Te Araroa Trail 11: Der Timber Trail

Tag 32: Hamilton – Te Kuiti – Timber Trail Eingang

Gestern habe ich noch ein Busticket nach Te Kuiti geholt. Dort schließt der Trail, kommend vom Mount Pirongia, welchen ich ja überspringen möchte, wieder an. Busfahren finde ich ziemlich blöd, deshalb bin ich froh, dass wir nur etwa eine Stunde unterwegs sind. Eine Stunde busfahren oder 3-4 Tage wandern… immer wieder faszinierend 😀 Wobei man dazu sagen muss, dass der Trail ja eine große Kurve macht, um den Berg mitzunehmen. Gegen 11 bin ich in Te Kuiti und habe ungefähr 20 Kilometer vor mir, bis zu dem Platz, wo ich campen möchte. Allerdings 20 Straßenkilometer… wieder mal am Highway.

Weit bin ich noch nicht gekommen, da bleibt ein Auto neben mir stehen und ich werde gefragt ob ich mitfahren möchte. Da sagt man nicht nein! Ein Farmer der Gegend weiß genau wo er mich rausschmeißen muss, er nimmt öfters Hiker mit. Man dankt. Nachdem er mich abgesetzt hat und ich noch ein Stück gegangen bin, befinde ich mich bereits um 12:30 dort, wo ich eigentlich zelten wollte. Ist schon ein bisschen sehr früh um für heute schon schluß zu machen. Naja, dann gehe ich halt noch eine Weile.

Bis zum Timber Trail ist es hauptsächlich Schotterstraße, also schnelles Vorankommen. Folglich schaue ich in der Guthook Trail App auf eine längere Distanz, ob jemand einen Kommentar hinterlassen hat wo es sich gut campen lässt. Da sehe ich, dass es direkt am Eingang zum Timber Trail einen Campingplatz gibt. Das wären aber 34 Kilometer und ich habe sicher schon 6 Kilometer am Tacho. Mal ganz abgesehen davon, dass es ja bereits halb 1 ist. Hmmm… challenge accepted!

Mit Hörbuch und regelmäßigen Pausen geht es gut voran. Nach und nach wird mir aber klar, dass ich es nicht bei Tageslicht schaffen werde. Mit zunehmendem Grad der Erschöpfung steigt auch der Durst und schnell ist der Wasservorrat zu Ende. An Flüssen und Pfützen mangelt es nicht, allerdings will ich trotz Wasserfilter nicht zwingend meinem Vorrat direkt neben Farmland auffüllen. Ich entschließe durchzubeißen und mit erhöhtem Tempo voranzuschreiten.

Als ich wieder Asphalt sehe, tut sich ein Gefühl der Erleichterung auf. Die Straße markiert nämlich den letzten Abschnitt der Strecke. Mittlerweile ist es unausweichlich, dass es stockdunkel sein wird, wenn ich ankomme. Es sei denn…. Ein Auto bremst sich neben mir ein. Mitten in einer unübersichtlichen Kurve bleibt ein Niederländer stehen, der mich 4 Kilometer bis zu einer Kreuzung mitnimmt. Das mag sich nicht viel anhören, spart mir aber fast eine Stunde und somit kann ich es doch noch mit den letzten  Sonnenstrahlen zum Camp schaffen!

Und tatsächlich, da ist es! Bevor es finster ist, steht mein Zelt. Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Zwar muss ich im dunklen essen, habe aber Gesellschaft von Tom und Ed, die ich lustigerweise schon auf Instagram gesehen habe 😀

Rechtzeitig, bevor es wieder zu regnen beginnt, habe ich alles erledigt und liege in meinem mobilen Heim. Ein erfolgreicher Tag!

 

Tag 33: Timber Trail Eingang – Harrisons Creek

Ich bin komplett hinüber. Der dringend benötigte Schlaf wurde von einem Auto unterbrochen, das ständig auf und ab gefahren ist. Es hat die ganze Nacht durchgehend geregnet und ich versuche mein Zeug so zu packen, damit es nicht komplett nass wird auf dem feuchten Boden. Vielmehr habe ich aber Angst vor einer neuerlichen Schlammschlacht am Trail.

Meine Angst bleibt unbegründet. Der Weg ist für Radfahrer präperiert und wirklich ausgesprochen gut zu begehen. So macht wandern Spaß! An dieser Stelle ist der Hintergrund des Timber Trails erwähnenswert. Wie der Name schon sagt wurde hier Holzschlag betrieben. Der Weg selbst verläuft zu großen Teilen auf ehemaligen Tramwaystrecken, die für den Holztransport genutzt wurden.

Erstes Highlight des Trails ist ein alter Caterpillar, der nach einer Fehlfunktion im Wald zurückgelassen wurde und nach seiner Entdeckung im Zuge der Schaffung des Trails zur Attraktion wurde.

Es folgt ein stetiger, aber flacher, Anstieg, der meinem von gestern noch ausgelaugten Körper den Rest gibt. Der Wald ist an dieser Stelle wirklich schön und wirkt urig und unberührt. Vermutlich wurden auch deshalb genau hier die Waldszenen für Herr der Ringe und den Hobbit gedreht.

Ich fange mich absolut nicht und jeder Kilometer ist eine Qual. Auch wenn der Weg wirklich toll ist und es gerade mit den vielen Infoschildern über die umgebende Natur und den geschichtlichen Hintergründen der Rodung in diesem Wald wirklich viel Spaß macht. Die vielen Hängebrücken bringen zudem einen abenteuerlichen Touch in die Sache.

Den von mir ursprünglich angepeilten Campingplatz werde ich nicht erreichen, dafür fühle ich mich zu erschöpft. Also halte ich Ausschau nach einer guten Stelle für mein Zelt. Und tatsächlich finde ich die perfekte Nächtigungsmöglichkeit! Eine große Wiese mit einem Klo, Baumstämmen zum Hinsetzen und direkten Zugang zu einem Fluss. Besser gehts ja eigentlich nicht 🙂

Heute hat es nur leicht genieselt, wodurch es nicht übermäßig nass ist und ich es mir so richtig gemütlich machen kann. Nach einem ausgiebigen Nachtmahl hüpfe ich bereits um 19 Uhr in die Heia. Das ist außerdem das erste Mal überhaupt, dass ich ganz alleine zelte!

 

Tag 34: Harrisons Creek – Camp No. 10

Wer früh schlafen geht, kann halt auch früh aufstehen 🙂 Ursprünglich wollte ich nur drei Tage für den Trail brauchen, habe es mir jetzt aber für 4 Tage eingeteilt, da ich ja gestern nicht so weit wie angedacht gekommen bin. Macht aber alles nichts, denn Verpflegung habe ich mehr als genug mit.

Erste Station am Weg ist das „Old Stump House“. Eine Unterkunft, die in einen Stumpf einer früher in dieser Region häufig vorkommenden Riesenbaumart gebaut wurde. Leider wurden diese großen Bäume ausnahmslos gefällt und sind jetzt aus dem Wald verschwunden.

Old Stump House

Weiter gehts zum Campingplatz, wo ich eigentlich gestern übernachten wollte. Dabei komme ich an einem riesigen Hotel vorbei. Quasi mitten im Nichts. Natürlich ist mir das vorher schon auf der Karte aufgefallen, hielt es aber eher für so eine Art kleine Hütte, wo halt ein paar Leute übernachten können 😀

Am Campingplatz gibt es zum Glück eine überdachte Kochstelle. Es regnet nämlich schon den ganzen Tag und ich wollte gerne eine längere Pause machen mit einem warmen Mittagessen. Tom und Ed gesellen sich zu mir. Sie haben in einer Hütte, ein paar Kilometer vor meinem Schlafplatz, übernachtet. Sie wollen heute aber noch sehr weit, insgesamt über 40 Kilometer. Beachtlich. Die beiden gehen bald wieder weiter, ich hingegen habe ja keinen Stress, denn meine Etappe ist schon bald zu Ende. Der Mystery Creek ist mein Ziel. Ein ähnlicher Spot wie der, wo ich die vorherige Nacht verbracht habe.

Das Gelände wird zunehmend offener, was mir die Ausmaße der jahrzentelangen Rodung vor Augen führt. Wenn man bedenkt, dass eigentlich die ganze Nordinsel ein einziger großer Urwald war, dann ist das schon irgendwie erschreckend.

Ich erreiche den Mystery Creek, aber es ist erst 17 Uhr und vor kurzem hat es sogar aufgehört zu regnen. Lange überlege ich hin und her, ob ich nun weiter gehen soll oder nicht. Es soll in 5 Kilometer Entfernung wieder eine gute Zeltmöglichkeit geben. Gut, die mache ich noch, dann habe ich morgen dafür einen sehr kurzen Tag.

Zügigen Schrittes erreiche ich das sogenannte Camp No. 11. Ein früheres Arbeitercamp, von dem allerdings bis auf ein paar herumliegende Schienen nichts mehr übrig ist. Nur… naja… hier kann man nirgends ein Zelt aufstellen! Mist. Ohne lange zu überlegen gehe ich sofort weiter. Das nächste ehemalige Camp ist 6 Kilometer entfernt. Und wenn ich mich spute, dann schaffe ich es noch bei Tageslicht.

Mit letzter Kraft erreiche ich Camp No. 10. Dort haben auch schon Tom und Ed ihr Lager aufgeschlagen. Ich tue es ihnen gleich und ziehe mir die größte Portion an Essen rein, die ich mir jemals genehmigt habe. Ein halbes Kilo Butter Chicken. Weils schon spät ist, wird nicht mehr viel gequatscht. Außerdem ist die Luft unglaublich feucht, wodurch es sich wesentlich kälter anfühlt als es eigentlich ist. Wir verkrümeln uns in unsere Schlafsäcke und zumindest ich für meinen Teil schlafe wie ein Baby.

 

Tag 35: Camp No. 10 – Taumarunui

In der Nacht hat sich so immens viel Kondenswasser gebildet, dass es mir in der Früh permanent ins Gesicht tropft 😀 Normalerweise habe ich mein Zelt ganz unten im Rucksack. Mich hat es aber schon öfter gestört den Rucksack nicht im Zelt schon fertig packen zu können, also überlege ich mir, wie ich umpacken kann um das Zelt ganz oben zu haben. Hört sich einfacher an als gesagt, denn man möchte ja die Sachen möglichst weit oben haben, die man im Laufe des Tages öfters braucht. Futterbeutel zum Beispiel. Ich bin ziemlich verwundert als es mir auf anhieb gelingt alles so umzupacken, dass das Zelt nicht nur als letztes reingeht, sondern auch noch alles viel besser Platz hat als vorher. Finde ich gut!

Tom und Ed ziehen ab wie Raketen. Ich gehe es mal gemächlich an, weil ich die letzten Kilometer am Timber Trail nochmal richtig genießen möchte. Theoretisch würde sogar die Sonne scheinen, aber weil ja alles nass ist, gehe ich in einer riesigen Dampfsuppe. Was sich aber keinesfalls negativ auf die Atmosphäre des Waldes auswirkt!

Ich stehe vor einem kleinen Dilemma. Es gibt einen Campingplatz, nur wenige Kilometer voraus. Danach geht es aus dem Wald heraus und man folgt einer Straße nach Taumarunui. Da man entlang der Straße nicht zelten kann/darf, kann ich mir aussuchen ob ich eine extrem kurze oder eine extrem lange Etappe machen möchte. Ich lasse es mal auf mich zukommen.

Am Campingplatz treffe ich ein letztes Mal auf Tom und Ed. Die beiden Neuseeländer sind nicht sehr gesprächig. Vielleicht können sie mich auch nur einfach nicht leiden 😀 Sie wollen auf jeden Fall heute bis nach Taumarunui kommen. 2 Tage hintereinander über 40 Kilometer. Die sind doch verrückt 😀 Während sich die beiden wieder auf den Weg machen, hänge ich mein Zelt in die Sonne zum trocknen. Mit dem Waldende bin ich auch dem Nebel entflohen und gehe im besten Wetter, das ich seit meiner Ankunft in Neuseeland hatte. Den Sonnenhut finde ich übrigens doof, mir ist der Buff einfach lieber.

Gut, ich gehe mal weiter, zur Not kann ich auf den Statehighway ausweichen und von dort dann in die Stadt hitchhiken. Nach unzähligen Pausen komme ich an besagter Passage an. Es ist 17:30 Uhr und ich habe noch 13-14 Kilometer vor mir. Wenn ich weitergehe, dann ist es fix dunkel wenn ich ankomme. Andererseits… ach scheiß drauf… komm, zieh das jetzt durch… du schaffst das! Also kein hitchhiken.

Ein klein wenig bereue ich die Entscheidung. Mir tut echt alles weh und kurz vor Taumarunui macht das Gehen einfach keinen Spaß mehr. 2 Kilometer vor meinem Ziel bin ich am Ende meiner Kräfte… aber… was sehe ich da? Ein Greißler hat noch geöffnet, nach 20 Uhr. Ich schütte einen halben Liter Red Bull in mich hinein. Das lindert zwar die Schmerzen nicht, aber ich habe das Gefühl jetzt einfach gehen zu MÜSSEN!

Geschafft! Ich habe es tatsächlich geschafft! 43 Kilometer. In den letzten 4 Tagen insgesamt 142 Kilometer. Beides neue Rekorde für mich. Ich quartiere mich gleich mal für 3 Nächte in einem Motel ein. Einen Ruhetag brauche ich auf jeden Fall und einen Tag um die Kayakfahrt auf dem Whanganui River zu organisieren. Diesen mehrtägigen Trip darf man nur als Gruppe antreten und dazu muss ich mir mal Leute suchen, die mich mitnehmen 🙂

Und was ist das Erste, das ich mache nachdem ich angekommen bin? Duschen? Hinlegen? Zumindest Schuhe ausziehen? Natürlich nicht. Zuerst gehts mal zum Mäci 😀 Das liebe ich an Neuseeland. In jedem noch so kleinen Kaff gibt es mindestens einen Fast Food Tempel 😉

Als ich dann endlich im Bett liege, ist an Schlaf nicht zu denken. Meine Füße schmerzen zu sehr. Ich muss mir eingestehen, dass ich es komplett übertrieben habe. Naja… morgen kann ich ja eh ausschlafen 🙂

 

Tag 36: Taumarunui

Gleich nach dem Aufwachen muss ich dringend aufs Klo. Problem an der Sache: Ich kann nicht auf die Füße aufsteeigen. Wenn man mich so sieht, wie ich mir an der Wand entlang arbeitend einen Weg zum Klo bahne, könnte man meinen ich sei 90 Jahre alt, habe die Gicht, kaputte Knie, eine nicht funktionierende Hüfte und einen chronischen Hexenschuss 😀

Genauso bewege ich mich auch durch die Stadt. Ich brauche nämlich schon wieder neue Socken. Noch bevor ich das Paar, welches ich in Auckland gekauft habe, überhaupt einmal waschen konnte, sind schon Löcher drin. Außerdem erkundige ich mich beim Infozentrum nach den Möglichkeiten um auf dem Whanganui River zu kayaken. Eine Gruppe hat sich für Freitag angemeldet, aber wenn ich da mitwill, müsste ich auf den Tongariro Trail verzichten, welcher unter anderem am Mount Ngauruhoe vorbeiführt. Dem Schicksalsberg aus Herr der Ringe. Das kann ich mir natürlich auf keinen Fall entgehen lassen.

Beim Mäci (ja, schon wieder 😀 ) treffe ich auf drei andere Hiker, von denen ich mir die Kontaktdaten hole und mich über ihre Pläne zum Whanganui River erkundige. Sie kayaken zwar einen kürzeren Abschnitt als ich gerne machen würde (einen Teil kann man auch gehen), aber sie sind ziemlich gemütlich mit 25 Kilometer Tagesetappen unterwegs. Würde mir sicher nicht schaden mal einen Gang zurück zu schalten, nachdem ich es jetzt ja ziemlich übertrieben habe.

Der Motelbesitzer hat in der Zwischenzeit netterweise meine Wäsche gewaschen und ich kann mich wieder voll und ganz aufs Chillen konzentrieren 😀

Morgen muss ich mich dann entscheiden welcher Gruppe ich mich anschließen möchte. Bart und Niels müssten auch in der Stadt sein, konnte die beiden aber noch nicht erreichen um da mal Rücksprache zu halten. Werde es vermutlich wie immer kurzfristig und aus dem Bauch heraus entscheiden 🙂

 

Übrigens:

1) Ich habe die Kosten für Ausrüstungsersatz offenbar komplett unterschätzt. Neben den Socken geht mir nach und nach auch anderes Zeug ein. Unter anderem wetzt sich die Innenverkleidung des Rucksacks durch. Was ich massiv uncool finde, weil der Rucksack ansich super ist, nur wenn ich ihn alle 1000 Kilometer ersetzen muss, hat das absolut keinen Sinn. Habe versucht die Stellen zu reparieren, aber egal was ich versuche, nichts hält. Vielleicht schauts auch nur schlimmer aus als es ist. Ich verwende dieses sündhaft teure Teil auf jeden Fall so lange, bis es auseinander fällt 😀

2) Apropos 1000 Kilometer. Die 1000 Kilometer Marke ist gefallen. Sprich ein Drittel des Trails ist geschafft. Das gilt für mich aber nicht in vollem Umfang. Immerhin habe ich insgesamt geschätzt 150 Kilometer übersprungen. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass mir der Trail weniger Spaß macht als erwartet. Die meiste Zeit hat das nämlich nichts mit wandern zu tun. Entweder man geht durch unglaublich schwieriges Gelände oder auf irgendwelchen Straßen. Somit war der einfach zu begehende Timber Trail wirklich eine äußerst positive Überraschung. Aber angeblich habe ich jetzt bis auf einen Abschnitt das Schwierigste überstande. Na ich lasse mich mal überraschen 😀

3) Auf dem Timber Trail hat man keinen Handyempfang. Bis auf ein paar Stellen. Und die sind sogar mit Schildern ausgewiesen. Sowas hab ich auch noch nicht gesehen 😀