Tag 83: Seddonville – Specimen Point Hut
Das war gestern noch witzig… der Bus hat mich direkt zum Campingplatz gebracht und ich ging sofort zum Office. Dort prangte in riesigen Lettern: Cash only. Ohoh. Ich hatte noch exakt 10 Dollar an Bargeld und Seddonville ist nunmal das ultimative Nest. Aber: Der Zeltplatz machte exakt 10 Dollar aus 😀 Dort traf ich übrigens auch Sophia, welche die Old Ghost Road gerade beendet hatte und, wie sich herausstellen sollte, sogar ein Fan meines Instagram Accounts ist. Klein ist die Welt 🙂 Seddonville ist zwar ein Nest, aber es gibt ein Hotel mit Küche, also gingen wir dort hin um gemeinsam zu Abend zu essen. Danach flüchtete ich mich rasch ins Zelt um vor dem angehenden Regen in Sicherheit zu sein.
Heute starte ich, wie so oft, um 9 Uhr. Zwar regnet es nicht mehr, aber es ist ziemlich heiß und es dampft so richtig schön vom Boden rauf. Die Etappe ist sehr flach, durch die Luftfeuchtigkeit bin ich aber schon nach kurzer Zeit komplett durchgeschwitzt. Auf dem Weg zum offiziellen Trackstart bleibt das einzige Auto, das mir auf dieser Straße begegnet, stehen und bietet mir eine Mitfahrgelegenheit an. Weil der Tag mit etwa 20 Kilometern aber ohnehin sehr kurz wird, lehne ich dankend ab.
Ein paar verwirrend aufgestellte Wegweiser schicken mich in einen falschen Weg hinein. Dafür darf ich aber einem Hubschrauberstart beiwohnen. Nach kurzem hin und her habe ich den Eingang dann doch gefunden.
Der Wald selbst ist ok, aber nicht berauschend. Je weiter südlich ich komme, desto weniger dschungelartig sind sie Wälder. Es gibt aber viel Wasser überall. Viele Wasserfälle und Bäche. Nicht so toll sind die unzähligen Spinnweben. Alle paar Meter bin ich mit dem klebrigen Zeug eingedeckt. Erinnert mich ein bisschen an gewisse Abschnitte am Jakobsweg.
An Pausen ist leider nicht zu denken. Weil es so schwül ist, wäre ich gerne in einen der Flüsse gesprungen, aber die Myriarden an Sandflies verhindern jeden Stop. So marschiere ich schnellen Schrittes zur Hütte und bin so gegen eins auch der erste dort. Man muss dazu sagen, dass vermutlich alle anderen auch vom anderen Ende des Tracks starten. Für mich ist es einfacher in die „falsche“ Richtung zu gehen, da ich dann beim State Highway 6 rauskomme und mir dort einen Hitch nach Westport erhoffe.
In der Hütte reserviere ich mir gleich den besten Schlafplatz und nach und nach treffen auch andere Wanderer ein. Witzigerweise ausschließlich Wanderer. Eigentlich wurde der Track als Mountainbikestrecke angelegt.
Der Abend vergeht rasch mit viel Plauderei und einigen Lachern. Zum Beispiel ist jemand tatsächlich mit bereitliegender Ausrüstung auf Goldsuche gegangen. Leider erfolglos. Behauptet er zumindest. Die Old Ghost Road ist ein alter Pfad, welcher zu den Goldrauschzeiten Neuseelands die Minen miteinander verbunden hat. Nach einem schweren Erdbeben 1929 wurden aber fast alle Wege verschüttet und der Track aufgegeben. Erst vor wenigen Jahren fand eine groß angelegte Restaurierung statt.
Tag 84: Specimen Point Hut – Stern Valley Hut
Ich schlafe lange und als ich um acht aus dem Schlafsack krieche gehen gerade die letzten. Langsam und gemütlich wandere ich den Weg entlang. Dabei komme ich an Stellen mit klingenden Namen wie „Suicide Slips“, „Hanging Judge“ und „The Boneyard“ vorbei. Trotz einiger Höhenmeter hält sich die Aussicht wegen des Waldes in Grenzen. Der Pfad selsbt ist super zu begehen und ich kann endlich mal wieder so richtig die Gedanken baumeln lassen.
Ein klein wenig doof finde ich, dass gerade an den Stellen mit schöner Aussicht absolutes Halteverbot wegen Steinschlag besteht. Aber macht auch Sinn, denn immerhin hat man nur deshalb gute Aussicht, weil vor nicht allzu langer Zeit der ganze Hang abgegangen ist 😀
Hier gibt es viele Rotkehlchen, allerdings sind diese hier schwarz mit weißem Fleck. Also eigentlich Weißkehlchen 😀 Die verhalten sich aber ganz anders als zuhause. Sie sind extrem neugierig und fliegen Wanderern hinterher um allerlei Getier aus der von den Schritten aufgewühlten Erde zu picken. Wenn man stehen bleibt, dann kommen sie ganz nahe und warten bis man weitergeht. Und wenn man nicht weitergeht, dann picken sie erwartungsvoll gegen den Schuh 😀 Ich habe davon ein Video auf Instagram hochgeladen, falls es jemand sehen will. Braucht leider unglaublich viel Speicherplatz, deshalb leider nicht auf der Website.
Nach einem ereignislosen, aber trotzdem tollen, Wandertag komme ich bei der Hütte an. Für heute habe ich leider nur einen Zeltplatz bekommen, weil alles ausgebucht war. Meine Hoffnung ist, dass jemand nicht aufkreuzt und ich somit trotzdem in der Hütte pennen kann, werde aber enttäuscht. Somit stelle ich schon sehr früh mein Zelt auf, hüpfe schnell rein, kille in den nächsten 30 Minuten alle Sandflies, die mitgekommen sind und weigere mich für den Rest des Tages das Fliegennetz zu öffnen.
Zu erwähnen ist noch, dass ich in der Hütte einen 80 (!!) jährigen Wanderer getroffen habe, welcher den Te Araroa Trail auf der Nordinsel gemacht hat. Wirklich bewundernswert, ich bin ja mit meinen zarten 32 schon tausend Tode gestorben an so manchen Abschnitten 😀
Tag 85: Stern Valley Hut – Ghost Lake Hut
Weil es in der Nacht deutlich weniger Sandflies gibt, stelle ich den Wecker für fünf Uhr morgens und packe mein Zeug so schnell wie es nur geht. Somit bin ich um 6 Uhr schon unterwegs, so früh wie schon lange nicht mehr. Mit nur 13 Kilometern ist die Etappe trotz über 1000 Höhenmetern ziemlich kurz.
An dieser Stelle muss ich kurz vorgreifen. Um 9 Uhr bin ich in der Hütte angekommen. Sprich ich habe 3 Stunden für 1000 Höhenmeter und 13 Kilometer Strecke gebraucht. Exakt diese Daten hatte ich in der Tararua Range auch an einem Tag (gut, vielleicht waren es minimal mehr Höhenmeter), habe dort aber 12 Stunden, also viermal so lange gebraucht. Unglaublich was für einen Unterschied das Gelände macht. Ohne Kletterpassagen, Hangrutsche und umgestürtzte Bäume kommt man halt doch schneller voran 😀
Lediglich 314 Stufen, die sogenannten Skyline Steps, lassen meine Schweißdrüsen auf Hochtouren arbeiten. Kurz vor Ende des Aufstiegs sehe ich einen Hubschrauber bei der Hütte landen. Was der wohl gebracht hat?
Weil ich ja schon so früh am Ziel bin, zu einer Zeit, zu der ich normalerweise erst losgehe, genieße ich sehr lange die Aussicht. Es herrscht strahlendes Wetter und ich befinde mich über der Baumgrenze, somit habe ich ungehinderte Sicht. Das ist auch die erste serviced Hut, die ich besuche. Ein freiwilliger Wärter, oder in diesem Fall Wärterin, sorgt bei gut besuchten Hütten für Ordnung.
Etwas später trifft dann eine Familie ein, welche das Hubschrauberrätsel löst. Sie haben sich für 800 Euro ihr Abendessen hochfliegen lassen. Jetzt haben alle anderen natürlich spekuliert was es denn gibt. Um diesen stolzen Preis möchte man doch meinen es gibt Steak mit frischem Gemüse. Nein… Instant Nudeln und Wraps. Ganz ehrlich Leute… für 800 Euro wäre ich ein zweites Mal raufgegangen und hätte euch das Zeug persönlich geliefert 😀
Am Abend lassen sich dann Keas blicken. Das sind artenbedrohte Papageien, die über der Baumgrenze leben. Artenbedroht vorallen deshalb, weil die Viecher absolut nicht scheu sind und man sie theoretisch auch mit der bloßen Hand fangen könnte.
Obwohl die Hütte laut Wärterin eigentlich ausgebucht ist, habe ich mein eigenes „Zimmer“ für mich allein. Trennwände teilen jeweils 2 Stockbetten. Irgendwie will keiner bei mir liegen. Naja… teilweise kann ichs verstehen. Nach 10 Tagen ohne richtige Dusche und ungewaschenen, durchgeschwitzten Sachen, kann ich ja schon kaum mit mir selbst im selben Raum sein 😀
Tag 86: Ghost Lake Hut – Lyell – Westport
Kurzerhand entschließe ich eine Etappe zu überspringen und die 30 Kilometer bis zum Trailende in Lyell fertig zu machen. Die nächste Hütte wäre nur 12 Kilometer entfernt und das fast ausschließlich bergab. Das ist mir einfach zu wenig.
Also starte ich mal wieder früher und darf mich bestem Wetter erfreuen. Mir gelingt auch nahe dem höchsten Punkt des Tracks ein wunderbarer Schnappschuss. Dieser Anblick hat mich lange nicht losgelassen.
Kurz darauf sehe ich ein nagelneu aufgestelltes Shelter. Solche Ärsche… das Teil ist auf keiner Karte verzeichnet. Sonst hätte ich das als Schlafplatz genutzt und hätte mir die 140 Dollar Hüttengebühr erspart. Ich habs eh schon mal erwähnt, dieser von einer Privatorganisation betriebene Track hat ausschließlich eine Flarate für alle Hütten. Es spielt also keine Rolle ob man in einer, oder in allen vier Hütten nächtigt. Vor dem Aufstieg gibt es eine vom DOC betriebene Hütte, welche für mich mit dem Hut Pass kostenlos gewesen wäre. Und in dem shelter kontrolliert sicher keiner. Nur leider sind es von der DOC Hütte bis zum Ende des Tracks fast 50 Kilometer. Also musste ich eine Hütte nehmen. Bzw. hätte eben nicht müssen, hätte ich von dem shelter gewusst. Hätt i, wär i, tät i…. ich bin viel zu gut gelaunt um mir die Stimmung davon verderben zu lassen. Die Aussicht hier am Bergkamm ist einfach grandios!
Dann gehts auch schon wieder unter die Baumgrenze. Mit der Aussicht ist es jetzt zwar vorbei, aber dafür liegt so allerlei Gezeugs neben dem Track, welches von den Minenarbeitern zurückgelassen und bei der Aufbereitung des Tracks gefunden wurde. Als besonderes Highlight gibt es auch ein Shelter zu begutachten, welches in den sechzigern wieder aufgebaut wurde und nun ein zweites mal verfallen ist.
Angeblich ist ganz in der Nähe auch eine Mine. Die hier üblicherweise verwendeten orangenen Pfeile führen mich abseits des Weges tief in den Wald hinein. Stellenweise kann man einen alten Pfad erkennen, aber irgendwann wird das Terrain einfach zu gefährlich um ihm weiter zu folgen. Schade.
Kurz darauf weist ein großes Schild auf eines der ersten Goldgräberdörfer der Gegend hin. Wieder schickt mich ein Pfeil in den Wald. Ich checke aber sicherheitshalber vorher die Karte und sehe, dass es ziemlich weit in den Wald hinein geht und die ganze Geschichte auch noch mit nicht unerheblich Höhenmetern verbunden ist. Nachdem ein weiteres Schild zu verstehen gibt, dass dieser Track schon lange nicht mehr gewartet wird, lasse ich es dann doch lieber sein. Zum Glück! Denn ums Eck ist eine weitere Infotafel mit einem Zeitungsausschnitt von 1906, dass schon zu dieser Zeit nichts mehr von dem Dorf zu sehen war…. Pffff…..
Dafür entscheide ich mich kurz vor Lyell für einen kleinen Unweg und besuche den alten Friedhof der Stadt. Man muss dazu sagen, dass Lyell schon seit 100 Jahren nicht mehr existiert.
Etwas später als geplant, aber immer noch früh, komme ich in Lyell an. Nach einer kurzen Rast gehe ich sofort zum nahegelegenen Highway um nach einem Hitch ausschau zu halten. Doch…. verdammt… die Straße ist ziemlich kurvig und es gibt kaum Haltemöglichkeiten für potenzielle Anhalteraufklauber. So lege ich nochmal ein paar Kilometer drauf, bis ich einen HALBWEGS akzeptablen Spot gefunden habe. Der Verkehr hier ist entgegen meiner Erwartung eher mäßig, aber voller Hoffnung strecke ich meinen Daumen raus. Nach nur wenigen Minuten bremst sich ein Gefährt neben mir ein. Pete, ein Fotograf aus England, erbarmt sich meiner und fährt glücklicherweise nach Westport. Er ist bereits an mehreren Anhaltern vorbeigefahren, meint aber, dass er nicht mit ruhigem Gewissen an jemandem vorbeifahren könne, der mitten in der Pampa, 50 Kilometer entfernt vom nächsten Haus, mit einem Lächeln am Straßenrand steht 😀
Und so bin ich noch vor 16 Uhr in Westport. Weil ich meinen Futterbeutel aufstocken muss und mich unbedingt grundsäubern will, nehme ich mir mein eigenes Zimmer, damit ich mich auch schön ausbreiten mann. Außerdem soll es heute Abend und morgen regnen. Da wird mir im Zelt sonst sicher langweilig.
Satte zwei Stunden dauert es bis ich einen Grad der Sauberkeit erreicht habe, dass ich mich zumindest mal aufs Bett setzen kann ohne dabei irgendwelche Flecken zu hinterlassen 😀
Tag 87: Westport
Ruhetag. Eigentlich wollte ich eine Robbenkolonie in der Nähe besuchen, finde aber keine Mitfahrgelegenheit. Ein Fahrrad für einen Tag würde 35 Dollar kosten, somit entscheide ich mich den Robbenbesuch mit meiner Weiterreise zu verbinden und heute, abgesehen von der Futterbeutelauffüllerei, bei ein paar Bierchen einfach gemütlich abzuhängen. Außerdem muss ich ja noch den Blogeintrag schreiben, was auch wieder ein paar Stunden dauert 🙂 Apropos Bierchen. Wird Zeit für ein neues Döschen. Prost!