Einsiedeln – Brunnen (ca. 24 Kilometer)
Brunnen – Luzern (23 Kilometer Luftlinie mit Schiff)
Bevor ich von meinem Tag berichte, vorab eine wesentliche Information, damit auch alles Sinn ergibt: Meine heutige Etappe bestand aus 24 Kilometern Fußmarsch nach Brunnen, mit 400 Höhenmeter sehr steilem Aufstieg und 900 Höhenmeter sehr steilem Abstieg (in Summe aber noch mehr Höhenmeter). Ich habe spontan entschlossen auf den Luzerner Jakobsweg zu wechseln (ohne bestimmten Grund, ich wollte viel mehr Boot fahren; und ich spare mir 2 Tagesetappen in der Schweiz) und musste daher spätestens um 16:30 Uhr in Brunnen sein, weil da das letzte Schiff nach Luzern geht. So, jetzt gehts los mit dem Bericht 😀
Der Wecker läutet heute früher, weil ich 1) vor 12 auf dem Haggenegg (höchster Punkt des Jakobsweges in der Schweiz) sein will, da ab dann Regen angesagt ist und ich 2) das Schiff auf jeden Fall erwischen will. Zur Not könnte ich auch Zug fahren, was schneller und günstiger wäre… aber… BOOT FAHREN!!!!
Irgendwie habe ich es geschafft herumzutrödeln und war dann erst um 8 am Jakobsweg. Eigentlich wollte ich nicht frühstücken, aber es gab aufgeschnittenes Gemüse, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Obwohl ich in den letzten Tagen keine Höhenmeter mehr sehen konnte, freue ich mich schon auf den Aufstieg. Schnell bringe ich die ersten 10 flachen Kilometer hinter mich und stehe vor dem, im Reiseführer so beschriebenen, überraschend sehr steilen Aufstieg. Meine Laune und Motivation schiesst in die Höhe. Vielleicht ist es auch einfach nur die Vorfreude auf das Boot fahren, oder das Bewusstsein, dass dies die letzte wirklich steile Etappe für quasi immer ist. Ich weiß es nicht, auf jeden Fall schmeisse ich mich dem Berg mit ungeahnten Kräften entgegen.
Während dem Aufstieg treffe ich einen deutschen Pilger mit Herzschrittmacher und noch ein paar Geräten im Körper. Wir unterhalten uns kurz, weil er aber alle 10 Meter eine Pause machen muss, sprinte ich bald weiter.
Haggenegg habe ich bereits kurz nach 11 erreicht und bin somit ausser Regengefahr. Der höchste Punkt des Jakobsweges in der Schweiz! Angeblich hat man eine phänomenale Aussicht auf das Tal, aber es ist so neblig, dass man keine 10 Meter weit sehen kann. Ich überlege kurz ob ich eine Pause machen soll, bin aber dermaßen motiviert, dass ich mich den Abstieg runter werfe. Es ist tatsächlich extrem steil und noch dazu rutschig vom gestrigen Regen. Der gewalzte Schotter bietet aber einigermaßen sicheren Halt.
Kurz bevor das steilste Stück überwunden ist, quert der Wanderweg eine Straße und geht in einen schlecht präperierten Waldweg über. Ein kurzer Blick in den Weg zeigt großen Schotter, der von Laub überdeckt ist. Man könnte auf der Straße bleiben, aber ich nutze die Gelegenheit um meine Fertigkeiten in schwierigem Gelände zu verbessern. Gerade als ich mir selbst laut sage „Ich hätte auf der Straße bleiben sollen“, passiert es. Ich habe einen Stein unter dem Laub nicht gesehen. Es ist dermaßen glitschig, dass ich sofort wegrutsche. Der Wanderstock kann sich in dem aufgeweichten Boden nicht festkrallen und rutscht ebenfalls weg. Blöderweise nach hinten. Ich falle auf meine verdrehte Hand und lasse einen dezenten Schmerzschrei los. Ich muss mich kurz sammeln, kann aber ohne große Schwierigkeiten wieder aufstehen. Erster Schadensbericht: scheint alles heil zu sein. Zum Glück bin ich nach hinten gefallen, somit hat der Rucksack das meiste aufgefangen. Lediglich mein Daumen ist etwas in Mitleidenschaft gezogen worden (schwillt im Laufe des Tages dann noch an) aber funktionstüchtig. Nochmal Glück gehabt.
Im Vorbeigehen treffe ich heute viele andere Pilger, aber bis auf ein kurzes Geplausche ist nicht mehr drin, ich will weiter nach Brunnen. Bereits um 13 Uhr erreiche ich Schwyz, was WEIT vor meiner geplanten Ankunft ist. Der Hunger ist groß, also suche ich mir ein Restaurant mit günstigem Mittagsmenü und kehre ein.
Nach dem Essen, und einer damit verbundenen einstündigen Pause, gehts direkt weiter nach Brunnen, wo ich um 15 Uhr eintreffe. Wahnsinn, abzüglich Pause hatte ich eine Nettogehzeit von 6 Stunden, das ist eine Stunde weniger als im Reiseführer angegeben. Ich glaub ich war noch nie schneller als der Reiseführer und dann gleich eine ganze Stunde und auch noch bei einer Etappe mit über 1500 Höhenmetern. Ich bin richtig stolz auf mich! Trotzdem bin ich noch erstaunlich fit.
Beim Ticketschalter hole ich mir schonmal die Fahrkarte für mein Schiffchen. Währen der Wartezeit besorge ich mir eine Kleinigkeit aus dem Supermarkt und setze mich zu einem Pensionisten, der mit seinem Rad unterwegs ist. Wir unterhalten uns über eine Stunde lang, ehe endlich das Boot kommt.
Die Fahrt dauert fast 2 Stunden und ich bin überglücklich. Mein Sitzplatz im Freien ist ausgezeichnet und so kann ich die gute Aussicht uneingeschränkt genießen.
In Luzern gelingt es mir ohne Internet meine Unterkunft zu finden (zur Erinnerung: 5 Euro pro Megabyte). Wie es weiter geht weiß ich noch nicht. Da ich ja eigentlich eher ungeplant hier gelandet bin, habe ich mir noch keine Unterkünfte rausgesucht. Erste Recherchen ergeben: etwas karg. Aber wird schon werden, irgendwo findet man immer irgendwas. Ist halt nur doppelt so schwer wegen ohne Internet unterwegs. Einfach bei den Klöstern am Weg anklopfen, oder ich machs so wie ein „Hippie-Pilger“, den ich heute getroffen hab. Er schlägt einfach dort sein Zelt auf wo er gerade ist wenn die Müdigkeit einsetzt 😀
Aber hey, bei der ungeahnten Fitness, die offenbar in mir steckt, gehe ich vielleicht morgen schon nach Santiago durch 😉