Jakobsweg Tag 86: Halb erfroren, bisschen verbrannt und in guter Gesellschaft

Irgendwo mitten im Wald – Aumont-Aubrac (ca. 30 Kilometer)

Die Nacht war arschkalt. Ich meine wirklich arschkalt. Mit meinem Winterschlafsack kein Problem, aber der Sommerschlafsack war nicht wirklich eine Hilfe. Obwohl ich sämtliches Gewand anhatte, das ich mitschleppe, habe ich die ganze Nacht kein Auge zugebracht, weil ich durchgehend gezittert habe. Warum schicke ich Vollidiot auch den Winterschlafsack jetzt schon zurück, wenn ich weiß, dass ich auf über 1300 Meter Seehöhe herumgurke. Und noch blöder: Warum schlafe ich draussen, wenn ich weiß, dass mein Schlafsack das nicht packt? Also das war mir definitiv eine Lehre. Sowas wird mir nie wieder passieren. Für mich die mit Abstand schlimmste Nacht bis jetzt am Jakobsweg.

Sobald das erste Tageslicht anbricht, baue ich das Zelt ab und packe meine Sachen. Bewegung wird mich aufwärmen. Ich verabschiede mich von Martin und lasse ihn noch weiterschlafen. Ich muss auch sagen, es ist wirklich kalt. Trotz bergauf Strecken und einigem Geschwitze am Rücken, sind meine Finger mittlerweile komplett taub. Den Buff, ich liebe ihn heiß, baue ich zur Haube um, damit mir wenigstens am Kopf warm bleibt. Meine Wintersachen habe ich leider schon alle zurück geschickt. Wer rechnet auch damit, dass man Ende Juni in Südfrankreich Haube, Handschuhe und Daunenjacke braucht.

Endlich geht es bergab. Ich hoffe, dass es weiter unten etwas wärmer wird, und werde nicht enttäuscht. Auf 1000 Meter Seehöhe lässt der eisige Wind nach und ich kann auf kurze Hose wechseln. Den ganzen Tag habe ich keinen einzigen anderen Pilger gesehen, aber exakt während den 30 Sekunden in denen ich nur mit Unterhose mitten am Weg stehe, kommen gleich 3 Gruppen ums Eck. Naja, das Schamgefühl lässt mit zurückgelegter Strecke immer mehr nach und ist mittlerweile ohne hin nahe null.

Ohne Schlaf wandert es sich schwer. Mein Körper hat sich kaum regeneriert und ich brauche wirklich massiv viele Pausen. Der tschechische Martin überholt mich irgendwann. Er hat sich eine junge Französin angelacht, die mit ihm unterwegs ist. Wahnsinn wo der immer die Pilgerinnen herbekommt. Soviele junge Damen sehe ich ja nichtmal am Jakobsweg 😀

Bei einer meiner Pausen kommt dann auch der deutsche Martin, auf den ich gehofft habe heute wieder zu treffen. Wir gehen wieder gemeinsam weiter und dankenswerter Weise nimmt er auf mein Tempo und meinen Pausenbedarf Rücksicht.

Mit der Zeit wird es in der Sonne richtig heiß, aber ich will unbedingt so viel Wärme als möglich abbekommen. Die Kälte der Nacht steckt mir noch immer in den Knochen. So kommt es wie es kommen muss, ich habe am ganzen Gesicht einen Sonnenbrand 😀 Dürfte allerdings nicht so schlimm sein, da ich ja ohnehin mittlerweile knackig braun bin 🙂

Die Orte hier sind voll mit Unterkünften und so machen wir uns eine Reihenfolge aus, in der wir die Herbergen abklappern. Beginnend mit der Schönsten. Und wir haben Glück. Die Pilgerzimmer sind mit jeweils nur 4 Betten klein (was gut ist, im Gegensatz zu den Massenherbergen mit 40 oder mehr Betten im selben Raum) und kostet nur 12 Euro.

Wen treffen wir dort? Den tschechischen Martin und sein französisches Anhängsel. Er kocht gerade und wir können uns ein paar Nudeln schnorren. Danach plaudern wir 4 noch ein bisschen, ehe ich mich verabschieden muss, denn ich bin wirklich hundemüde. Also verabschiede ich mich auch von euch. Gute Nacht 🙂

Ich fühle mich beobachtet!