Jakobsweg Tag 69: Nachwirkungen

Frangy – Seyssel (ca. 13 Kilometer)

An Schlaf war kaum zu denken. Das Unwetter tobte die ganze Nacht und hat mich immer wieder aufgeweckt. Zudem habe ich irgendwie meine Schlafmatte geschrottet. Sie verlor die ganze Luft und somit bin ich quasi direkt am Boden gelegen (was mir Rückenschmerzen bescherte). Ich hoffe wirlich, dass einfach nur das Ventil blöd zugeschraubt war. Ein Loch in der Matte würde die nächsten Nächte sehr unangenehm machen.

Wegen dem durchgehenden Regen hatte ich ziemlich viel Kondenswasser im Zelt. Meine Sachen sind zwar einigermaßen verschont geblieben, aber beim einpacken des Zeltes ist mir gleich aufgefallen, dass im Packbeutel das Wasser steht. Naja, das Ding besteht aus Carbon-Fibre (Ist das Fieberglas auf Deutsch?) und kann dementsprechend gar kein Wasser aufnehmen. Ergo auch nicht schimmeln. Trotzdem werde ich morgen etwas früher am Zeltplatz eintreffen, damit ich es noch austrocknen lassen kann.

Weil kaum geschlafen, habe ich bei Tagesanbruch mit dem Packen begonnen und war deshalb schon sehr früh unterwegs. Eigentlich wollte ich mir was zu Essen und Trinken im Supermarkt kaufen, aber ich hab mal wieder nicht mitgedacht, dass so zeitig ja nix offen hat. Blöder Fehler, denn ich habe deshalb meine Flaschen nicht nachgefüllt und nur etwa einen viertel Liter übrig gehabt. Sicherheitshalber habe ich mir schonmal rausgesucht wie man auf französisch nach Wasser fragt, denn so brunnenverwöhnt wie in der Schweiz wird man hier als Pilger leider nicht.

Um 8 war es bereits unglaublich warm und unglaublich schwül. Wieder absolut windstill. Diese hohe Luftfeuchtigkeit macht mich wirklich total fertig. Nachdem ich mich auf feuchte Pausenbänke gesetzt habe, sieht man wo ich gesessen bin, weil danach die Bankerl noch nasser sind 😀 Außerdem fehlt es mir massiv an Energie, hatte ich doch seit 36 Stunden nichts mehr gegessen. Leider gibt es am Weg weder Restaurants noch Supermärkte (laut meiner Karte), ich halte aber trotzdem meine Augen offen.

Wenigstens finde ich ein öffentliches WC, wo ich meine Wasserflasche auffüllen kann. Dafür habe ich extra einen Plausch mit einem anderen Pilger sausen lassen. Aber mittlerweile sieht man doch regelmäßig andere Pilger, da findet sich schon jemand, dem ich auf den Keks gehen kann 😉

Nach etwa 10 Kilometern Marsch, bin ich bereits total erschöpft. Mein Rücken schmerzt, ich bin unglaublich müde und das Wetter bekommt mir gar nicht. Da fällt mir ein, dass es im Vorort von Seyssel eine Herberge gibt. Gina, eine der beiden Amerikanerinnen, hat mir geschrieben, dass sie dort günstig übernachtet haben. Wäre doch eine gute Option um mich ein bisschen zu erholen!

Kurz vor Seyssel kommen mir 2 Pilgerinnen entgegen, die ich schon paar mal gesehen hab. Also normalerweise fällt mir sowas ja nicht auf, aber die zwei sind sowas von lesbisch, das sticht sogar mir ins Auge 😀 Egal, darum gehts jetzt nicht 😀 Es sind 2 Französinnen, dementsprechend fällt die Kommunikation etwas holprig aus. Aber ich will unbedingt wissen warum sie in die falsche Richtung gehen. Wie sich herausstellt läuft ihnen schon lange ein Hund nach (stimmt, den hatten sie gestern noch nicht dabei!) und sie gehen jetzt mit ihm zurück um den Besitzer zu finden. Irgendwie schon witzig, wenn sich der Hund einfach ein neues Frauchen aussucht 😀

Bei der Herberge abgekommen, gleich mal die Ernüchterung: Sperrt erst um 16 Uhr auf… und es ist grad mal 12. Zwar kommt die Besitzerin kurz nach draussen (wos wenigstens Sitzgelegenheiten gibt), aber sie muss jetzt dringend weg und ist erst um 4 wieder da. Ich sage ihr, dass ich warte, denn meine Optionen sind nicht allzu berauschend. Ich kann runter nach Seyssel gehen, allerdings wären das, mit dem Aufstieg morgen, 600 Höhenmeter Umweg. Zum nächsten Ort mit Unterkunft gehen, ist keine Alternative. Das wären 21 weitere Kilometer. In meinem Zustand überlebe ich das nicht.

Während ich also warte, kürze ich meine nächsten Etappen erheblich und hoffe so wieder zu meiner alten neuen Form zu finden. Um 3 darf ich dann schon aufs Zimmer und ich bestelle mir auch gleich Abendessen. Das Essen ist nicht sehr berauschend, aber es macht satt, das ist das Wichtigste. Inklusive dem 3 Gänge-Menü und Gertränken kostet mich das Zimmer 34 Euro. Kann sich sehen lassen. Wobei man sagen muss, dass es ein baufälliges und ungepflegtes Haus ist. Überall Schimmel, abgebröckelter Putz und Spinnweben. Das ist der Grund warum ich Herbergen meide. Aber gut, ist halt wirklich billig, das muss man schon sagen.

Nach der Dusche sehe ich erst wie meine Beine ausschauen. Gestern war nämlich ein Wanderweg wegen Bauarbeiten aufgerissen und ich musste mich durch Gestrüpp kämpfen um auf den Weg zurück zu kommen. Dabei musste ich durch Dornenbüsche und Brennessel. Wobei ich die Brennessel schon fast nich mehr spüre, so oft wie ich die abbekomme 😀 Jedenfalls bin ich überall aufgekratzt. Meine Shirts und die kurze Hose schauen auch schon aus haha 😀 Löcher in den Shirts, Blutflecken überall. Und die Hose erst. Harzflecken, Blutflecken und meine neueste Errungenschaft: Kulikritzeleien. Ich hatte den Kuli in einer Seitentasche vom Rucksack. Die Seitentaschen haben aber kleine Öffnungen, wenns regnet, dass das Wasser abfließen kann. Tja, die Kulispitze hat rausgschaut und mir einen Tag lang den ganzen Arsch vollgekritzelt 😀 Ein Picarscho sozusagen 😀

Na gut, dann verzieh ich mich mal in den Schlafsack, denn mit der grauslichen Decke hier will ich mich nicht zudecken 😀 Leider habe ich hier keinen Empfang, deshalb kann ich den Blogeintrag erst morgen veröffentlichen, aber ihr werdet das hoffentlich überleben 🙂