Jakobsweg Tag 2 – Die „Ortsoma“ rettet den Tag

Wien Hütteldorf – Ried am Riederberg (ca 25 Kilometer)

Jetzt ist es offiziell – ich bin am Jakobsweg. Nachdem ich ja gestern erst mal zum Weg hingehen musste, konnte ich heute schon etliche Kilometer darauf zurücklegen.

Die Nacht war leider schrecklich. Mit mir war nur ein Anderer am Zeltplatz des Campingplatzes, der hat sich aber leider durchgehend die Seele aus dem Leib gehustet. Ganz gesund hat sich das nicht angehört, aber nachdem ich ihn in der Früh dann gesehen habe mit einem Bier in der einen Hand und eine Dose Thunfisch in der anderen (die er mit seinem Finger gelöffelt hat), wollte ich ihn nicht unbedingt darauf ansprechen.

Als ich mit Musik im Ohr auch nicht einschlafen konnte, ist mir dann eingefallen: Du bist ja in Österreich! Also Schlafsack über den Kopf gezogen und Netflix angemacht. In Summe bin ich auf heiße 2 Stunden Schlaf gekommen.

Um ca. 8 habe ich dann meine 7 Sachen gepackt und mich Richtung Jakobsweg begeben. Am Weg lag ein Merkur, da gabs Wurstemmel als Frühstück und bisschen Wegzehrung. Der erste Abschnitt Richtung Purkersdorf verläuft entlang des Wienflusses und war wirklich herrlich. Nach einer „Radlerstärkung“ in Purkersdorf gings ab in den Wald. Auszug aus dem Reiseführer: „Es gibt mehrere steile Aufstiege, gefolgt von langen flachen Wegen. Bei feuchtem Wetter ist die Etappe durchgehend sehr matschig.“. Also die steilen Aufstiege hab ich gefunden, aber an den flachen Wegen muss ich wohl vorbeigegangen sein. Da ich ja gestern meine matschige Feuertaufe hatte, hat mich der bissl Gatsch heute (bis auf eine lehmige Stelle) nur ein müdes Lächeln gekostet.

Zur Mittagszeit merkte ich einen Krafteinbruch und war gerade am überlegen wo/was/wie ich einen Energizer herbekomme. Da taucht doch glatt ums Eck ein Schild auf: Jausenwirt in 5 Minuten. Perfekt! Eine Bauernplatte um nichtmal 6 Euro hat den Energiespeicher wieder aufgefüllt.

Unterwegs lagen mehrere riesige Bäume mitten am Weg, welche den Pfad unpassierbar machten. Anscheinend lagen einige davon schon länger herum, weil sich teilweise regelrechte Straßen um die Bäume herum gebildet haben. Ich habe mich später erkundigt warum man die nicht wegräumt. Angeblich handelt es sich um ein Naturschutzprojekt, wo man versucht den Wald komplett naturbelassen zu halten. Naja. Gute Idee, nur wenn man irgendwann nicht mehr durchkommt ists auch blöd 😀

Mein eigentliches Etappenziel war das etwa jetzt noch 10 Kilometer entfernte Siegersdorf mit einer Selbstversorgerhütte. Allerdings bin ich erst gegen 18 Uhr in Ried am Riederberg eingetroffen. Da es schon dämmerte und deutlich kälter wurde, wollte ich bei einem der zwei Wirte im Ort ein Zimmer nehmen. Wie sich herausgestellt hat, haben die beiden Wirte mit Fremdenzimmern aber schon seit einiger Zeit geschlossen. Die „Ortsoma“, die jeder zu kennen scheint, hat früher ein Hotel betrieben und mir wurde von einer Passantin empfohlen bei ihr anzurufen. Gesagt getan. „Wissen Sie, eigentlich mache ich das ja nicht mehr, aber für einen Pilger habe ich noch immer ein Zimmer gefunden.“ Oha. Das erste Mal, dass mich jemand als Pilger bezeichnet. Hört sich ungewohnt an. Jedenfalls hat mir Frau Schmid ein Zimmer in ihrem ehemaligen Hotel besorgt. Es ist etwa so wie man es sich vorstellt… das Klo rinnt, der Strom erreicht nicht alle Enden des Raumes und jetzt gerade während dem Schreiben dürte der Lattenrost gebrochen sein. Und trotzdem bin ich glücklich. Denn ohne die Dorfoma hätte ich wohl irgendwo illegal mein Zelt aufschlagen müssen oder eben noch 10 Kilometer weitergehen obwohl ich schon ziemlich am Ende mit meinen Kräften war.

Ein bisschen Stolz bin ich schon auf mich, auch wenn ich mein eigentliches Ziel nicht erreicht hab. Es war ein erfolgreicher Tag und ich hatte viel Spaß.

Achja, meinen ersten Zeck hab ich auch erfolgreich entfernt. Vielleicht wird aus mir ja doch noch ein Mann 😉