Tag 69: Wellington – Picton – Furneaux Lodge
Spoiler Alarm: Das mit dem Sparen wurd nix 😀
Nach so oft ausschlafen muss ich heute früh raus. Um 7 sollte ich schon des Weges zum Shuttlebus sein. Irgendwo am Bahnhof soll die Busstation sein. Wie ich nunmal bin, habe ich natürlich nichts notiert und stehe planlos zwischen den Gleisen. Zum Glück kreuzen da ein paar andere Hiker auf, die mir den Weg weisen.
Der Bus bringt uns zur Fähre, wo wir es uns gleich an der Bar gemütlich mache. Es regnet mal wieder, wodurch wir leider absolut nichts sehen können und uns lediglich am Anblick des kühlen Bieres erfreuen dürfen. Zwar gibt es ein Kino an Board, allerdings spielt es nur Weihnachtsfilme für Kinder. Dementsprechend relativ unspektakulär verläuft die Annäherung an die Südinsel, welche für uns nur als weiße Nebelwand zu erkennen ist.
Gleich nach der Landung der Fähre begeben wir uns zum Wassertaxi, welches uns zum Startpunkt des Queen Charlotte Tracks bringen soll. Mein Plan war eigentlich in Picton zu übernachten und morgen Früh dann irgendwie dorthin zu kommen. Habe mich um Vorhinein nicht erkundigt und wollte das wie so oft spontan angehen. Aber die Gruppe hat eine Reservierung für heute Nachmittag, also frage ich gleich, ob ich mich anschließen kann. Und tatsächlich ist noch ein Platz frei. Sogar mit 50% TA-Hiker-Rabatt!
Lange müssen wir nicht warten, es geht sofort los. Ich nutze die Zeit um nochmal umzupacken, denn schließlich habe ich ja nicht damit gerechnet heute noch weitergehen zu können. Die Aussicht hält sich ohnehin in Grenzen, denn es regnet noch immer.
Um 15 Uhr werden wir am Waldrand abgesetzt. Alle anderen Hiker (etwa 10) möchten nur bis zum ersten Campingplatz gehen. Mir sind die nichtmal 5 Kilometer zu wenig und außerdem habe ich keine Lust klatschnass so früh um Zelt zu liegen. Also trenne ich mich gleich zu Beginn des Tracks von der Gruppe und starte durch.
Der Track selbst ist im Verlhältnis zu allen anderen Tracks bisher wie eine Autobahn. Zwar gibt es auch einige Höhenmeter zu überwinden, aber man muss nirgends drüberkraxeln, keine Stellen zum Klettern, keine Stufen auf Brusthöhe… einfach ganz normales bergauf. Was ich am Jakobsweg noch verflucht hätte, löst mittlerweile Freudengefühle in mir aus. Das mit den Gefühlen und dem Te Araroa Trail ist ohnehin so eine Sache. Der Trail schafft es gekonnt alle beliebigen Gefühlskonstellationen zu kreiren. Heute ist es eine Mischung aus Zorn, Hoffnungslosigkeit und Frohsinn. Zorn, weil es mittlerweile so massiv schüttet, dass sich der Weg in einen einzigen Bach verwandelt hat. Hoffnungslosigkeit, weil sich der Boden über Nacht bestimmt ansaugt und es morgen rutschig sein wird wie sau. Und Frohsinn, weil mich ehrlich gesagt nach der Tararua Range vermutlich nichts mehr erschrecken kann und ich den Weg trotz der Wetterverhältnisse genieße. Jedenfalls habe ich mich entschieden ca. 15 Kilometer bis zur Furneaux Lodge zu machen, wo es auch Kabinen gibt.
Der Queen Charlotte Track soll angeblich herrliche Ausblicke bieten, leider habe ich absolut keine Sicht. Ein bisschen hat es mich an das Tongariro Crossing erinnert, denn wieder mal stehe ich vor einer Tafel, welche die Aussicht beschreibt, aber ich sehe nur weiß 😀 Fotos hätte ich ohnehin keine machen können, das Handy habe ich sicherheitshalber wasserdicht im Rucksack verstaut.
Bei der Lodge bekomme ich eine ganze Hütte für mich allein und schlüpfe gleich nach einer heißen Dusche in trockene Sachen. In der Lodge gibt es auch ein Restaurant und weil die Gegend hier (Marlborough Sounds) für ihre Muscheln berühmt ist, muss ich die natürlich probieren! Waren sehr lecker 🙂
Es ist arschkalt und weil die Hütte keine Heizung hat, krieche ich in voller Montur ins Bett.
Tag 70: Furneaux Lodge – Portage
Nachts bin ich öfters aufgewacht, weil der Regen unablässlich gegen das Dach gehämmert hat. Im Hüpfschritt (es steht alles unter Wasser) springe ich zur Lodge um mir ein ausgiebiges Frühstück reinzuziehen. Gestern sind mir nämlich Pancakes auf der Frühstückskarte aufgefallen und weil ich mir heute eine Monsteretappe zumuten möchte, um wieder ein Dach über dem Kopf zu haben, brauche ich natürlich ein paar Kalorien!
Als ich aufbreche hört es doch tatsächlich auf zu regnen. Heute bin ich extrem motiviert und marschiere flotten Schrittes vor mich hin. Bisschen ärgern muss ich mich trotzdem. Alle haben mir gesagt „Die Südinsel wird ganz anders!“ und was ist? Es geht wieder mal durch matschigen Wald. Wobei man dazu sagen muss, dass dieser Grad des Matsches auf der Nordinsel noch nicht mal als feuchter Boden durchgegangen wäre 😀
Bis auf eine kurze Pause bei einem shelter gehe ich alles durch. Zusammengefasst: 35 Kilometer und über 1000 Höhenmeter in 8 Stunden. Ich kanns also doch noch 😀
Auf der Südinsel mache ich auch Bekanntschaft mit einer mir unbekannten Vogelart. Dem Weka. Er sieht unglaublich niedlich aus, ist aber ein Gfrast sondergleichen. Quasi ein gefiedertes Possum. Der Weka versucht alles zu klauen, was nicht fest verzurrt ist 😀
Gerade als es zu regnen beginnt komme ich in Portage an. Dort treffe ich übrigens Hiker, welche einen Tag vor uns am Queen Charlotte Track begonnen haben. Ich bin also nicht nur die Spitze meiner Gruppe, sondern habe anscheinend auch einen Tag aufgeholt. Macht mich schon ein bisschen stolz 🙂
Nachdem ich ja wieder überdacht und in einem Bett schlafen kann, widme ich mich noch den Details meiner selbstgeplanten Route. Dabei muss ich feststellen, dass der Track, welcher mich vom Ende des Queen Charlotte Tracks nach Nelson bringen sollte, gesperrt ist! Nicht so schlimm, ich komme ohnehin an einem Highway vorbei, von dort lässt es sich bestimmt leicht nach Nelson hitchen.
Tag 71: Portage – John Smith Holiday Park
Der Tag beginnt mit einem durchgängigen Anstieg. Wegen des feuchten Wetters (in der Nacht hat es wieder geregnet) ist es stellenweise ganz schön rutschig. Der Matsch ist nicht nur nervig, sondern auch kräftezehrend. Aber die Anstrengung lohnt sich. Erstmals am Queen Charlotte Track komme ich in den Genuss der hochgelobten Ausblicke des Tracks. Zwar ist es immer noch bewölkt, aber man sieht was!
Jetzt gehts erstmal laaaaange bergab. Zum Glück weniger rutschig als bergauf und auch nicht so steil. Da treffe ich auf Ken. Einen Australier, der aufgrund Zeitmangels nur die Südinsel machen kann. Der Midfünfziger hat vor wenigen Jahren seine Berufung als Sanitäter gefunden und schwärmt von seinem Job. Er sagt es tut ihm fast ein bisschen leid, dass er so lange von seiner Arbeit weg ist 😀 Wir beschließen den restlichen Tag gemeinsam zu gehen. Auch wenn es für mich anstrengend ist, denn er ist minimal langsamer als ich und gerade beim bergab gehen belastet das die Gelenke zusätzlich. Trotzdem ist es sehr nett wieder mal mit jemandem gemeinsam zu wandern.
Mit vielen Pausen erreichen wir das Ende des Queen Charlotte Tracks. Es sind jetzt nur noch weniger Kilometer bis zum Holiday Park. Der Track hat uns beiden sehr gut gefallen. Es ist ein schöner Wanderweg, der trotz Höhenmeter relativ einfach ist. Die unzähligen Campingplätze bieten einen hohen Grad an Flexibilität und bei schönem Wetter sind die Ausblicke sicher noch bezaubernder.
Im Holiday Park angekommen, treffe ich auf ein paar bekannte Gesichter. Der amerikaner Rick und der deutsche Bernd (den ich in Levin, also vor den Tararuas kennengelernt habe) erwarten uns bereits. Bernd möchte auch den Abel Tasman Track machen und erzählt mir wie schwer es war dort Unterkünfte zu bekommen. Es gibt dort zwar auch viele (noch dazu wirklich riesige) Campingplätze, aber gerade zur Urlaubszeit ist alles ausgebucht. Na toll. Aber damit beschäftige ich mich in Nelson.
Rick hat die letzte Kabine bekommen und bietet uns, nachdem wir unsere Zelte aufgeschlagen haben, ein Dach über dem Kopf für unser Abendessen. Denn es regnet mal wieder zur Abwechslung.
Tag 72: John Smith Holiday Park – Havelock
Eine kurze Etappe steht an. Lediglich 14 ziemlich flache Kilometer. Ich bin wieder mal der letzte, treffe aber alle anderen an der nur wenig entfernten Tankstelle zum Frühstück. Nicht wenig erstaunt bin ich über die Frage der Wärterin: „Are you Phil from Austria?“. Ähhhhhhhhh jaaaaaaa….. warum? Rick hat eine Packung Muffins gekauft, konnte aber nicht alle essen, also hat er sie für mich hinterlegt 😀 Find ich ja mal voll lieb!
Ich komme mit Ryan (ebenfalls aus den USA) ins Gespräch. Wir verstehen uns ziemlich gut und haben in der Vergangenheit schon öfters geplaudert. Spontan machen wir uns aus, dass wir uns nächstes Jahr im Oktober in Kanada treffen und dann gemeinsam nach Thailand fliegen. Na ich bin ja mal gespannt ob das was wird 😀
Der Weg selbst ist relativ unspektakulär. Er verläuft zunächst entlang der Hauptverkehrsstraße und folgt dann einem kleinen und einfachen Track nach Havelock.
Unter Sonnenschein erreichen wir das kleine Dörfchen und nehmen erstmal das Mittagsangebot eines Restaurants an. Mit ein paar Bierchen zur Feier des Tages 🙂 Eigentlich wollte ich heute noch nach Nelson hitchen, aber wirklich alle anderen Hiker, die mit mir gerade am selben Streckenabschnitt sind, sind gerade in Havelock und bleiben am dortigen Campingplatz. Da muss ich mich natürlich dazugesellen!
Aufmerksam beobachte ich wie sich alle auf die Richmond Ranges vorbereiten. 11 – 12 Tage an Essensvorrat benötigt man, ehe man die nächste Möglichkeit zur Versorgung erreicht. Das bleibt mir zum Glück erspart, trotzdem möchte ich gerne dazulernen und schaue mir genau an wie sich die anderen Hiker ihre Tagesrationen packen und natürlich auch WAS sie packen. Futter für 12 Tage wollen gut geplant sein, denn es ist nicht nur eine Frage der Ernährung sondern auch eine Frage des Platzes! Bin mir nicht sicher ob ich 12 Tage Essensvorräte in meinen Rucksack bekommen würde!
Zum Abendessen müssen wir natürlich im landesweit bekannten Muschelrestaurant „The Mussel Pot“ einkehren. Davon habe ich schon sehr viel gehört.
Jetzt bin ich aber wirklich voll und falle gut gesättigt ins Bett… bzw. in den Schlafsack 🙂
Tag 73: Havelock – Nelson
Toby, der den TA letztes Jahr schon gemacht hat, warnt mich davor, dass es einige Zeit dauern kann bis man einen Hitch nach Nelson bekommt. Trotzdem lasse ich es sehr gemütlich angehen und warte erst mal paar Stunden bis sich die Luftfeuchtigkeit der Nacht verzogen hat und mein Zelt getrocknet ist. Wodurch ich wieder mal der letzte bin 😀
Mittlerweile habe ich ja schon einiges an Hitcherfahrung gesammelt und gehe erstmal aus der Stadt raus und suche mir am Highway einen gut einsichtigen Platz mit Haltemöglichkeit. Keine 10 Minuten später bleibt auch schon wer stehen. Das Vater-Sohn-Gespann fährt durch Nelson durch. Perfekt. Und ich kann euch gar nicht sagen wieviel Glück ich mit diesem Hitch habe! Die beiden sind sehr aktiv und kennen alle Tracks in der Umgebung auswendig. So zeigen sie mir etwa eine Alternative, wie ich (fast) ohne Roadwalk an die Westküste komme. Außerdem weisen sie mich darauf hin, dass es keine gute Idee ist ohne Reservierungsbestätigung auf den Great Walk Tracks zu campen, denn es wird täglich kontrolliert und ohne Reservierung zahlt man 500 Dollar Strafe. Oha!
Die beiden setzten mich direkt an der Touristeninformation ab und ich husche gleich rein um zu schauen wie das mit den Buchungen funktioniert. Es stellt sich heraus, dass ich für drei aufeinanderfolgende Tracks auf den Tag genau wissen muss in exakt welcher Hütte oder welchem Campingplatz ich übernachten möchte. Als zusätzliche Herausforderung sind wegen der Feiertage auch noch 85 Prozent aller Schlafmöglichkeiten ausgebucht. Na das kann ja was werden 😀
Weil das mit dem Sparen eh schon nicht funktioniert hat und Nelson die letzte größere Stadt bis Invercargill ist (welche das vorletze Etappenziel des gesamten Trails darstellt), quartiere ich mich für zwei Nächte in einem netten Hotel ein. Den Rest des Tages verbringe ich damit meine Route neu zu planen und versuche die Übernachtungen unter einen Hut zu bringen.
Tag 74: Nelson
Frohe Weihnachten! Es ist der 24.12. und selbst bei mir als Grinch tut sich ein ganz klein wenig Weihnachtsstimmung auf. Zuerst muss ich aber mal alle Unterkünfte buchen, die ich so geplant habe. Ich bin extra früh aufgestanden, dass ich gleich zur Touriinfo gehen kann.
Jaaaaaaaaaa das ist ja überhaupt nicht umständlich mit der Bucherei. Aber irgendwie habe ich es mit Shuttlebussen, Wassertaxis und viel Glück geschafft jeden Tag voran zu kommen. Zwischendurch muss ich natürlich kleine Umwege machen um meinen Futterbeutel aufzufüllen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie oft ich heute „Oh, das ist der letzte freie Platz“ gehört habe 😀 Das heißt um ein Haar wäre mein Sidetrip ins Wasser gefallen! Und bitte… die größte Verarsche sind ja die Unterkünfte auf der Old Ghost Road. Denn egal wie oft man wo schläft, man zahlt IMMER pauschal 140 Dollar. Eigentlich hätte ich nur eine Nacht in einer der offiziellen Hütten gebraucht… aber nicht mit mir, Feunde! Also habe ich mir 15 Kilometer Etappen eingeteilt und schlafe jetzt in 4 offiziellen Hütten. Wenns eh zum selben Preis ist…
Bisschen ärgerts mich schon, dass die Unterkünfte auf den Great Walks so unverschämt teuer sind. Am Abel Tasman Track kostet eine Nacht auf einem Zeltplatz 34 Dollar! Ich habe noch nie mehr als 18 Dollar auf irgendeinem Zeltplatz in Neuseeland gezahlt. Also mit sparen war da nix 😀
Weil ja Weihnachten ist, brauche ich auch noch ein Geschenk für mich. Ich entscheide mich mir den MSR Windburner zu schenken, der mir seit Wellington nicht mehr aus dem Kopf geht. Zwar schweineteuer, aber langfristig gesehen sicher eine sinnvolle Investition. Laut Herstellerangabe spare ich pro Liter kochendem Wasser 4 Gramm Gas unter Optimalbedingungen (und natürlich wesentlich mehr wenns windig ist, wo es mit meinem Kocher schon mal 10 Minuten dauert bis da ein halber Liter kocht… dieser hier… wieder laut Herstellerangabe…. braucht bei 50 km/h Windgeschwindigkeit unter 3 Minuten für einen halben Liter), was bedeutet, dass ich mir pro Woche fast eine ganze Gaskartusche sparen kann!
Wie auch immer 🙂 Weil ja eigentlich zeit zu feiern ist, unternehme ich einen Spaziergang am Strand, welcher aber leider heillos überfüllt ist und dementsprechend der Genussfaktor irgendwo im Mittelfeld liegt.
So, jetzt werde ich noch ein bisschen chillen, ehe mich morgen früh der Bus zum Abel Tasman Track bringt. Ich weiß leider nicht wie der Empfang in den nächsten Tagen sein wird. Im schlimmsten Fall lesen wir uns wieder wenn ich in Westport bin, was in ungefähr 14 Tagen sein wird.
Ich wünsche euch allen ein frohes Fest und erholsame Feiertage!