Jakobsweg Tag 55: English please

Moudon – Lausanne (ca. 28 Kilometer)

Leute… was für ein Tag! Zuerst mal ein Detail meines Zimmers in der Nacht. Das Hotel lag genau neben der Kirche in Moudon. Und mein Zimmer war exakt auf der Höhe des Kirchturms (die Aussicht hatte schon was). Zu jeder viertel Stunde hat die Kirchenglocke geläutet. Aber nicht einfach nur Bimmelbammel, so wie mans halt kennt. Nein. Die Glocken hatten eine Melodie eingespielt, welche sich zu jeder viertel Stunde steigerte und zur vollen Stunde ihren Höhepunkt erreichte. Mag vielleicht ganz nett sein, wenn mans einmal mitbekommt, aber als Dauerbeschallung nervts mit der Zeit 😀 Immerhin wurde die Nachtruhe von 22 – 6 Uhr eingehalten. Finde ich sozial. Also jetzt zu meinem Tag.

Ich wache (oh Wunder) ab 6 Uhr alle 15 Minuten auf. Mir gehts nicht so gut, ich fühle mich etwas erkältet. Kann aber natürlich auch noch von der Allergie sein. Dementsprechend zögere ich das Aufstehen so lang es geht hinaus. Allerdings will ich eigentlich heute ein paar extra Kilometer machen, also zwinge ich mich dann doch aus dem Bett. Weil ich eh kaum schlucken kann (Hals ist verschleimt), verzichte ich auf das Frühstück.

Mein erster Tagespunkt ist gleich mal die Kirche von Moudon. Dieser mittelalterliche Stil der Kirchen gefällt mir sehr gut und kenne ich so bisher noch nicht. Außerdem ist sie gut beheizt und am liebsten will ich gleich gar nicht mehr raus 😀 Aber ausnahmsweise bin ich heute motiviert und marschiere los. Weit bin ich nicht bekommen, bis der Himmel seine Pforten geöffnet hat und es zu schütten begann. Mittlerweile bin ich ja regenerfahren und es macht mir eigentlich kaum mehr was aus. Einzig als ich durch hüfthohes Gras muss und das Wasser nur so durch die Hose rinnt, mache ich mir etwas sorgen ums Handy. Es ist aber alles heil geblieben 🙂

Ich komme zu einer Passage, die durch eine Baustelle verändert ist. Wenige Meter vor mir sehe ich zwei Wanderer bei einem Wegweiser einbiegen und auch ich halte es für den richtigen Weg. Rasch überholt, kämpfe ich mich einen gatschigen Abhang rauf. Relativ schnell finde ich die Wegführung seltsam und ziehe das klatschnasse Handy raus. Natürlich falsch. Als ich umdrehe kommen mir die beiden Damen, die ich eben überholt hatte, entgegen. Vorsichtig frage ich ob sie Deutsch oder Englisch sprechen. Ja! Zwei amerikanische Pilgerinnen, wovon eine aber schon seit über 20 Jahren in München wohnt. Ich kläre sie auf, dass wir falsch sind und weil ich mich nach menschlichem Kontakt sehne hänge ich mich von da an bei den beiden Mädels an. Damit auch alle alles verstehen, sprechen wir englisch miteinander.

Der Regen lässt nach und wir entledigen uns der Regenkleidung. Zwei Österreicher stoßen kurz zu uns. Es ist so schön die heimische Mundart zu hören. Allerdings wirken die beiden Senioren etwas unkoordiniert. Im Laufe des Tages haben wir sie noch öfter umherirrend getroffen, bis sie letztendlich den Bus nach Lausanne genommen haben (ich meine sie sind in die falsche Richtung gefahren, aber kenne ja den Fahrplan nicht :D).

Die beiden Damen gehens gemächlich an und ich habe definitiv nichts gegen einen gemütlichen Wandertag. Unsere Gespräche sind sehr erfrischend und die Wahlmünchnerin hilft mir ab und zu, wenn mir die Vokabel fehlen. Auf jeden Fall ein guter Tag um die Englisch-Skills zu verbessern! Mit einigen Pausen sind wir schon fast in Epalinges, was das Tagesziel meiner heutigen Begleiterinnen ist. Bei ihnen ist es Routine vor dem Ziel auf ein Bierchen einzukehren. Dankenswerterweise werde ich eingeladen mitzudrinken. Das Bier liefert die nötigen Elektrolyte und ich fühle mich wieder topfit! In Epalinges trennen sich dann unsere Wege, denn ich will auf jeden Fall bis Lausanne. Vielen Dank für den unterhaltsamen und gemütlichen Wandertag!

Nach Epalinges biegt man in einen herrlichen Wald ab, der mitten durch Lausanne bis ins Zentrum führt. Gepaart mit der Frische des Regens (und meiner guten Laune) genieße ich den Spaziergang durch den Park sehr. Bevor man nach Lausanne absteigt, gibt es an einem Aussichtspunkt einen unglaublichen Ausblick bis nach Genf.

Im Stadtzentrum angekommen, mache ich mich auf die Suche nach einer Unterkunft. Zuerst möchte ich mir aber noch den Pilgerstempel der Kathedrale holen. Es gibt eine lange Schlange vor dem Eingang und ich wundere mich was da los ist. Zwei Touristen klären mich auf: Ein Konzert. Ich erspähe eine Empfangsdame und frage ob es möglich ist den Pilgerstempel zu bekommen. Sie antwortet mir in pferfektem Englisch, dass sie kein Englisch spricht, es ihr leid tut, sie kein Wort von dem was ich sage versteht und mir deshalb nicht antworten kann. Kurz komme ich mir leicht verarscht vor, aber es war sichtlich nur gut einstudiert, denn eine junge Dame dolmetscht für uns. Kein Stempel, ich soll morgen wieder kommen. Naja, ein Versuch wars wert. Ich irre weiter durch Lausanne, finde aber keine einzige Unterkunft. Das erste Hotel, das ich sehe, wirkt ein bisschen wie das Imperial. Da frage ich gar nicht erst nach den Nächtigungskosten 😀 Irgendwann kommt dann endlich doch noch ein Hotel, das leistbar aussieht. Der nette Herr an der Rezeption gibt mir einen Rabatt, weil er so begeistert davon ist, dass jemand tatsächlich zu Fuß von Wien bis Lausanne gegangen ist. Ja, manchmal wunderts mich auch 😀

Heute war ein guter Tag. Auch wenn ich gerade kein einziges trockenes Kleidungsstück habe, von oben bis unten eingesaut bin und ich die Wäsche nicht mehr waschen konnte, weils schon so spät ist. Der Marsch mit den beiden Damen hat mir gezeigt, dass ich mich mittlerweile sehr nach menschlicher Nähe sehne. Vermutlich ist das Alleinsein der Grund, warum ich in letzter Zeit so mies drauf bin. Meine erste richtige Erkenntnis auf dem Jakobsweg! Ich möchte nicht alleine sein.

Auch für morgen suche ich mir keine Unterkunft, die Spontanität gefällt mir viel besser. Wie weit ich gehen will weiß ich noch nicht, ich werde alles auf mich zukommen lassen. Hoffentlich darf ich noch viele Tage wie heute erleben.