Negreira – Olveiroa (ca. 34 Kilometer)
Oh Mann… Geburtstag. Der Tag des Jahres wo man wohl durch muss. Ich schenke mir selbst eine extra Stunde Schlaf und einen 34 Kilometer langen Wandertag bei 31 Grad. Durch meine schlafbedingte Verzögerung verpasse ich Gordon. Weil ich mich aber kenne, habe ich ihm gestern schon gesagt, dass er nicht warten soll, wenn ich zu seiner Startzeit (6:30 Uhr) nicht aufkreuze.
Ich bin unglaublich unmotiviert. Heute ist der letzte Tag, an dem ich in irgendeinem Kaff übernachten muss um wo anders hin zu kommen. Laut Reiseführer ist die Etappe sehr einfach, aber es scheint als würde es durchgehend bergauf gehen. Das Wandern ist mir schon lange nicht mehr so schwer gefallen. Ich merke, dass ich endlich fertig sein will mit dem Camino.
Nichtmal Hörbuch kann man in Ruhe hören. Permanent läutet das Handy mit neuen Glückwünschen. Wusste gar nicht, dass ich so viele Freunde habe! Ist schön zu wissen, dass da draussen jemand ist, der an einen denkt. Da habe ich direkt ein schlechtes Gewissen, weil ichs mit Geburtstagen ja überhaupt nicht habe. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Gratulanten und sorry, dass ich euch nicht gratuliert habe 😀
Bei einer Bar gönne ich mir ein ausgiebiges Frühstück inklusive einem wirklich leckeren Bocadillo. Eine Katze setzt sich auf den Sessel neben mir und pratzelt immer wieder ganz behutsam auf mein Sandwich. Weil sie aber ohnehin schon mehr rollt als geht, so kugelrund wie sie ist, verwehre ich ihr den Leckerbissen.
Obwohl ich jetzt eigentlich voller Energie sein müsste, schleppe ich mich noch immer mühsam vorwärts. Mir tut mal nichts weh, meine Kondition ist auch in Ordnung, aber ich komme einfach nicht aus dem Motivationsloch raus. Irgendwas muss halt immer sein…
An einem Zaun steht ein Haufen Gaffer. „Was gibts hier zu sehen?“ will ich wissen. „Eine Kuh bekommt gerade ihr Junges.“. Nachdems rausgeflutscht und auf den Boden geknallt ist, kümmert sich Mama Kuh ganz liebevoll um das Kälbchen. Da rutscht sogar mir ein „oooooh, wie süß“ raus. Schätze ich muss Vegetarier werden…. jaaaaaaa das Gschichtl glaub ich mir nichtmal selber 😀
Der Weg führt heute über viele gut befahrene Straßen, was für den Camino in Spanien eigentlich untypisch ist. Aber immerhin hat man dadurch immer wieder Bars in der Nähe. Und heute brauche ich definitiv viele und lange Pausen. Bei einer dieser Pausen treffe ich Markus. Den ich eigentlich gestern schon kennenlernte, ich mich aber nicht mehr daran erinnern konnte. Peinlich.
Nachdem wir ein gemeinsames Bier hatten, möchten wir die letzten 6 Kilometer gerne gemeinsam gehen. Markus ist Lehrer aus Leidenschaft. Seine Fächer sind Biologie und Chemie. Mit Begeisterung erzählt er mir von seinen Schülern und dass es ihm wichtig ist nicht nur den Stoff durchzubringen, sondern die Kinder und Teenager auch auf einer persönlichen Ebene erreichen möchte. Zum Beispiel veranstaltet er regelmäßig einen Ausflug am Wochenende mit freiwilliger und unbenoteter Teilnahme. Dabei wird gezeltet und die Natur erforscht. Markus ist voller Stolz über die Tatsache, dass sich jedes Mal zahlreiche Kids melden, die da mitmachen wollen. Mir gefällt auch, dass er sich nicht nur als Lehrer, sondern auch als Mentor und Ansprechperson für außerschulisches sieht. Klasse Typ der Markus.
An meinem Ziel angekommen, möchte mich Markus auf ein Geburtstagsbier einladen. Da sage ich natürlich nicht nein! Noch bevor ich ausgetrunken habe, kommt Gordon um die Ecke, der bereits in dem Hotel eingecheckt hat, wo auch ich schlafen werde. Auch Gordon spendiert ein Bier und setzt sich zu uns. Ich sollte aber bald mal einchecken, denn es ist schon 18 Uhr und ich muss echt ganz dringend mal wieder Wäsche waschen. Pünklich zum vereinbarten Termin kreuze ich fürs Abendessen auf. Markus, der in einer Herberge nebenan untergekommen ist, gesellt sich zu Gordon und mir. Und so lassen wir den Abend gemütlich ausklingen.
Eigentlich war es dann doch ein netter Tag, trotz meiner anfänglichen Miesepetrigkeit. Und morgen habe ich es dann endlich nach Finisterre geschafft. Auch wenn ich danach noch eine Tagesetappe habe, für mich ist es DAS Ziel. Mehr Ziel als es Santiago war. Bin schon sehr gespannt!