Jakobsweg Tag 58: Ein Land nach dem anderen

Nyon – Genf (ca. 28 Kilometer)

Einzuschlafen war nicht einfach. Mir war heiß und draussen ging die Party ab. Aber mein Zimmer hatte eine Klimaanlage, welche den Lärm draussen übtertönt. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen! Um 6 krieche ich aus dem Bett, brauche aber einige Zeit bis ich in die Gänge komme. Immerhin schaffe ich den check-out bis halb Acht.

Die ersten paar Kilometer laufen wie am Schnürchen. In der Ferne blitzt und donnert es wie verrückt, aber noch herrscht Sonnenschein. Eine Verkettung von Ereignissen hält mich bei dem herannahenden Regenschauer trocken. Ich fand es so witzig, dass ich das hier kurz schildern muss: In einem kleinen Ort steht das erste Bankerl seit Nyon. Aber ich fühle mich noch halbwegs fit und gehe deshalb weiter. Weniger Meter später sehe ich eine schöne Szenerie für ein Foto und gehe mitten auf der Straße hin und her für einen guten Schnappschuß. Eine Einheimische bekommt das mit und gibt mir eine Wegbeschreibung zu einer kleinen versteckten Kirche, welche eine Aussichtsplattform hat, von der ich ebenfalls gute Fotos machen kann. Und wenn ich schonmal bei einer Kirche bin, dann schaue ich natürlich auch nach einem Pilgerstempel, welcher in diesem Fall vorhanden war. Und weil vor der Tür der Kirche ein Bankerl steht, kombiniere ich das dann doch mit einer Pause. Denn den Rucksack muss ich für den Pilgerpass ohnehin runternehmen. Gerade als ich den Rucksack abschnalle, beginnt es zu schütten. Aber der Eingang der Kirche (mit Bankerl) ist überdacht! Nach 20 Minuten ist der Schauer vorbei und ich kann trocken weitergehen. Hätte ich mich also für das erste Bankerl entschieden, hätte ich das Foto später gemacht, die Einheimische hätte mich nicht das Foto machen sehen, ich hätte nichts von der Kirche erfahren und wäre somit waschelnass geworden. Der Camino gibt dir was du brauchst. Achja, das ist übrigens besagtes Foto, für das ich auf der Straße herumgetänzelt bin:

Nachher hat es zwar noch ab und zu getröpfelt, aber alles total harmlos.

Schön langsam kommt der Hunger. Supermarkt ist keiner am Weg, aber ich hätte sowieso riesen Lust auf Nudeln. Zwar komme ich bei ein paar Restaurants vorbei, allerdings spricht mich keines so richtig an und außerdem hoffe ich ja immer noch Elisabeth und Marc wieder zu treffen, da muss ich ein bisschen aufholen! Wen ich aber getroffen habe war wieder der ominöse Bayer, der mit dem Camper unterwegs ist. Er geht ja immer in die „falsche“ Richtung. Diesmal berichtet er mir, dass die beiden sehr weit vor mir sind. Nach seiner Beschreibung haben sie mindestens 1 1/2 Stunden Vorsprung. Da erhoffe ich mir gar nicht erst heute noch aufholen zu können.

Laut meiner Offlinekarte gibt es etwa 4 Kilometer vor meinem Ziel zwei Restaurants. Das schaut doch nach einer verlockenden Pause aus. Zudem finde ich es sehr erfrischend vor dem Etappenziel zumindest ein Bier zu trinken, so wie es mir die beiden Amerikanerinnen vorgelebt haben. Das spornt zusätzlich an 🙂 Gesagt getan, kehre ich ein. Aber leider hat die Küche geschlossen. Naja, muss ich halt ein zusätzliches Bier trinken 😉

Frisch motiviert reisse ich die letzten Kilometer an. Auf meiner heutigen Etappe habe ich wirklich unglaublich viele Villen gesehen. Man merkt, dass hier am Genfer See das Geld lockerer sitzt. Von all den riesigen Anwesen hat es aber nur ein einziges verdient fotografiert zu werden. Normalerweise bin ich auf Häuser ja nicht neidig, jeder der mich kennt weiß, dass ich nur 20 Quadratmeter brauche, bei diesem kleinen Schlößchen könnte ich dennoch weich werden:

In Genf angekommen beziehe ich mein Hotel. Es liegt mitten im Multikultiviertel der Stadt. Im Umkreis von 50 Metern bekommst du von Kaviar bis Kokain wirklich alles. Jetzt aber erst mal was essen. Zwar habe ich direkt vor der Haustüre unzähligen Restaurants, allerdings bin ich gerade wenig experimentierfreudig und holen mir weder nigerianisch, somalisch, usbekisch und auch keinen Halal-Burger, sondern stopfe mir ganz ordinär ein Mäci Menü rein. Dann noch ein kurzer Halt beim Supermarkt um für morgen ein kleines Frühstück zu besorgen. Ich kanns kaum erwarten mich hinzulegen. Mein Rücken ist in Mitleidenschaft gezogen, vermutlich verspannt. Ob es hier ums Eck auf eine gscheite Thai-Massage gibt? Bestimmt, aber wer weiß welche Dienste da sonst noch angeboten werden 😀

Weil ja heute mein letzter Tag in der Schweiz ist, möchte ich gerne noch ein oder zwei Worte sagen. Die Schweiz hat mich viel Kraft gekostet. Das Terrain war großteils sehr anspruchsvoll mit vielen Höhenmetern. Aber es war auch wunderschön. Jede Anstrengung wurde mit unglaublichen Ausblicken belohnt. Die Leute hier sind sehr freundlich und es wird viel gegrüßt, was mir besonders gut gefällt, denn ich bin ja selbst ein „Grüßer“. In Österreich hatte ich eine „Rückgrüßrate“ von etwa 50%, hier hingegen werde ich meist sogar zuerst gegrüßt. Finde ich toll. Was mir nicht so gefallen hat sind die Preise in der Schweiz. Vorallem essen gehen ist in Relation sehr teuer. Ergänzend muss ich aber sagen, dass meiner Meinung nach die Qualität des Essens bzw. der Zubereitung, selbst in kleinen Lokalen, erheblich besser ist als in Österreich. Ich habe nur ein einziges Mal Tiefkühlpommes bekommen, sonst waren sie immer selbst gemacht (sofern ich das beurteilen kann). Leider ist mein Französisch noch immer grottenschlecht, aber ich gebe mir Mühe und übe tatsächlich auch ein bisschen. Will ja auf Frankreich vorbereitet sein. Ahja Frankreich… da wird sicher das eine oder andere Glaserl Wein getrunken werden 😉

Hier in der Schweiz hatte ich ja ein ziemliches Pilgertief, wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt. Mittlerweile habe ich wieder viel Spaß und Freude am Jakobsweg (wie ihr vielleicht auch mitbekommen habt 😉 ). Hoffentlich treffe ich auch weiterhin andere Pilger, zu mehrt ist das Pilgern viel lustiger.

So, genug für heute, jetzt wird eine Runde gechillt. Die letzten Tagesetappen waren sehr flach, ab morgen gibt es wieder einige Höhenmeter. Da muss ich fit sein! Machts gut, vermiss euch jetzt schon. Bussi.