Te Araroa Trail 13: Im Lande Mordors

Tag 38: Taumarunui – 42 Traverse

Oh Gott. 5:45 Uhr. Eine wirklich unchristliche Zeit um aufzustehen. Aber ich habe mitgedacht und alles was ging schon am Vortag gepackt. Trotzdem gehe ich nochmal meine unzähligen Futtersäckchen durch, die ich heute abgeben muss. Unsere Vorräte werden dann dorthin gebracht, wo wir in ein paar Tagen in die Kanus steigen müssen.

Um Punkt 7 bin ich am Treffpunkt und keine Sekunde später kommt auch schon der Van mit dem Rest meiner Gruppe. Ich glaube die 3 habe ich noch nicht vorgestellt. Elad aus Israel, Elko aus den Niederlanden und Jason aus Australien. Zusätzlich wird auch noch das schweizer Paar Martin und Monika, welche ich schon länger kenne, mit uns am Whanganui River unterwegs sein. Der Kanuverleih ist nur wenige Kilometer außerhalb Tamarunui und wir werden sofort nach der Ankunft eingeschult. Im Prinzip: Hindernissen ausweichen und in Stromschnellen mit viel Geschwindigkeit durchfahren. In einem Video sehen wir die schwierigsten Stellen des Whanganui Rivers. Wobei schwierig nicht gefährlich heißt. Der Fluß ist relativ ruhig und selbst wenn man kentert (was laut Info des Verleihs ziemlich sicher mindestens einmal passieren wird) ist nichts passiert, denn die ganze Ausrüstung wird wasserdicht in Fässern an das Kanu gezurrt. Was übrigens gleich unsere nächste Aufgabe ist: Unsere Lebensmittel in besagten Fässern verstauen.

Nachdem wir instruiert sind, sowie Ort und Zeit der Kanuübergabe vereinbart ist (in 6 Tagen), gehen wir auch schon los. Nächstes Ziel ist das Tongariro Crossing. Dem zweithöchsten Punkt des Te Araroa Trails. Zuerst steht uns aber ein Tag Roadwalk bevor. Allerdings auf äußerst ruhigen Straßen. Zudem ist heute ein wirklich angenehmer Tag. Es ist sonnig, aber nicht heiß und ausnahmsweise schauts mal nicht nach Regen aus. Viel mehr kann man zu diesem unspektakulären Tag nicht sagen. Die Gruppe zerläuft sich auf die Distanz, trifft sich aber bei einem inofiziellen Campingplatz wieder. Inofiziell deshalb, weil hier nirgends ein Campingplatz ausgewiesen ist, die große und ebene Grünfläche vom DOC aber gut gepflegt wird.

Kurz vor dem Campingplatz ist ein Mini-Ort, der aus 5 Häusern besteht, wo es aber ein Café geben soll. Den ganzen Tag freue ich mich schon drauf, aber als ich ankomme… geschlossen. Das macht mich traurig 🙁

Es ist auf jeden Fall angenehm einen kurzen, angenehmen und sonnigen Wandertag gehabt zu haben. Eine absolute Rarität am Trail 😀 Auch wenn es leider keine schöne Landschaft zu bewundern gab.

Abends hatten wir eine kleine Tratschrunde, aber ich werde mit den dreien nicht so richtig warm und werde vermutlich alleine bis zu unserem Treffpunkt unterwegs sein.

 

Tag 39: 42 Traverse – Tangariro Base Camp

Oha. Als ich aufwache ist alles nass. Nicht weil es geregnet hat, sondern es hat sich massiv viel Kondenswasser gebildet. So viel hatte ich noch nie. Mein Schlafsack fühlt sich an wie frisch aus der Waschmaschine. Wenigsten bin ich mittlerweile Profi darin meinen Rucksack noch im Zelt zu packen.

Mit 36 Kilometern wird es heute wieder eine längere Etappe, aber die ersten 22 Kilometer verlaufen auf der 42 Traverse, vor deren Eingang wir übernachtet haben. Da sind zwar einige Höhenmeter inklusive, ist aber ein mehr oder weniger halbwegs präperierter Weg für Quads und Fahrräder und somit auch gut zu begehen.

Auf dieser Strecke gibt es mehrere Rivercrossings, welche nach regen richtig hart sein können, da die Flüße bei Starkregen bis zu einem halben Meter pro Stunde anschwellen und somit unpassierbar werden. Aber ausnahmsweise habe ich mal Glück mit dem Wetter und auch heute regnet es nicht, wodurch ich nicht mal bis zu den Knien im Wasser stand.

Zuerst habe ich noch überlegt meine Schuhe auszuziehen, habe sie aber angelassen, da einer der Flüsse ordentlich Zug drauf hatte und ich auf keinen Fall ausrutschen wollte. Aber meine Schuhe sollen ohnehin nicht trocken bleiben… denn der Trail zweigt nach besagten 22 Kilometern in einen Offroadtrack ab. Hach was soll ich sagen… der Wanderer hats nicht leicht. Der Offroadtrack ist komplett zugewuchert und eine einzige 10 Kilometer lange Schlammpfütze. Wobei der Schlamm selber jetzt gar nicht mal das Störende ist, immerhin sind die Schuhe ohnehin schon nass, aber dieses Gestrüpp raubt mir den letzten Nerv. Fazit nach 3 1/2 Stunden Tortur: Zerrissenens Leiberl und unzählige Schnittwunden an den Beinen.

Als ich endlich wieder an der Straße stehe, kommen mir fast Freudentränen, so sehr bin ich erleichtert aus dem tiefsten neuseeländischen Busch raus zu sein. Die letzten paar Kilometer sind auf Asphalt. Also eigentlich nicht. Ich habe irgendwo eine Abzweigung verpasst, die mich auf einen Feldweg hätte führen sollen. Hab also nochmal 2 Kilometer extra draufgelegt, 36 reichen mir halt einfach nicht 😛 Dafür bekomme ich einen tollen Ausblick auf Mount Mgauruhoe, besser bekannt als der Schicksalsberg aus Herr der Ringe. Dort werde ich morgen vorbeigehen! Vorfreude kommt auf, schon seit Beginn meiner Reise will ich dort unbedingt hin!

Ich treffe beim Base Camp ein und nehme mir eine Kabine. Mein Plan ist nämlich nicht exakt dem Trail zu folgen, sondern mich mit einem Shuttleservice zum einen Ende des Tongariro Crossings bringen und vom anderen Ende wieder abholen zu lassen. Ohne dem wären es etwa 1400 Meter im Aufstieg Plus 900 Meter im Abstieg. Es gibt auf eine Distanz von 34 Kilometern keine Nächtigungsmöglichkeit und nochdazu soll es morgen regnen. Das tue ich mir nicht freiwillig an 😀 Also nehme ich wie gesagt eine Kabine für 2 Nächte, damit ich meinen Rucksack ausleeren kann, buche den Shuttleservice und hüpfe direkt in die Heia.

 

Tag 40: Tongariro Crossing

Wieder mal um 5:45 Uhr aufstehen 😀 Brrrrrr es ist arschkalt, was geht denn hier ab? Mit Haube und Handschuhe bin ich um 6:30 bereit für den Bus. Um 7 sind wir auch schon am Parkplatz des Crossings. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich dank des Shuttleservices meine Gehdistanz auf 19,4 Kilometer verkürzt habe und mir noch dazu 500 Höhenmeter erspare. Nachdem ich mich schon so lange auf den Tag freue, will ich ihn auch in seinem ganzen Umfang genießen. Genießen… na wenn ich mal gewusst hätte was da auf mich zukommt 😀

Der Aufstieg verläuft erst relativ gemütlich und trotz (oder gerade wegen) des einsetzenden Regens, kann man sofort verstehen warum dieses Areal als Drehort für Mordor (ebenfalls aus Herr der Ringe) gewählt wurde.

Der Pfad wird steiler und der Regen schlimmer. Plötzlich kommen mir immer mehr Menschen entgegen, wobei die Touristenmasse aber eigentlich in meine Richtung fließt. Schon bald stellt sich heraus, dass der obere Bereich des Crossings gesperrt wurde. Wind mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde gepaart mit den Regenfällen machen den Weg zu gefährlich. Ich erkundige mich ob diese Sperre offiziell ist. Nein, aber es herrschen dort oben gerade alpine Verhältnisse, deshalb wird jedem ohne Bergerfahrung abgeraten weiter zu gehen. Bergerfahrung habe ich in meiner einmonatigen Österreichpause ja reichlich gesammelt und mein Rucksack ist federleicht, weil ich ja alles in der Kabine am Basecamp gelassen habe. Und ich habe mich schon so lange darauf gefreut am Schicksalsberg vorbeizugehen, das lasse ich mir von nichts und niemandem verderben! Also rauf da.

Kurz darauf endet der Pfad und ich muss mir selbst einen Weg durch den steilen Schotterhang suchen. Weil der Hang aber nur 3 Meter breit ist, versuche ich mich so gut es geht in den Boden zu krallen um nicht von den Windböen vom Berg geschuppst zu werden. Die Sicht ist schon lange fast null. Theoretisch gibt es alle zwei Meter eine Stange im Schotter, die signalisiert, dass man noch am richtigen Weg ist. Zwei Meter sind zuviel für die aktuellen Sichtverhältnisse 😀

Geschafft! Ich stehe am Gipfel! Glaube ich zumindest, genausogut könnte es eine Ebene sein, ich sehe ja noch immer nichts 😀 Zumindest geht es jetzt genauso steil und pfadlos bergab wie es bergauf ging. Bald schon wird der Weg besser und nach mehreren Schneefeldern befinde ich mich wieder auf einem schön ausgebauten Track. Dort kommen mir dann auch nach und nach die TA Hiker entgegen, die den offiziellen Weg gehen.

Leider klart es die ganze Zeit über nicht auf und auch der Regen gibt nicht auf. Ein bisschen ärgert es mich schon, dass ich von dem, auf das ich mich so lange gefreut habe, absolut gar nichts gesehen habe. Aber immerhin war ich am Crossing fast alleine, weil beinahe alle Tagestouristen umgekehrt sind und von den hunderten Anderen, die mit mir gestartet sind, blieben nur eine Handvoll übrig.

Ich war übrigens der Erste, der das Crossing am heutigen Tag abgeschlossen hat! Leider gabs keine Medaille 🙁 Jedenfalls bin ich so früh fertig, dass mich ein Bus, der eigentlich gerade Leute abgesetzt hat, gleich zurück zum Basecamp mitnimmt.

Mir ist furchtbar kalt. Die Handschuhe habens auf Dauer nicht gebracht, da sie sich im Regen natürlich komplett angesaugt haben. Es ist generell alles nass. Im Rucksack steht das Wasser 😀 Zum Glück verfügt meine Kabine über einen äußerst starken Heizstrahler, den ich gleich auf Anschlag aufdrehe. Langsam fange ich an wieder ein Gefühl in Fingern und Zehen zu bekommen. Da merke ich ein seltsames Ziehen an meiner rechten kleinen Zehe. Der Zehennagel steht ab der Hälfte senkrecht nach oben 😀

Den restlichen Tag murmel ich nur im Bett herum um irgendwie wieder warm zu werden.

 

Tag 41: Tongariro Base Camp – National Park Village

Heute habe ich einen kurzen und einfachen Tag. 26 Kilometer auf einem State Highway um wieder tagesaktuell am Trail zu sein. Der Heizstrahler hat die Kabine auf ungefähr 52 Grad aufgeheizt, wodurch (fast) alles trocken wurde.

Ich packe zusammen und mache die Tür auf. Na toll. Es regnet noch immer. Solange ich noch halbwegs trocken bin, versuche ich per Anhalter zu fahren. Tatsächlich bleibt gleich das erste Auto stehen und nimmt mich 12 Kilometer mit. Na gut, 14 Kilometer werde ich ja hoffentlich doch schaffen. Es ist so unsagbar kalt, aber Handschuhe im Regen haben sich schon gestern nicht bewähert, also lasse ich es gleich bleiben.

Auf dem Weg nach National Park Village beschließe ich irgendwas zu ändern. Also ich muss irgendwas ändern. So wie es derzeit ist, macht mir der Trail und das Wandern einfach keinen Spaß mehr. Wenns an 6 von 7 Tagen regnet, vergeht mir die Lust daran. Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken einen Van mit Bett im Kofferraum zu mieten und damit durch Neuseeland zu cruisen. Dann passiert mir sowas nämlich nicht, dass es mir die Abschnitte, von denen alle so begeistert sind, verregnet. Wie z.B. den 90 Mile Beach oder eben jetzt das Tongariro Crossing. Das mit dem Crossing ärgert mich massiv. Ich habe mich so sehr drauf gefreut und dann absolut nichts gesehen. Vielleicht brauche ich aber einfach auch nur die richtige Gesellschaft. Irgendwie bereue ich es mich von Susann getrennt zu haben. Mit einem Wanderpartner ist alles nur halb so schlimm. Man hat dann jemanden, der genauso leidet. Und wie sagt man? Geteiltes Leid ist halbes Leid. Oder ich habe einfach nur gerade ein Tief, weils 5 Grad hat und der Regen einem das Gefühl gibt jeden Moment abzufrieren. Wie auch immer. Ganz fix habe ich mir vorgenommen jetzt jeden Tag im Schnitt 25 Kilometer zu machen. Vielleicht sogar ein bisschen weniger. Zwar habe ich das Gefühl, dass mich die langen Tage nicht sonderlich stören, aber ich habe Zeit genug und kanns mir deshalb erlaufen etwas langsamer voran zu kommen.

Apropos vorankommen. Ich erreiche National Park Village und rette mich gleich mal in den lokalen Shop um mich aufzuwärmen. Zwar habe ich noch mehr als genug Verpflegung mit, kaufe aber noch ein paar Snacks, Schokolade und Süßkram hauptsächlich für die bevorstehende Fahrt am Whanganui River. Falls mir die 5 Kilo Lebensmittel für 4-5 Tage am River nicht reichen 😀

Weils noch immer regnet und ich noch immer vor Kälte zittere, nehme ich mir ein Zimmer mit eigenem Bad in einer Lodge und stelle mich eine gute halbe Stunde unter die heiße Dusche.

Jetzt kommt wenigstens eine lustige Woche auf mich zu. Und am Whanganui River darfs auch ruhig regnen, denn dann bekommt der Fluß einen guten Zug und man wird quasi ohne viel paddeln dem Ziel entgegen geschoben 🙂

Übrigens werde ich bis Whanganui keinen Empfang mehr haben. Man liest sich also in ungefähr einer Woche 🙂 Machts gut meine Lieben <3