Jakobsweg Tag 133: León

Reliegos – León (ca. 24 Kilometer)

Wie vereinbart treffen June und ich uns um Punkt 6 vor der Herberge. Wer hätte gedacht, dass ich das in der Meseta sagen muss, aber… es ist arschkalt. Noch bevor wir warm gelaufen oder geredet sind, treffen wir Linda. Die kleine Italienerin geht ohne Licht im Finstern und war fast nicht zu sehen 😀 Wir haben den üblichen Pilgertalk und legen gemeinsam eine Frühstückspause ein. Das kleine Café bietet zwar günstige Frühstücksmenüs an, ich werde mit diesem Bocadillobrot aber irgendwie nicht warm. Steinhart und staubtrocken.

Relativ zügig erreichen wir die Hälfte der kurzen Etappe. Durch die offene Türe eines Cafés erspähe ich selbstgemachte Kekse. Wird also Zeit für die nächste Pause 😀 Linda verlässt uns, sie möchte heute weiter als León gehen und hat deshalb keine Zeit zum Herumsitzen 😉

June und ich sind jetzt alleine. Diese Chance muss ich nutzen um den Priester einmal ausführlich über Gott auszufragen. Wir haben eine anregende Diskussion über den Glauben, Götter, Religionen, Wissenschaft, Evolution, den Sinn des Lebens, das Leben nach dem Tod und was ich besonders interessant fand: Himmel und Hölle. Beim Thema Hölle waren wir erstaunlicherweise der exakt gleichen Meinung. Es hat nichts mit dem ewigen Fegefeuer zu tun, sondern „Hölle“ ist das Gebilde um eine Obsession, das wir selbst erschaffen um uns unserer Leidenschaft hinzugeben, welche uns auch gleichzeitig versklavt. Wobei es sich dabei um nahezu alles mögliche handeln kann. Zum Beispiel um Geld. Um es zu bekommen sind manche Menschen bereit alle zur Verfügung stehenden Ressourcen einzusetzen. Allen voran: Zeit. Man arbeitet mehr als man muss um Geld zu verdienen, welches man eigentlich nicht braucht. Dabei bleiben nicht nur Freunde und Familie auf der Strecke, sondern auch man selbst. Wie gesagt, nur ein Beispiel. Wenn einem der Job so viel Spaß macht, dass man gerne seine Zeit dort verbringt, dann ist das Geld nur ein positiver Nebeneffekt. Wir sehen also: „Hölle“ kann für jeden Einzelnen etwas anderes sein.

Total in unser Gespräch vertieft, merke ich gar nicht wie wir die Kilometer hinter uns gelassen haben. León breitet sich langsam vor uns aus. Das Ende der Meseta!

June im Endspurt

In der Stadt angekommen machen wir uns eine Zeit zum Essen aus bevor wir uns trennen. Leider soll es dazu aber nicht mehr kommen, denn der gebürtige Südkoreaner wird als Übersetzer für eine koreanischen Reisegruppe im Krankenhaus gebraucht. Aber er hat mir angeboten ihn in New York zu besuchen. Worauf ich gerne zurückkommen werde!

Bevor ich ins Hotel einchecken kann, muss ich noch eine Stunde rumbringen. Den Rucksack durfte ich aber schon abgeben, sodass ich in einem schwebeähnlichen Zustand die Stadt erkunde und auch einen kurzen Rundgang durch die Kathedrale mache. Ihr kennt mich was das angeht… Kirche halt. Die Stadt ist sehr tourisrisch geprägt und abseits der Kirchen und dem Rathaus macht die Innenstadt den typischen „Altstadt Eindruck“ auf mich. Es dürfte einige interessante Museen geben habe ich gehört. Dafür fehlt mir aber die Zeit und die Muße.

Beim check-in bekomme ich das „Pilgerzimmer“ des Hotels. Bedeutet mehr Platz zum selben Preis. Nachdem auch heute alle Pilger, die wir getroffen haben, von Bettwanzen berichtet haben, investierte ich 2 Stunden in die Planung meines restlichen Weges nach Santiago um sicherzustellen, dass ich auch wirklich immer ein Hotel habe. Noch ist nicht alles gebucht, aber schaut gut aus. Ich habe definitiv keine Lust eine „tragende Rolle“ in der ausgebrochenen Wanzenseuche zu spielen.

Das wars für heute, bin trotz der kurzen Etappe total geschafft. Ich befürchte, dass ich mich etwas verkühlt habe. Selbst am Nachmittag war es in León so kalt, dass ich ohne lange Hose nicht rausgehen konnte. Morgen in der Früh werde ich mit meiner Winterweste starten, welche ich zum Glück noch immer mit mir herumschleppe. 7 Grad soll es in der Früh haben, das ist ja schon fast winterlich 😀 Aber seit wann kann mans den Leuten mit dem Wetter schon recht machen.

Jetzt aber… Gute Nacht meine Lieben!