Jakobsweg Tag 146: Das Ende der Welt

Olveiroa – Finisterre (ca. 30 Kilometer)

Oh Mann, Hundertschaften von Gelsen haben mich die ganze Nacht wachgehalten. Immer wieder hat mich das Gesurre um meinen Kopf aufgeweckt. 12 von den Biestern hab ich gekillt, aber in Summe war das nur ein Tropfen am heißen Stein. Bis in den Morgen wurde hart gekämpft, wodurch ich mehr oder weniger wach war als der Wecker läutete. Aber weils bis halb 8 sowieso stockdunkel ist und ich heute überhaupt keine Lust habe mit Hirnlicht zu gehen, warte ich im Bett ganz gechillt auf den Sonnenaufgang.

Ganz langsam beschreite ich die heutige Etappe. Es ist deutlich weniger los als am restlichen Jakobsweg in Spanien. Sehr angenehm. Ich ziehe mir ein Hörbuch rein (Bobiverse. Wirklich extrem lustig, aber man muss ein Nerd sein um darüber lachen zu können) und genieße die wirklich bezaubernde Landschaft.

In der Ferne taucht plötzlich das Meer auf. DAS MEER!!! Gleich bei der nächsten Stadt mache ich eine Pause um in das Flair einzutauchen. Allerdings verperrt eine hohe Hecke die Sicht auf das Meer und die Bar liegt direkt an einer Hauptverkehrsstraße. Aber ich bekomme Gesellschaft. Karl (das ist der, der den Jakobsweg in Lederhosen geht) und Markus von gestern. Eigentlich wollte ich heute alkoholfreien Tag machen, aber ich bekomme zwei Bier ausgegeben 😀

Wir gehen gemeinsam weiter, wobei Karl wesentlich schneller ist und ich mich grad noch so an Markus heften kann. Der letzte Aufstieg des Tages macht mich wirklich extrem fertig.

Finisterre ist in Sichtweite. Endlich! Karl erwartet uns an einer Bar und wir machen eine letzte gemeinsame Pause. Denn danach trennen sich unsere Wege für immer. Mit Markus habe ich auf den letzten Metern bis zu meinem Hotel noch ein intensives Gespräch. Wie sich herausstellte, fließt Forscherblut durch seine Adern. Er erzählt mir woran er geforscht hst bevor er Lehrer wurde und ich lausche ihm begeistert. Vor meinem Hotel ist unsere Zeit dann endgültig gekommen. Alles Gute auf deinem Lebensweg Markus, aber wie ich zu sagen pflege: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.

Ich gehe auf mein Zimmer und komme aus dem Staunen nicht raus. Zwar habe ich „mit Meerblick“ gebucht, aber mit so einer Aussicht habe ich nicht gerechnet.

Für Hotel habe ich keine Zeit, mehr als 4 Kilometer trennen mich noch vor meinem eigentlichen Ziel. Dem offiziellen Ende des Jakobsweges. Den Rucksack habe ich natürlich am Zimmer gelassen, diesen langgezogenen Aufstieg hätte ich sonst nicht ohne Blessuren überstanden. Oben angekommen fühlt es sich für mich sofort so an, als wäre der Weg jetzt tatsächlich beendet.

Verbleibende Kilometer: 0,000

Auf der felsigen Klippe suche ich mir ein nettes Platzerl um mich zu setzen und ein bisschen darüber zu grübeln, was denn das Ende für mich bedeutet. Klar, morgen habe ich eigentlich meine letzte Etappe, aber gedanklich hat für mich der Weg heute in Finisterre geendet. Während ich so dasitze und in Luftlinie theoretisch etwa auf Mexiko starre, suche ich nach einer Definition für das Ende meines Weges. Ich denke, es fühlt sich so an, als würden meine Füße mit jedem Schritt eine Zeile in einem Buch schreiben und mit dem Erreichen Finisterres haben sie das erste Kapitel abgeschlossen. Diese Erkenntnis gefällt mir und ich mache mich zurück auf den Weg in die Stadt.

Ich am Ende der Welt. Hinter mir: Unendliches Meer und irgendwo ganz weit entfernt: Mexiko

Abendessen gibts mal ausnahmsweise aus dem Supermarkt. Vermutlich gibt es hier auch unzählige Pilgermenüs, aber ich möchte gerne in Ruhe auf meinem Zimmer essen und noch ein bisschen die Aussicht genießen.

Erkenntnis des Tages: Das Ende ist ein neuer Anfang.