Jakobsweg Tag 72: Von Franzosen, die englisch sprechen und Fliegen, die eine Invasion vorbereiten

Yenne – Saint Genix sur Guiers (ca. 25 Kilometer)

Der Schlaf war gut, aber etwas komisch temperiert. Mir war ziemlich heiß und habe deshalb nur mit Leintuch bei offenem Fenster geschlafen. Ich starte wieder früher und habe deshalb einen Platz ausgemacht, wo ich den Zimmerschlüssel an der Rezeption hinterlege.

Gleich zu beginn der Etappe startet der erwartete Aufstieg. Laut Reiseführer gibt es zwei Wegvarianten. Eine einfache Wegführung und eine anspruchsvolle, aber dafür spektakuläre. Es wird aber dringend davon abgeraten die schwierige Variante zu wählen, wenn der Boden feucht ist. Gestern hat es nicht geregnet und auch für heute ist kein Regen angesagt. Und die spektakulären Aussichten will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Sofort wird klar, warum dieser Weg bei Feuchtigkeit gefährlich werden kann. Ausgewaschene Kalksteinplatten prägen den ersten Teil des Aufstiegs. Aber sofort ab den ersten Kilometern gibt es immer wieder Abzweigungen zu atemberaubenden Aussichtspunkten. Leider ohne Bankerl, was ich wirklich sehr schade finde.

Abwechselnd gibt es Steigungen und flache Stellen, was wirklich sehr angenehm ist, weil man sich so nicht komplett verausgabt. Bei einer Selbstversorgerhütte lege ich eine lange Mittagspause ein, allerdings habe ich keinen Appetit, und so kommt die Burrito-Thunfisch-Combo doch nicht zum Einsatz.

Ich erreiche einen weiteren Aussichtspunkt, mit einem unglaublichen Weitblick über das Rhône-Tal. Hier war mir wirklich leid drum, dass es kein Bankerl gab, ich hätte den Anblick gerne länger genossen.

Die letzten Höhenmeter sind mit einer Kombination aus sehr steilem Anstieg und glitschig-gatschiger Oberfläche ziemlich anstrengend, aber ich habe es doch gut raufgeschafft. Meine Befürchtungen, dass der Abstieg genauso wird, bestätigen sich nicht. Relativ schnell führt der Weg aus dem Wald raus und ab jetzt geht es auf Asphalt weiter.

Kurz davor komme ich noch zu einem letzten Aussichtspunkt, wo sogar ein Bankerl gewesen wäre, welches aber von einem mitsiebziger Ehepaar besetzt war. Zu meiner großen Überraschung wurde ich auf englisch angesprochen und so bin ich mit den Einheimischen ins Gespräch gekommen. Die ersten freilaufenden Franzosen, die mit mir auf englisch reden!

Der Abstieg geht weiter und ich verlasse nun endgültig die Waldlandschaft, welche bis jetzt an diesem heißen Tag Schatten gespendet hat. Mir fallen immer wieder Fliegenschwärme auf, die in die gleiche Richtung ausgerichtet mit gleichem Abstand zueinander auf dem Boden sitzen. Fast so als würden sie auf den Fliegenpräsidenten warten um eine weitreichende Verschwörung in Gang zu setzen. Ein bisschen Angst habe ich schon sie zu stören, schließlich will ich ja nicht auf der Fliegen-Blacklist landen.

Mir kommen zwei Franzosen entgegen, welche auf dem GR65 wandern. Ein bekannter Fernwanderweg durch Europa, welcher sich hier den Streckenverlauf mit dem Jakobsweg teilt. Wieder unterhalten wir uns auf englisch und tauschen uns ein wenig über die beiden Wanderwege aus.

Bei einer Kirche mache ich eine längere Pause und dabei kommen zwei Pilger auf mich zu, die mich in der Früh bereits überholt haben. Hanne, eine Frau mit Hund und Martin, ein junger Bursche. Beide aus Deutschland, haben sich aber auch erst am Jakobsweg kennengelernt. Weil sie den selben Campingplatz wie ich anpeilen, beschließen wir die letzten Kilometer gemeinsam zu gehen.

Als wir beim Campingplatz eintreffen, werden wir sehr herzlich aufgenommen. Obwohl nur Martin eins der fest installierten Zelte nimmt, dürfen Hanne und ich die Behausung mit Kochstelle mitbenutzen und unsere Zelte direkt daneben aufstellen. Wir gehen noch einkaufen, denn Hanne bekocht uns. Es gibt Nudeln mit einer mit frischem Gemüse ergänzten Fertigsoße. Und eine Flasche Wein, welche ich alleine trinken muss, weil er den beiden nicht schmeckt. Ich armer.

Vorher waren wir noch im zugehörigen Swimmingpool und haben uns von dem anstrengenden Tag erholt. Auch die Sanitäranlagen sind wirlich top in Schuss. Definitiv die am Besten investierten 7 Euro jemals.

Das wars für heute, wird Zeit für die Heia. Gute Nacht 🙂