Jakobsweg Tag 130: Bis zur Unendlichkeit… und noch weiter

Boadilla del Camino – Carrión de los Condes (ca. 26 Kilometer)

Gestern zum Abendessen ging ich rüber zur Herberge. Was der einzige Fleck im ganzen Ort war, wo man überhaupt was zu essen bekam. Zu meiner Überraschung war die Linsensuppe und das Rindsgulasch wirklich ausgesprochen schmackhaft. Normalerweise bestehen die Pilgermenüs aus lieblos auf den Teller geklatschten Billiggerichten. Zum Beispiel zerkochte Macaroni in Tomatensauce oder abgebratenes Fleisch ohne Beilage. Von der Menge her kann man für die meist 9 – 10 Euro teuren Menüs eine 4 köpfige Familie für 2 Tage ernähren, aber Quantität ist eben nicht alles.

Meine heutige Etappe wird nicht ganz so lang, trotzdem möchte ich wieder um 5 Uhr los. Ich will den Schlafrhythmus nicht verlieren und zudem soll heute einer der heißesten Tage werden. Bis zu 40 Grad sind vorhergesagt. Langsam aber sicher gewöhne ich mich an die „Nightwalks“ und die leuchtenden Augen in den Feldern sind nicht mehr ganz so erschreckend 😀

Bei Sonnenaufgang habe ich den von vielen Pilgern gehassten Teil der Meseta erreicht. Ein zig Kilometer langer, schnurgerader und brettlebener Schotterweg, der durchgehend neben einer Schnellstraße verläuft. Wenn man kilometerweit vor und hinter sich sehen kann, realisiert man erst wieviele Pilger hier eigentlich unterwegs sind. Und es gibt wohl keinen unpassenderen Zeitpunkt um mal dringend pinkeln zu müssen. Es sehen einem nicht nur dutzende Pilger dabei zu, sondern auch die unzähligen Autofahrer dürfen einmal rüberblinzeln. Kurz bevor ich mir in die Hose mache, taucht ein kleiner Ort vor mir auf, dessen Herberge über ein kleines Café und einen sehr großen Garten verfügt. Die Herbege selbst wird von einer Dame mit sehr alternativem Lebensstil betrieben, was dem Areal aber ein gewisses Flair verleiht. Freilaufende Gänse und Schafe sorgen für Unterhaltung. Ich besorge mir ein kleines Frühstück, und noch bevor ich richtig sitze kommt Bianca ums Eck. Auch sie war dringend auf der Suche nach einem WC 😀 Ich teile mein Sandwich mit ihr und für den Rest des Tages werden wir gemeinsam unterwegs sein.

In unserer ungezwungenen Art reden wir wieder über Gott und die Welt. Gefühlt in jeder Bar am Weg kehren wir auf ein Bierchen ein. Immer wieder treffen wir Angelika, eine Lehrerin aus Deutschland, welche mit uns Pause macht, aber lieber alleine gehen möchte.

Wie sich herausstellt gehen Bianca und ich heute nicht nur gemeinsam, wir haben auch das selbe Hotel gebucht. Bevor wir einchecken, trinken wie im Zielort, wie solls anders sein, noch ein Bier. Neben Angelika, treffen wir auch ein Mutter-Tochter Gespann, welches schon sämtliche Varianten des spanischen Jakobsweges abgegangen ist. Wieder mal höre ich „Ah, du bist der, der aus Wien losgegangen ist.“ An den Fame könnte ich mich gewöhnen 😀

Bianca und ich checken im Hotel ein und verabreden uns zum Abendessen. Eigentlich wollte ich meinen Blogeintrag schreiben, bin aber knallhart weggepennt und nur der vorsorglich gestellte Wecker verhindert, dass ich Bianca versetze. Das zum Hotel gehörige Restaurant gibt sich gehoben und Bianca hat ein schlechtes Gewissen in einer lässigen Pilgerkluft aufzutauchen. Ich versuche ihr einen anderen Blickwinkel zu eröffnen, indem ich mir meine Ansicht der „unnötigen sozialen Strukturen“ näher bringe. Sind wir uns doch mal ehrlich… eigentlich sollte es schnurzpiepegal sein wie jemand aussieht oder was wer anhat. Klar, Kleider machen Leute. Aber verdeutlicht der Spruch nicht nur in was für einer oberflächlichen Gesellschaft wir leben? Naja, heute ist glaube ich kein Tag zum philosophieren 😀

Aber es war ein toller Tag! Die Zeit mit Bianca hat mir sehr gut getan und ich habe sie wirklich genossen. Verzweifelt hat sie versucht mir beizubringen wie man auf Frauen zugeht, aber ich glaube ich bin einfach zu schüchtern für „den ersten Schritt“. Sollte ich es jemals schaffen eine Auserwählte um ein Date zu bitten, muss das schon jemand sein, der mich sehr fasziniert. Fällt mir halt schwer über meinen Schatten zu springen.

Zum Abschied gibts eine innige Umarmung, denn morgen werde ich wesentlich weiter gehen als Bianca. Aber diesmal bin ich mir sicher: wir sehen uns sicher nicht zum letzten Mal!