Jakobsweg Tag 56: Braver Hund

Lausanne – Rolle (ca. 29 Kilometer)

Leute, wo soll ich anfangen. Weils ja gestern später wurde und ich mir für heute eine kürzere Etappe vorgenommen hatte, habe ich ordentlich ausgeschlafen und die Maschinen nur auf halbe Kraft gestellt. Pünktlich um 10 checke ich aus. Ich habe (wie immer, wenn ichs mir aussuchen kann) kein Frühstück gebucht. Es sind ein paar Supermärkte am Weg, da wird sich schon was finden.

Kaum bin ich wieder auf dem ausgeschilderten Jakobsweg, sehe ich 2 Wanderer mit Hund. Das müssen die Österreicherin und der Zürcher sein, von denen mir die beiden Amerikanerinnen gestern erzählt haben! Ich hole auf und sprenge, mal wieder, eine Pilgergruppe. Der Pilgercrasher sozusagen. Nach der vorsichtigen Frage, ob ich mitgehen darf, werde ich sofort herzlich aufgenommen. Wir erzählen uns unsere Lebensgeschichten, verlaufen uns paar mal (aber nur ganz wenig) und kommen gut voran. Der Hund ist ein ganz ein Lieber. Eigentlich ist es ja eine Dame, die Amelie. Gut, wenn wir schon bei Namen sind… Die Österreicherin ist die Elisabeth und der Zürcher ist der Marc (sorry, falls man dich anders schreibt). Und so gehen wir gemeinsam am Ufer des Genfer Sees entlang und geniessen bei herrlichem Wetter das Urlaubsflair. Wir sehen viele Schwäne, noch mehr Muscheln und haben durchgehend eine atemberaubende Aussicht.

Der Hunger packt uns (Elisabeth nicht) und dank Marc und seiner Französischkenntnisse erfahren wir, dass bald ein paar günstige Restaurants kommen. Wir kehren ein und gönnen uns einen richtig leckeren Burger. Nach dem Essen suchen sich die beiden eine Unterkunft und ich hoffe ein wenig „mitschnorren“ zu können. Leider ist nur Platz für 2 Personen. Nicht schlimm, ich finde sicher irgendwo was. Außerdem war ich mir nichtmal sicher, ob ich überhaupt so weit gehen will. Marc öffnet mir später einen Wi-Fi Hotspot, damit ich nach Unterkünften suchen kann. Allerdings gibt es bis Alleman, wo die beiden schon was haben, nicht wirklich Schlafgelegenheiten, also beschließe ich mitzugehen. Die letzten Kilometer quälen wir uns schon ein bisschen und Elisabeth macht sich Sorgen ob der Hund auch durchhält, immerhin ist es für die beiden (bzw. eher für die drei) eine Etappe über 30 Kilometer. Wie ihr wisst bin ich ja ein Freund von vielen Pausen, deshalb stört mich das überhaupt nicht, im Gegenteil, mir sind die Pausen sogar fast etwas zu kurz.

Marc bekommt einen Anruf von der Unterkunft, dass der Inhaber bald weg muss und wir uns beeilen sollen. Marc geht vor und Elisabeth und ich (und Amelie) folgen langsam. Amelie fährt total auf Marc ab und möchte ihm unbedingt nach, was Elisabeth dezent in den Wahnsinn treibt 😀

Wir treffen in Alleman ein, ich gebe Elisabeth noch meine Telefonnummer, damit wir uns morgen wieder treffen können, und gehe zum einzigen Hotel der Stadt. Noch bevor ich bei der Tür rein bin, fängt mich der Besitzer ab und sagt mir, dass er eine Veranstaltung hat und komplett ausgebucht ist. Er kennt aber ein Ehepaar, die Pilger aufnehmen. Mit einer, ausnahmsweise guten, Wegbeschreibung finde ich das Haus schnell. Es steht sogar eine Telefonnummer an der Tür. Marc kommt gerade die Straße runter um die wartende Elisabeth abzuholen und borgt mir sein Handy, damit ich gratis telefonieren kann. Leider hebt niemand ab. Ohne lang zu überlegen entscheide ich die extra Kilometer nach Rolle zu machen. Zuerst gehen ich auf der Freilandstraße und versuche per Anhalter zu fahren, allerdings ist dort dermaßen viel Verkehr, dass ich doch abbiege und wieder dem Jakobsweg folge. Meine Gedanken sind noch immer bei Elisabeth, Marc und Amelie. Hoffentlich klappt das und wir sehen uns morgen tatsächlich wieder.

Das Dreiergespann

Ich nehme eine kleine Abkürzung und gehe durch schweizer Weingärten. Die ersten, die ich sehe seit ich in der Schweiz bin. Übrigens bin ich auf meinem Weg nach Rolle zwei mal auf französich von Passanten angesprochen worden. Offenbar habe ich etwas französisches an mir 😀

In Rolle angekommen gehe ich zum nächstgelegenen, auf meiner Offlinekarte eingezeichneten, Hotel und frage nach freien Zimmern. Ich habe Glück, eine Reservierung wurde storniert und somit bekomme ich das letzte freie Zimmer. Das Zimmer selbst ist etwas mysteriös. Es ist 2-stöckig, bietet aber trotzdem kaum Platz, den es ist direkt in den Dachstuhl gebaut. Die „Dusche“ besteht aus einer Badewanne mit Duschkopf ohne Duschvorhang und das Badezimmer lässt sich nur von außen absperren (Hä?). Aber das zugehörige Restaurant entschädigt. Ich hatte ein unglaublich gutes Beef Tartar bei einer schönen Aussicht auf der Gastterrasse.

So lässts sich speisen

Ums nochmal zu unterstreichen: Ich hoffe, dass das klappt ich mich morgen wieder an das Dreiergespann anhängen kann. In der Gruppe zu gehen ist einfach so unendlich viel lustiger. Aber ich habe ja einen Vorsprung von knapp 6 Kilometern, da werden sie mich morgen im Laufe des Tages schon irgendwann einholen 🙂

So, jetzt gebe ich mir die letzten Minuten vom Finale von Germanys next Topmodel 😀 Gute Nacht meine Süßen.