Jakobsweg Tag 137: Tag der Vorbereitung

Ponferrada – Trabadelo (ca. 33 Kilometer)

In der Früh muss ich mich entscheiden ob ich jetzt einen Pausentag einlegen möchte oder nicht. Meine Zehe fühlt sich „ok“ an. Im Zimmer hats gefühlte 50 Grad, was mich eigentlich ja sowieso schon raustreibt. Als der Wetterbericht dann auch noch 24 Grad Höchsttemperatur auswirft, muss ich die Chance einfach ergreifen.

Aber ich will es langsam angehen. Noch habe ich nichts reserviert, ich will schauen wies mit den Füßen geht. So beinand waren meine Füße schon lange nicht mehr. Der Mittelknochen der großen Zehe am linken Fuß zickt rum, die Mittelzehe, ebenfalls am linken Fuß, ist fast taub (warum auch immer), insgesamt 5 Blasen. Muskelkater in Oberschenkel und Wadeln. Mir fehlt einfach eine Erholungspause… aber solangs irgendwie geht will ich weiter, das Ziel ist schon so nah 😀

Der heutige Tag wird unter dem Motto „Vorbereitung für morgen“ begangen. Denn wenn es so läuft wie angedacht, habe ich morgen eine 40 Kilometer Etappe mit 2000 Höhenmetern vor mir. Achso sorry mein Cousinchen hat mich darauf hingewiesen, dass sich jeder Alpinist, der meine Definition von „Höhenmetern“ liest, auf die Stirn klatscht. Deshalb mit korrekter Formulierung: Eine Etappe mit 40 Kilometer Distanz, 1000 Meter Aufstieg und 1000 Meter Abstieg. Habe das System zwar noch immer nicht verstanden (wenn ich 10 Kilometer zum Hofer fahre und 10 Kilometer zurück nach hause, sage ich ja auch, dass ich 20 Kilometer gefahren bin und nicht nur 10), aber die Frau ist vom Fach und so bleibt mir nichts anderes übrig als ihr das einfach mal zu glauben.

Zurück zum Thema. Vorbereiten auf die Etappe in folgendem Sinn: Langsam gehen, Füße schonen, nicht verausgaben und möglichst nah zum Fuße des Berges kommen.

Im Vergleich zu gestern ist die Etappe heute wieder massiv langweilig. Hauptsächlich flacher Asphalt durch unspektakuläre Ortschaften. In einem der Orte gibt es ein nettes Café in einer kleinen Fußgängerzone. Dort lasse ich mich für eine ausgedehnte Frühstückspause nieder. Gerade als ich fertig bin und aufstehe, tupft mich was von hinten an. Es ist Chris. Auch er ist heute später losgegangen und somit habe ich wieder einen Wanderpartner gefunden. Eigentlich wollte er in dieser Stadt auch Pause machen, will mich aber nicht verlieren und wir einigen uns deshalb auf eine Bierpause in der nächsten Stadt.

Wie sich aber herausstellen sollte, besteht diese Stadt nur aus wenigen Häusern und wir müssen deshalb einen Ort weitergehen. Dort gibt es zwar eine Menge Häuser, aber absolut nichts, wo man ein Bierchen, geschweige denn was zu essen bekommen könnte. Chris geht es so wie mir gestern, denn die nächste Stadt ist bereits Villafranca del Bierzo, was für die meisten Pilger das Tagesziel ist und etwa 25 Kilometer von Ponferrada entfernt liegt.

Auf unserem Weg nach Villafranca werde ich schon wieder von hinten angetupft. June ist auch da! Witzig, wir alle sind eigentlich Frühstarter, aber heute ausnahmsweise spät weggegangen. In Villafranca verlässt uns June aber schon wieder. Chris und ich wollen unbedingt Pause machen. Chris nimmt sich eine Lasagne, ich ein Bocadillo, das so gut ist, dass ich mir die unverzehrten Reste einpacken lasse. Wir sind lange herumgesessen und haben überlegt ob wir weitergehen sollen. Ich fühle mich ziemlich fit und will noch 9 Kilometer drauflegen. Da hängt sich Chris an.

Am Ortsausgang teilt sich der Jakobsweg in die klassische Variante, welche der Straße folgt, und die neue Alternative, welche über die Berge führt. Diese Alernative ist der sogenannte „camino duro“ oder zu deutsch „harter Weg“. Dieser Abschnitt ist der mit Abstand fordernste am Camino Frances, da er sehr steile Passagen enthält. Da müssen wir nicht lange überlegen und schlagen instinktiv den Weg zur Straße ein 😀

Chris ist schneller als ich, aber ich möchte auf jeden Fall mein Tempo gehen um für morgen ausreichend geschont zu sein und so verlieren wir uns schnell. Als ich durch den letzten Ort vor unserem Ziel durchkomme, sehe ich Chris an einer Bar sitzen. Er hat hier auf mich gewartet und für mich gleich ein Cerveza con Limon mitbestellt 😀 Ein Einheimischer trinkt am Nebentisch ein seltsames Gebräu, welches aber unglaublich erfrischend aussieht. Ich erkundige mich was das sei und andere Pilger in der Bar fangen an zu lachen. Es handelt sich um seine Eigenkreation, eine Art roter Spritzer mit Zitronensaft, und der Einheimische wurde von Pilgern schon so oft danach gefragt, dass die Bar seinen Lieblingsdrink nach ihm benannt und auf die Karte genommen hat 😀 War in der Tat sehr erfrischend!

In Trabadelo trennen sich unsere Wege dann. Mein Hotel ist das einzige im Ort und ich bin mit äußerst niedrigen Erwartungen rein gegangen. Statt der 45 Euro auf Booking, werden mir nur 30 Euro verrechnet. Ich habe zwar nicht ganz verstanden warum, habe sogar auf die Preisdifferenz aufmerksam gemacht, aber der Besitzer ist sich sicher, dass er 30 Euro haben will. Da sage ich nur laut: Danke. Aber das war noch nicht alles. Weil der Lift nicht funktioniert, wird sogar mein Rucksack nach oben getragen! So etwas bin ich von der Servicewüste Spanien überhaupt nicht gewöhnt 😀 Als die Zimmertür aufgeht bin ich mehr als positiv überrascht. Alles ist komplett neu renoviert und im Bad gibt es sogar eine Massagedusche. EINE MASSAGEDUSCHE. Sowas habe ich überhaupt noch nie gesehen und schon gar nicht in einem 30 Euro Hotel erwartet.

Das Foto musste sein, ich bin sehr begeistert von dem Teil 😀

Zum Abendessen gibt es einen großen Salat. Die Vitamine werde ich für morgen brauchen. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Das wird die härteste Etappe, die ich bis jetzt gemacht habe. Natürlich unter der Voraussetzung, dass ich sie schaffe. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, aber zumindest versuchen will ich es.

So, jetzt aber hurtig in die Heia, der Wecker läutet um 4:30 Uhr und ich muss ein paar Schmerzen wegschlafen. Bis morgen meine Lieben!