Jakobswegurlaub Tag 3: PCT Feeling in Tirol

Jenbach – Wörgl

Das Bett war super, aber lange schlafen konnte ich nicht. Ich habe die Zimmersituation erheblich unterschätzt und hätte niemals damit gerechnet zu dieser Jahreszeit keine freien Zimmer zu bekommen. Bis spät in die Nacht recherchiere ich alle Ziele und bin schockiert. Auch an meinen künftigen Zieldestinationen ist vieles bereits ausgebucht. Nichtsdestotrotz gelingt es mir ein paar gute Deals zu ergattern. Meine Erkenntnis aus dieser Situation: Willst du reich werden, eröffne ein Hotel in Tirol.

Am Morgen gehe ich widerwillig zum Frühstücksbuffet. Da ich ja eigentlich nie frühstücke, habe ich natürlich auch keinen Hunger. Im Angesicht der, mangels Nächtigungsmöglichkeiten, heutigen Monsteretappe (ich muss zusätzlich etwa 6 Kilometer der gesteigen Etappe abdecken plus 10 Kilometer der morgigen, macht in Summe 34 Kilometer) zwinge ich ein paar Bissen runter. Zu meiner großen Überraschung regnet es nicht, also darf ich heute ohne Regenjacke starten.

Meine Motivation ist im Keller. Die Bladen tun weh, mein linkes Knie schmerzt und eigentlich tut mir überhaupt alles weh. Die Etappe ist in der ersten Hälfte reichlich unspektakulär. Der Weg verläuft hauptsächlich parallel zum Inn. Wenigstens angenehm zu gehen. Denn mit jedem Kilometer merke ich, wie meine Erschöpfung zunimmt.

Ein Highlicht ist Rattenberg. Die gesamte Stadt steht unter Denkmalschutz und ist wirklich bezaubernd. Eigentlich würde ich hier gerne mehr Zeit verbringen. Aber Zeit habe ich heute leider nicht. Als ich die Stadt verlasse, habe ich ein kleines „Nadine und Patricia“ Flashback. An diese Strecke mit den beiden Mädels kann ich mich noch gut erinnern.

Es wird wilder. Der einfache Weg geht plötzlich zu einem steil-glitschigen Waldpfad über. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl ich bin falsch abgebogen. Das sieht nicht richtig aus. Nichts sieht hier richtig aus.

Das war mal eine Brücke. Aber wie man am Foto sieht, scheint wenigstens die Sonne. Ich komme irgendwo mitten auf einer Weide raus und suche verzweifelt den Weg. Werde aber schnell fündig. Als ich einen naheliegenden Hof passiere, habe ich plötzlich wiederkäuende Freunde, die mich verfolgen.

Kurz darauf kommen mir tatsächlich 2 Pilger entgegen. Sie kommen aus Oberösterreich und gehen wochenweise den gesamten österreichischen Jakobsweg. Dass ich tatsächlich Pilger treffe, lässt mein Herz erleuchten. Nach einem kurzen Plausch verabschieden wir uns und nach nur wenigen Meter komme ich an einem Pilgerstein vorbei.

Mehr als 2200 Kilometer nach Santiago. Und ich bin das alles gegangen. Wahnsinn. Wenn ich denke wie lange sich die wenigen Tage, hier am tiroler Jakobsweg, schon anfühlen, ich kann meine ganzen Erlebnisse während meiner Pilgerreise in meinem „Alltagshirnzustand“ gar nicht fassen. In Gedanken beginne ich zu schwärmen.

Bis Breitebach am Inn bin ich dem Jakobsweg gefolgt. Da ich aber jetzt schon am Zahnfleisch gehe, entscheide ich mich eine kleine Abkürzung zu nehmen. Das spart mir einige Kilometer Distanz und etliche Höhenmeter. Im Ausgleich ist der Weg dafür etwas eintönig.

Mit jedem Kilometer schmerzt mein Körper mehr. Ich bin definitiv schon längst über meinem Limit. Fast jeden Kilometer benötige ich eine immer länger andauerende Pause. Auch meine Konzentration lässt nach. Ich bin gar nicht mehr im Hier und Jetzt. Und dann endlich. Mein Ziel taucht am Ende der Straße auf.

Schnell ins Zimmer und Füße hochlegen. Es dauert nicht lange, da zittere ich am ganzen Körper. Und zwar so stark, dass meine Zähne klappern. Dieses Gefühl hatte ich bereits einmal. Bei meinem ersten Versuch den PCT zu begehen. Gleich am ersten Tag habe ich mich komplett verausgabt und hätte sämtliche Erschöpfungserscheinungen. Also liege ich in voller Montur, inklusive Jacke, im Bett. Nach knapp 3 Stunden und ein paar energiegeladenen Getränken und Speisen, gehts zum Glück wieder.

Gottseidank ist die morgige Etappe erheblich kürzer. Ich werde es ruhig angehen lassen, viele Pausen machen und versuchen den Tag zu genießen. Sofern es auch morgen nicht regnet, gibt es möglicherweise auch endlich trockene Bankerl 😉