Jakobsweg Tag 71: Oh mein Gott… es sind zu viele!

Chanaz – Yenne (ca. 18 Kilometer)

Das leichte Gewitter ist leider in einen wüsten Sturm ausgeartet. Immer wieder bin ich aufgewacht und hab gecheckt ob mein Zelt eh noch nicht schwimmt. Die Zeltwiese rundherum stand schon unter Wasser und es schüttete unaufhörlich weiter. Aber es hat alles gehalten. Bis auf etwas viel Kondenswasser, das leider getropft ist statt abzurinnen, weil ich das Zelt bisschen schief abgespannt habe. Im direkten Vergleich fühle ich mich in meinem alten Zelt bei Unwetter wesentlich entspannter. Liegt aber daran, dass es ein Überzelt hat, was die Bewegungen im Zelt und die Kondenswasserbildung reduziert. Aber dafür 1,5 Kilo mehr mitschleppen? Denke nicht, dass sich das rechnet.

Jedenfalls hat auch allerhand Getier im Vorzelt Zuflucht gesucht. Darunter Millionen von Nacktschnecken. Das gesamte Fliegennetz besteht nun ausschließlich aus Schleim. Ich hatte schon Angst, dass es dadurch vielleicht Luftdicht wird 😀 Großer Fehler: Ich habe die Schuhe draussen stehen lassen, weil sie total vergatscht sind. Schnecken auf den Schuhen, in den Schuhen und wenn sie gekonnt hätten, wären sie auch unter den Schuhen gewesen. Mit dem Kuli habe ich dann mal 30 Minuten lang Schnecken entfernt (und ein gefühltes Kilo Schneckenkacke), bevor ich mich ans Zampacken machen konnte. Ahja, wegen der Isomatte. Zwei Mal habe ich sie in der Nacht neu aufgeblasen, dann wurds mir zu blöd. Zipft mich echt an, dass sie undicht ist. So wird das nix mit erholsamen Schlaf.

Direkt am Beginn der heutigen Etappe stehen ein paar Höhenmeter an. Aber zum Glück ist es nicht so schwül wie die letzten Tage und es weht auch eine sanfte Brise. Weil ja der Weg heute sehr kurz ist, und ich schon sehr früh losmarschiert bin, lasse ich mir wirklich viel Zeit. Ich bleibe öfters stehen und lasse die Umgebung auf mich wirken, und natürlich mache ich reichlich lange Pausen.

Es geht abwechselnd bergauf und bergab, aber dank den Pausen ist das kein Problem. Endlich kommt etwas Abwechslung in die bis jetzt eher triste französische Landschaft, denn es führen mehrere Kilometer durch Weinhänge. Immer wieder passiere ich Jahrhunderte alte Ortschaften, welche noch idyllischer wären, hätte man die Fassaden nicht nur notdürftig in Schuss gehalten.

Meine beiden Lesben überholen mich wieder bei einer meiner Pausen, so wie jeden Tag. Sie sagen mir, dass hinter ihnen zwei Österreicher am Jakobsweg sind. Leider haben sie nicht aufgeschlossen, hätte micht über ein bisschen Heimatfeeling gefreut.

Am höchsten Punkt der Etappe angekommen, geht es stellenweise sehr steil durch einen Wald nach unten. Ich passe wieder höllisch auf, dass ich auf dem glitschigen Boden nicht ausrutsche. Hier kommt ein bisschen tropisches Feeling auf. Alles ist sehr grün und es schwirren Myriaden von Gelsen um mich herum. Und weil ich nunmal zum Anbeissen bin, habe ich jetzt 1000 Gelsendippel und mindestens Malaria.

Die französischen Tropen

Das letzte Stück führt durch einen anderen Waldabschnitt und ist wirklich schön zu gehen. Mittlerweile hat die Temperatur ordentlich angezogen und es tut gut im Schatten der Bäume bei leichtem Wind zu gehen. Trotzdem bin ich so sehr durchgeschwitzt, dass man meinen könnte ich bin in einen Bach gefallen.

Obwohl mich der Campingplatz von Yenne sehr anlacht (große Zeltwiese unter riesigen Bäumen) habe ich mir vorgenommen für heute Nacht ein Zimmer zu nehmen. Die morgige Etappe wird sehr anstrengend, es stehen fast 1700 Höhenmeter an, da möchte ich mir auf jeden Fall einen erholsamen Schlaf sichern. Im Ort gibt es ein Seminarhotel. Das hört sich nicht allzu teuer an und ich versuche mein Glück dort. 53 Euro inklusive Abendessen. Ist mir ein sauberes Zimmer und eine ordentliche Dusche wert. Am Zimmer aber erst mal Wäsche waschen, das Zeug ist sogar mir schon zu grauslich und außerdem hätte ich gerne den Schneckenschleim von meinen Socken runter (jap, die waren in den Schuhen vorm Zelt). Dann noch den Schlafsack ausbreiten, ich habe ihn zwar in der Früh abgewischt, aber ich will auf keinen Fall Schimmel riskieren. Als nächstes gehts noch in den Supermarkt. Mir ist aufgefallen, dass ich viel zu wenig esse. Vermutlich fehlt mir deshalb oft die nötige Energie. Es sollte was mit vielen Kalorien sein, das sich aber einfach zubereiten lässt und auch gut zu transportieren ist. Habe mich für diesen bereits fertigen Burritoteig entschieden und dazu gibts eine wiederverschließbare Dose Thunfisch. Sollte reichen für eine handvoll Kalorien zu Mittag. Ach, und sie hatten so einen Sonnenbrillenständer, wie man sie kennt, mit Brillen, die beim Anschauen schon auseinander fallen. Seit Tagen schon sehe ich fast nix mit meiner Sonnenbrille, weil die dunkle Beschichtung abbröselt. Schade, ich hab sie gern gehabt. Aber nach 15 Jahren darf eine 10 Euro Brille schon mal den Geist aufgeben 😉

Irgendwie gibt es hier kaum Restaurants fällt mir auf. Zwar oft Konditeure und Cafehäuser, aber nix wo man mal gscheit was zu essen herbekommt. Deshalb leide ich oft Hunger und dem muss ich ein Ende setzen! Wollte mir halt das Mitschleppen von Jausen ersparen, zumal man hier einfach keine Wurstsemmeln bekommt. Und Supermärkte sind auch wirklich rar. Gut, der Jakobsweg hat bis jetzt in Frankreich durch eher dünn besiedeltes Gebiet geführt. Und durch unendlich viel hohes Gras. Mich wunderts ja wirklich, dass ich mir in den letzten Tagen keinen Zeck aufgerissen hab.

Genug geschnattert für heut. Gleich gibts essen und ich will vorher nochmal einen Blick in den Reiseführer werfen. Bis morgen meine Lieben!