Jakobsweg Tag 24: Teufels Werk und Gottes Beitrag

Bad Reichenhall – Lofer (ca. 30 Kilometer)

Ich habe geschlafen wie ein Baby, leider fühle ich mich aber etwas erkältet und ich vernichte sofort eine Packung Taschentücher. Der Frühstücksraum ist berstend voll, was mich etwas wundert, denn ich habe trotz knarrenden Holzböden gestern den ganzen Abend niemanden gehört. Weil ich kein Platzerl zum hinsetzen finde (ist ja fast schon wie mit den Bankerln) nehme ich mir einen Frühstücksteller mit aufs Zimmer.

Der Weg ist sehr schön und führt nur ganz selten an Straßen entlang. Überall plätscherts und raschelts (gaaaanz viele Eidechsen) und so treibt es mich von Bankerl zu Bankerl. Leider hat die Mittagseinkehr meiner Wahl geschlossen und Jause habe ich keine mehr, also bleibt mir eh nix anderes übrig als weiter zu gehen. Kurz vor Unken überlege ich ob ich wirklich bis Lofer durchgehen will. Es ist schon fast halb 4 und für die 11 weiteren Kilometer brauche ich mindestens 3 Stunden. In Unken gibt es einen Campingplatz, welcher aber gerade geschlossen hat. Also telefoniere ich die günstigen Unterkünfte ab, alle geschlossen.

Ohne großartig zu überlegen, gehe ich also doch weiter nach Lofer. Auch wenn ich jetzt ein bisschen „Zeitdruck“ habe, lasse ich es mir nicht nehmen regelmäßig Platz zu nehmen und die immer imposanter werdende Aussicht zu geniessen. Bei jeder Pause telefoniere ich ein paar Unterkünfte ab, aber alle haben geschlossen. Das bereitet mir leichte Sorgen, aber es beginnt gerade zu regnen, da liegt die Priorität erstmal bei der Regensicherung der Ausrüstung. Ich selbst werfe keinen Regenschutz über, es geht nämlich schon eine ganze Weile bergauf und ich bin sowieso klatschnass durchgeschwitzt.

Der Regen hört auf, der Aufstieg ist beendet und ich werde mit einer Aussicht belohnt, die mir meinen Lieblingsschnappschuss der bisherigen Reise beschert. Ich nutze die Gelegenheit um weiter Pensionen und Hotels in Lofer abzutelefonieren. Alle geschlossen. Etwas abseits von Lofer gibt es einen Campingplatz… geschlossen.

Weitermarschiert. Ich treffe einen Einheimischen, der zufällig aus Lofer ist. Bei der Frage ob er eine Pension kennt, die offen hat, fällt ihm keine ein. Der folgende Weg führt durch kleine Ortschaften und ich halte die Augen nach Privatzimmern offen. Leider ohne Glück.

In einem Wald vor Lofer überlege ich ob ich dort einfach mein Zelt aufschlagen soll, allerdings habe ich mein gesamtes Trinkwasser aufgebraucht, weil alle Lokale unterwegs geschlossen hatten und leider kein Brunnen am Weg war. Eine Nacht ohne Wasser kann schon ziemlich kacke werden, daher beschließe ich doch mein Glück in Lofer zu versuchen.

In der Stadt angekommen klappere ich alle Unterkünfte ab und läute an jeder Tür mit Fremdenzimmer-Schild. Überall sind die Vögel ausgeflogen. Langsam aber sicher bekomme ich ein bisschen Angst. Mittlerweile habe ich 35 (!!!!) Unterkünfte porbiert… alle geschlossen. Der ganze Ort wirkt wie ausgestorben, aber in einem Beisl sehe ich Menschen und frage ob jemand eine Unterkunft kennt, die offen hat. Spontan fällt niemandem was ein, aber ein Herr in der Runde hat eine Idee. Er kennt die Besitzerin eines Hotels, das zwar geschlossen hat, aber er weiß, dass sie für Pilger trotzdem Zimmer frei hat. Netterweise bringt er mich bis zum Haus und verabschiedet sich dann. Tatsächlich bekomme ich ein Zimmer. Also eigentlich ein Apartment… kostet vermutlich ein Vermögen, aber besser als auf der Straße schlafen. Direkt nebenan ist das einzige Wirtshaus der Stadt, das geöffnet hat. Dementsprechend sehr voll, aber die Küche war wirklich ausgezeichnet. Irgendwie leicht schockierend, dass in einem Ort, der von Tourismus lebt, tatsächlich alle Hotels geschlossen haben. Witzigerweise hatten andere Gäste im Restaurant das gleiche Problem, aber sie waren mit dem Auto da und sind dann einfach wo anders hingefahren.

Leider habe ich es nicht ganz nach Tirol geschafft, aber ich brauch nur die Hand zum Fenster rausstrecken und bin quasi schon dort 🙂 30 Kilometer habe ich heute geschafft und fühle mich (noch) ganz gut. Darauf bin ich schon etwas stolz. Die Landschaft ist einfach atemberaubend und ich geniesse wirklich jeden Meter. Einzige Lehre, die ich aus dem heutigen Tag gezogen habe: Ich muss etwas früher aufstehen, sonst wirds bei langen Tagesetappen finster 🙂

Mein neues Lieblingsfoto