Jakobsweg Tag 8: Das Schlendern ist des Philipps Lust

Melk – Pöchlarn (10 Kilometer)

Ich wache kurz vorm Weckerläuten auf und checke sofort mein Knie. Die Schwellung ist sichtlich zurückgegangen und auch Stiegen steigen geht wieder. Der Schmerz ist noch nicht weg, deshalb entscheide ich mich für eine Abkürzung des Jakobsweges, welche ich mir gestern noch rausgesucht hatte. Dabei umgehe ich fast alle Höhenmeter und kürze zudem die insgesamt 30 Kilometer lange Etappe um gute 10 Kilometer ab. Leider muss ich dadurch ein paar Sehenswürdigkeiten auslassen (wie z.B. Maria Taferl), aber die Schonung meines Knies ist mir wichtiger.

Zuerst einmal ausgiebig Frühstücken und… zur Bank gehen. Wieder mal habe ich nicht genug Geld dabei um das Zimmer zu bezahlen. Wers nicht im Hirn hat, hats halt in den Haxn. Aber das trifft sich gut, denn dann kann ich auch gleich Duschgel mitnehmen. Bis auf jetzt im Marillenhof hatten die Pensionen nie was zum Duschen parat. Natürlich hab ich das Duschgel vergessen und ich musste in Pöchlarn nochmal einkaufen gehen. Also manchmal frag ich mich schon…

Ich lasse mir noch den Firmenstempel in meinen Pilgerpass geben. Nicht nur um mich an meine Knie-Odyssee zu erinnern, auch weil ich den Aufenthalt hier sehr genossen habe. Dann gehts auf zum Donauradweg, den ich entlang marschieren werde.

Am Weg durch die Melker Altstadt spricht mich ein Mann an. Er hat mich vorhin schon durch die Stadt hatschen gesehen und erkundigt sich was los ist. Er gibt mir den Tipp Topfen aufzulegen. Übrigens hat er mich anfangs für einen Obdachlosen gehalten. Na hoffentlich ists ja doch nicht so schlimm mit meinem Bart 😀

Entlang des Radweges gehe ich die meiste Zeit alleine und es gibt leider nur eine einzige Sitzgelegenheit auf den ganzen 10 Kilometern. Um das Knie zu schonen gehe ich äußerst langdam und brauche gute 4 1/2 Stunden nach Pöchlarn.

Auf dem Weg setzt sich wieder das in mir immer mehr entwickelnde Freiheitsgefühl ein und ich fühle mich sofort wieder besser. Allgemein ändert sich meine Gefühlswelt sehr zum Positiven. Ich habe das erste Mal in meinem Leben das Gefühl zu 100% über mich selbst bestimmen zu können. Wenn ich unterwegs etwas tun will, dann tu ich es einfach, wenn nicht, dann lass ich es eben. Kein schlechtes Gewissen, keine Zwänge. Mir fällt auch auf, dass ich Entscheidungen viel schneller und spontaner treffe. Bei der Unterkunftsuche läute ich einfach bei allen Pensionen von Tür zu Tür. So lange, bis ich ein freies Bett finde. Ich bin auch viel offener geworden. Mehrmals am Tag erwische ich mich, wie ich mit einem wildfremden Menschen am Plaudern bin. Liegt natürlich auch an den Menschen hier. Es herrscht ein viel offeneres und freundlicheres Flair, als ich es aus meinem bisherigen Umfeld kenne.

Aber genug philosophiert. Mit meiner heutigen Pension hatte ich wieder einen Glücksgriff. 2 hintereinander! Abendessen hatte ich schon (Johnnys Burger in Pöchlarn), Wäsche ist bereits gewaschen und Knie auch schon eingeschmiert. Heute entlasse ich euch mit einem Pilgerbartfoto in den Abend. Auch das wird. Der Obdachlosenlook von heute ist der Hipster-Trend von morgen!