbar sich im Bett umgedreht hat. Ganz zu schweigen von der Familie mit den drei Kindern nebenan, die um 2 in der Früh von irgendeiner Party zurückgekommen ist.

Schlecht bzw. gar nicht geschlafen, der Wecker läutet früh… ich war einfach megamies drauf. Aber als ich um 6 aus dem Hostel rausgehe und ich direkt Bianca sehe, hebt sich meine Stimmung rasch. Gemeinsam sehen wir uns den Sonnenaufgang an.

Wir plaudern viel und die Kilometer fallen einer nach dem anderen. Bei einer Pause bietet mir Bianca ein Sandwich an. Genau die Energie, die ich gerade brauche. Ich bin hundemüde und total demotiviert. Nach dem Futter ist es ein bisschen besser 🙂

In Santo Domingo trinken wir zwei letzte Bier und verabschieden und nochmal herzlich. Bianca bleibt hier, ich gehe weiter. Wenn auch unter Zwang. Eigentlich würde ich gerne bleiben, andererseits möchte ich auch weiter, solange das Wetter halbwegs erträglich ist.

Kurz bevor ich die Stadt verlasse treffe ich einen mir bereits bekannten in Kanada lebenden Italiener, dessen Namen ich mir einfach nicht merken kann 😀 Er ist Anfang 50 und ein wirklich witziger Kerl, der einen Haufen lustiger Geschichten auf Lager hat. In der nächsten Stadt verabschiede ich mich (wieder nach einem Bier) von ihm und gehe die letzten 7 Kilometer an.

Plötzlich: Allein. Keine anderen Pilger mehr. Von einem Hügel aus kann ich etwa 2 Kilometer auf den Weg zurückblicken. Alles leer. Das erste Mal, dass ich am spanischen Abschnitt komplett alleine bin. Ein erfrischendes Gefühl. Bei all dem Spaß, den man mit den anderen Pilgern hat, fühle ich mich doch irgendwie vertraut wohl in der Einsamkeit.

Schließlich erreiche ich mein Ziel und suche meine Unterkunft. Der Ort liegt etwas abseits der Hauptverkehrsstraße und wirkt wie ein verschlafenes Nest. Die Hausherrin begrüßt mich herzlich und kocht nur für mich Abendessen, denn ich bin der einzige Gast. Ich schlage mir den Wanst voll und verabschiede mich schon mal, weil ich morgen wieder früher raus will. Irgendwie habe ich Gefallen daran gefunden. Aber wer früh raus will, muss früh ins Bett. In diesem Sinne… Gute Nacht!