Jakobsweg Tag 142: Marathon-Mann… fast

Palas de Rai – Salceda (ca. 41 Kilometer)

Ich habe einen komischen Traum, dass mich jemand auslacht weil ich verschlafen habe. Da reissts mich aus dem Bett hoch. Fuuuuuck… habe im Halbschlaf anscheinend den Wecker weggedrück. Aber alles im Lot, ich bin „nur“ zwei Stunden zu spät. 7 statt 5, definitiv noch machbar. Im Eiltempo fetze ich alles in den Rucksack. Das Ding war so schnell gepackt, dass ich noch zwei extra Runden im Zimmer drehe um sicher zu stellen, dass ich auch wirklich nichts vergessen habe.

Fast alle Schmerzen sind weg, nur die linke große Zehe macht noch immer ein paar Probleme, ist aber deutlich besser geworden. Trotzdem versuche ich mein Tempo bewusst zu drosseln, bei so einer (für mich) langen Distanz will ich nichts riskieren. Schon gar nicht, dass ich mich verausgabe und auf den letzten Kilometern halbtot dahinkrieche.

Um diese Uhrzeit ist nicht allzuviel los, vermutlich hauptsächlich weils halt noch stockfinster ist. Ich komme zügig voran, was auch daran liegt, dass das bewusste Tempo drosseln nicht so gut funktioniert. Man fällt immer wieder in seine normale Gehgeschwindigkeit zurück. Heute komme ich durch zwei größere Städte durch. Die erste ist Melide. Hier gabs offenbar gestern ein riesen Fest, denn überall stehen verwahrloste Standln herum und die Straße ist übersät mit Alkoholleichen und Leuten, die noch immer zu Musik vom Handy tanzen. Eigentlich wollte ich hier Pause machen und mir einen Stempel holen, aber ich finde kein nettes Platzerl, also gehe ich durch die Stadt durch.

Ein wenig später sehe ich eine Bar wo nicht viel los ist und die Plätze in der Sonne hat. Es war in der Früh arschkalt und ich glaube ich bin ohnehin etwas verkühlt, was auch der Grund sein kann warum ich verschlafen habe. Mit Staunen stelle ich fest, dass dieser Pausenplatz fast genau die Hälfte meiner heutigen Strecke markiert. Wow, ich war wirklich flott unterwegs.

Die nächsten 10 Kilometer verlaufen sehr unspektakulär. Ich will so schell als möglich Arzua erreichen, die zweite größere Stadt heute. Es ruft der kleine Hunger. Am Ortseingang finde ich ein Restaurant, das auch kleine kalte Snacks hat. Obwohl direkt am Jakobsweg, ist es anscheinend kein typischer Pilgerhotspot. Es gibt keinen Stempel und der Laden ist voll mit Einheimischen. Da mache ich mich lieber schnell wieder auf den Weg. Nach Arzua ist der Jakobsweg im Verhältnis wie ausgestorben. Anscheinend bin ich genau zwischen zwei Etappen gelandet. So macht das Wandern gleich doppelt Spaß!

Zwei mal mache ich auf der restlichen Strecke noch ganz kurze Pausen. Wobei die eher vorbeugend gedacht waren. Von der Kondition her bin ich heute sehr gut unterwegs. Keine der Pausen habe ich wirklich „gebraucht“ um mich zu erholen. Selbst als ich nach etwa 41 Kilometern am Ziel ankomme, fühle ich mich noch immer fit. 9 1/2 Stunden habe ich inklusive den 4 Pausen gebraucht. Kam mir aber definitiv nicht so lange vor.

Als ich mich auf den Weg zur Gruppe mache um mit ihnen zu Abend zu essen, kommt mir plötzlich der tschechische Martin entgegen! Nachdem wir uns nach Le Puy das erste Mal getroffen haben, also vor 1400 Kilometern, und er dann den Camino del Norte gemacht hat, sehen wir uns genau jetzt, einen Tag vor Santiago, wieder. Was für ein Zufall! Weil er heute auch schon ein paar Kilometer am Buckel hat, lasse ich ihn in Ruhe, nachdem er mir die wichtigsten Fragen zum Camino del Norte beantwortet hat 😀

Beim gemeinsamen Abendessen beschließt die Gruppe die letzte Etappe morgen zusammen zu gehen. Warum auch immer, aber der Großteil der Gruppe will um 5 Uhr losgehen. Ohne Pausen wären wir dann schon um 10 in Santiago. Aber ich habe mir von Gordon sagen lassen, dass mal unterwegs gerne mehrere 90 Minuten Pausen eingelegt werden. Ja, dann muss man auch früh aus den Federn 😀

Die Vorfreude ist groß, hoffentlich kann ich einschlafen. Fühlt sich ein bisschen so an als wäre morgen Weihnachten 🙂