Burgdorf – Belp (ca. 31 Kilometer)
Gestern Nacht konnte ich kaum einschlafen. Vielleicht war ich zuwenig ausgelastet? Mir fällt aber auf, dass ich bei offen stehenden Einzelbetten immer Schwierigkeiten habe einzuschlafen. Ich brauch einfach was wo ich mich rankuscheln kann 😀 Doppelbett geht, da kann ich mich schön ausbreiten. Auf Frühstück habe ich verzichtet, irgendwie hatte ich keinen Hunger. Oder der Schock saß noch zu tief, weil die Putzfrau plötzlich im Zimmer stand während ich halbnackt war. Und das vor 8 Uhr. Leider keine drehbuchverdächtigen Szenen für einen Porno, sie ist sofort wieder abgerauscht.
Auch wenns heute mehr Höhenmeter gibt, ziehe ich doch wieder die langen Sachen an, denn es soll den ganzen Tag regnen. Als ich aus dem Hotel rausgehe regnet es nur leicht. Es fängt aber kurz darauf an zu schütten, jedoch habe ich Glück, denn ich muss durch einen dichten Wald und bekomme deshalb nicht viel ab. Der gesamte Weg heute ist geprägt durch längere Auf- und Abstiege, allerdings bis auf wenige Stellen nicht besonders steil. In den Waldabschnitten passe ich höllisch auf. Das durchnässte Laub verdeckt die Steine im Boden und ich will nicht schon wieder mit dem Gesicht im Dreck liegen 😀 Zwar bin ich einmal gröber gerutscht, konnte meine Sturzserie aber endlich beenden.
Mit einem Bauern habe ich mich kurz unterhalten und er hat mir stolz erzählt, dass er auch schon den letzten Kilometer nach Santiago gegangen ist. Auf mehr hatte er noch keine Lust. Er beschwert sich über den fehlenden Regen. Bitte? Ich gehe seit Tagen im Regen! Aber anscheinend hat die Schlechtwetterfront Bern noch nicht erreicht. Ich wünsche ihm viel Regen. Was ich wenige Minuten später bereue. Abgesehen von dem einen Schauer in der Früh, gings eigentlich mit dem Regen. Aber weil ich dem Bauern ja viel Wasser für seine Felder gewünscht habe, hat der Himmel gleich alle Pforten geöffnet. Weil ich aber eh schon stundenlang im Regen ging, und sowieso komplett durchnässt war, machts eigentlich kaum einen Unterschied obs tröpfelt oder schüttet 😀
Nur durch viel Zufall bin ich heute keinen Umweg von 20 Kilometern gegangen. Mittlerweile verlasse ich mich fast ausschließlich auf die Wegweiser und schaue nur bei großen Unklarheiten aufs Handy. Bei einer Kreuzung ist die Straße aufgerissen und unzählige Wegweiser durchgestrichen/neu gesetzt/umgeleitet. Auch wenn der Jakobsweg-Pfeil nach wie vor in die richtige Richtung zeigt, sagt mir mein Bauchgefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Ein Blick aufs Handy verrät mir, dass ich bereits jetzt schon falsch bin! Der ausgeschilderte Jakobsweg führt einen durchs Berner Zentrum, während der Weg laut Reiseführer südlich von Bern verläuft. Dazu kommt, dass ich für meine Unterkunft den Jakobsweg komplett verlassen muss und noch südlicher, nach Belp, muss. Während den Regengüssen immer wieder das Handy rausziehen zu müssen um den Weg zu suchen ist nicht so berauschend. Aber ich bin bald wieder auf der richtigen Route und freue mich nur noch 10 Kilometer vor mir zu haben. … Nur noch 10 Kilometer. Wahnsinn, was sich bei meiner Fitness getan hat. Vor wenigen Wochen noch kamen mir 10 Kilometer wie eine Ewigkeit vor!
Der heilige Jakob meint es heute nicht gut mit mir. Die Fußgängerquerung der Autobahn ist gesperrt und zwingt micht einen größeren Umweg zu nehmen. Ich frage einen Einheimischen nach einer Abkürzung, aber der schickt mich noch weiter weg. Warum frage ich überhaupt noch nach dem Weg. 90% der Leute haben keine Ahnung und sagen einfach irgendwas. Da bin ich wirklich froh, dass ich die 5 Euro in eine ausgezeichnete Offlinekarte investiert habe, wo sogar die kleinen Waldwege eingezeichnet sind. Ohne diese Karte wäre ich jetzt vermutlich in Bratislava.
Umweg erfolgreich abgeschlossen und wieder auf der Route. Eine überdachte Brücke mit Sitzgelegenheit! Meine erste Pause nach 26 Kilometer. War dringend notwendig, meine Füße werden schon schlapp. Wenns schüttet will ich mich halt auch nicht in den Regen setzen um eine Pause zu machen.
Als nächstes komme ich beim Flughafen Bern vorbei, jetzt ist es wirklich nicht mehr weit. Außerdem hat es auch aufgehört zu regnen und sogar die Sonne scheint etwas durch die Wolken.
In Belp bin ich schon ziemlich k.o., liegt aber vermutlich daran, dass ich auf 9 1/2 Stunden gehen heiße 10 Minuten Pause hatte. Mein heutiges Hotel hat einen self-checkin. Habs erfolgreich geschafft mir die Karte rauszudrücken und hole mir von der Pizzeria nebenan noch ein FrühMiAbendessen.
Die nächsten zwei Etappen werden wieder kürzer. So wies ausschaut wirds auch in den kommenden Tagen regnerisch bleiben. Trotz der kleinen Pause gestern fühle ich mich nach wie vor etwas geschlaucht. Vielleicht war die 31 Kilometer Etappe nicht so klug, aber ich dachte ich wäre besser erholt. Mir fehlen ein paar Kuscheleinheiten, das lädt den Energiespeicher sicher wieder auf! 😉