Tag 88: Westport – Charleston
In der Früh mache ich mich auf die Suche nach einem Friseur. Die langen Haare nerven schon mächtig und es ist mal wieder an der Zeit die Mähne zu stutzen. Leider haben alle Haarschneider heute (Montag) zu oder sind auf Urlaub. Also mache ich mich unverrichteter Dinge auf zur Robbenkolonie. Das ist zwar ein mächtiger Umweg und ich hätte somit über 50 Kilometer bis nach Charleston, aber da ich den ganzen Tag auf Straßen unterwegs sein werde, rechne ich damit auch per Anhalter fahren zu können.
Entsprechend langweilig ist der Weg nach Cape Foulwind, von wo es dann eine kurzer Küstenwanderweg zur Kolonie führt. Musik macht den Asphaltmarsch einigermaßen erträglich und für 1,5 Kilometer werde ich von einem Anrainer ein Stückchen mitgenommen. In Cape Foulwind treffe ich den Australier mit der tätowierten Handgranate. Schon wieder. Der Typ läuft mir irgendwie permanent über den Weg. Er entschließt sich mit mir mitzugehen. Ungefragt natürlich. Und nachdem er mir erzählt hat, dass es für ihn als ehemaliger Knasti schwer ist andere Länder zu bereise, sage ich ihm mal lieber nicht, dass er mir auf den Keks geht 😀
Zum Glück gibt es aber bei einer Gabelung zwei Varianten um zu den Robben zu gelangen. Einen asphaltierten Weg und einen unmarkierten Pfad am Fuße der Klippen. Weil er mit seinem Knie Probleme hat, bleibt er oben, während ich erleichtert ans Meer runter gehe. Nur leider kann man dort nur bei Ebbe entlang gehen… und es ist gerade Flut. Ich genieße kurz den Ausblick und gehe dann gaaaaaanz langsam zum „normalen“ Weg 😉
Das Meer und die Küste ist hier ganz anders, als ich es bisher von Neuseeland kenne. Viel felsiger und es kommen ständig hohe Wellen rein.
Leider ist die Robbenkolonie eine Enttäuschung. Ja, da sind zwar Robben, aber so unglaublich weit weg und auf Felsen liegend, welche gleichfärbig mit dem Robbenfell sind, dass ich absolut nicht verstehen kann warum das hier so beworben wird. Da habe ich bereits wesentlich bessere Robbenerfahrungen gemacht!
Also schließe ich die Besichtigung rasch ab und gehe weiter in ein kleines Örtchen, wo es eine Bar geben soll. Welche aber leider geschlossen hat. Nun gut, dann halt direkt weiter. Meine Pläne um per Anhalter zu fahren gehen leider nicht auf. Auf der Verbindungsstraße, welche mich wieder zum Highway Richtung Charleston bringt, ist absolut tote Hose. Die Sonne brennt unbarmherzig runter und so findet mein vor langer Zeit erworbener Sonnenhut doch noch verwendung. Es heißt an der Westküste regnet es 360 Tage im Jahr, aber so viel Sonne hatte ich noch nie!
Aber direkt an det Kreuzung zum Highway gibt es eine hervorragende Stelle um den Daumen raus zu halten. Zwar ist deutlich weniger Verkehr als ich mir erwartet habe (ist ja auch schon fast 18 Uhr), aber nach wenigen Minuten stoppt ein junges deutsches Pärchen für mich. Und sie fahren sogar zum selben Campingplatz, den auch ich angepeilt hatte!
So schlagen wir nebeneinander unsere Zelte auf und ich werde sogar auf eine Flasche Rum eingeladen. Wir plaudern bis in die Nacht hinein und leeren die ganze Flasche. Na gute Nacht.
Tag 89: Charleston – Punakaiki
Aaaaaalter Schwede, so verkatert war ich schon lange nicht mehr. Und dabei will ich heute einen längeren Track nach Punakaiki machen. Der Einstieg zum Track ist ein gutes Stück von Charleston entfernt, liegt aber am Weg des Paares. Netterweise nehmen sie mich mit, auch wenn sie erst sehr spät starten. Aber für mich immer noch eine erhebliche Zeitersparnis.
Ich werde beim Track abgesetzt und weiß gar nicht wie ich den beiden für den geilen Abend und das Shuttleservice danken soll. Zeitlich wirds mir schon bisschen eng, also steige ich schnellen Schrittes in den Track ein. Der leider etwas anspruchsvoller ist als gedacht, wodurch ich deutlich langsamer vorankomme als mir lieb ist. Trotzdem will ich aber eine Höhle besichtigen, welche nur 2 Kilometer abseits des Weges liegt.
Als ich an der Abzweigung ankomme könnte ich heulen. Der Pfad zur Höhle ist gesperrt. Ein schweizerisch-deutsches Paar will auch in die Höhle und beschließt mal zu schauen ob man dort hin kommt. Hmmm… ich habe in den letzten Monaten in Neuseeland wirklich alles durch. Rivercrossings mit Wasser bis zum Hals, knietiefen Schlamm, durch umgestürtzte Bäume versperrte Tracks, senkrecht Felsen hochklettern, mit Dornenbüschen überwucherte Wege…. also wie schlimm kanns schon sein? Ich krame meine Stirnlampe raus, parke den Rucksack an der Gabelung und klettere über die Absperrung.
Der Weg zur Höhle war größtenteils unbeschädigt, wenn auch unglaublich rutschig. Ich habe noch nie in meinem Leben so rutschige Steine gesehen! Gerade bergauf muss ich auf allen vieren gehen weil ich einfach keinen sicheren Tritt bekomme. Aber nach einer weiteren Absperrung und unzähligen Warnschildern stehe ich dann vor dem Höhleneingang! Leider die falsche Höhle, denn die, in welche man hinein kann, ist durch einen Hangrutsch unerreichbar. Jetzt stehe ich also vor dem Eingang der „falschen“ Höhle, wo nochmal ein Schild prangt: „Betreten verboten. Eintritt nur mit Erfahrung und entsprechender Ausrüstung.“ Das Paar diskutiert kurz, vorallem weil sie ihre Lampe im Auto vergessen haben. Allerdings sagt mir Christoph, dass er Höhlenerfahrung hat und so borge ich ihm meine Lampe und warte am Eingang. Er ruft heraus, dass der Weg in die Höhle hinein sehr einfach zu gehen ist. Ok, jetzt bin ich schon mal da, dann kann ich mir das auch nicht entgehen lassen! Ca. 50 Meter kann man gefahrlos ins innere der Höhle, bevor es technisch wird. Hat sich auf jeden Fall ausgezahlt, war megacool!
Langsam geht es wieder über die rutschigsten Steine dieses Planeten nach unten und zurück zum Weg. Wow, der Umweg hat mich fast 3 Stunden gekostet. Ich schaffe es nie vor Einbruch der Dunkelheit nach Punakaiki. Campen kann man hier leider nicht, da habe ich mich schon vorab informiert. So entschließe ich mich schweren Herzens die paar Kilometer zurück zur Straße zu gehen und per Anhalter nach Punakaiki zu fahren. Am Parkplatz treffe ich das Paar wieder, welches mich auch direkt bis zu den Pancake Rocks, die Attraktion der Stadt, fährt. Sie geben mir den Rat unbedingt bei Sonnenuntergang nochmal her zu kommen. Gesagt getan. Zuerst mache ich einen Rundgang in der Nachmittagssonne, schlage mein Zelt am nahegelegenen Campingplatz auf und gehe nach einer Dusche mit geschnorrtem Duschgel nochmal zu den Steinen. Und wirklich, das Licht lässt die Felsformationen regelrecht erstrahlen.
Das ist glaube ich auch das erste Mal überhaupt, dass ich einen Sonnenuntergang wirklicht bewusst wahrnehme. Ich schau der Sonne zu, wie sie langsam hinter dem Horizont verschwindet und ertappe mich in halbphilosohischen Gedanken. Die Sonne ist doch immer am selben Fleck, also ist die Bezeichnung „Sonnenuntergang“ ja ausachließlich eine Frage der Perspektive. Eigentlich müsste es doch mehr „Erdumdrehungszyklus Halbzeit“ oder sowas in die Richtung heißen 😀
Tag 90: Punakaiki – Greymouth
Oh Gott… mich juckts überall. Entweder hat mich bei der Erdumdrehungszyklushalbzeitbeobachtung was aufgefressen, oder ich hatte eine Armada an Gelsen im Zelt.
Lange überlege ich was ich heute machen soll. Eigentlich steht eine 2-Tages-Wanderung über einen Berg auf dem Plan, allerdings soll das Wetter heute und morgen unterirdisch werden. Nach so vielen Sonnentagen ists aber wirklich auch mal wieder Zeit für ein ordentliches Gewitter. Ich kann mich echt nicht entscheiden ob ich den Trip wagen soll oder nicht, bis mir dann der Gedanke einschießt: Moment… ich muss den Track ja nicht machen um wo hinzukommen und nach Greymouth muss ich so und so (ist meine Verbindung nach Arthurs Pass zum Wiedereinstieg in den Trail). Ich würde da ja nur rauf um die Aussicht zu genießen, was ich bei Sturm ja nicht kann. Und sonst kommt ja auch kein Mensch auf die Idee „Oh, heute zieht ein Gewitter auf, guter Tag um auf den Schneeberg zu gehen.“ Also lasse ich es bleiben und gehe zum Parkplatz der Pancake Rocks um per Anhalter nach Greymouth zu fahren. Was sich als ausgesprochen schwierig herausstellt. Wenig Verkehr und viele Campertouristen, die eigentlich nie stehen bleiben.
Bis ich von hinten angesprochen werde. Hans-Peter hat mich in der (noch) prallen Sonne stehen sehen und Platz in seinem Auto gemacht um mich mitzunehmen. Und so fahren wir auf der rechten Straßenseite (ja, in Neuseeland herrscht Linksverkehr, mir ist kurz das Herz stehen geblieben 😀 ) nach Greymouth. Direkt am Stadteingang werde ich rausgelassen und ich stürme gleich mal zum Mäci rein. Fast Food! Herrlich!
Weil ja das Wetter scheiße werden soll und ich noch einiges zu erledigen habe, will ich eigentlich nicht zelten und nehme mir wieder ein Zimmer.
Den Rest des Tages verbringe ich hauptsächlich mit der Planung der nächsten Etappen. Wegen des angehenen Regens wird der kommende Abschnitt unpassierbar und ich muss eventuell das Schlechtwetter aussitzen.
Tag 91: Greymouth
Tag der Erledigungen. Futterbeutel auffüllen und unbedingt ein paar meiner Sachen austauschen. Das Shirt sieht ja wirklich schon mitgenommen aus.
Und der lange überfällige Besuch beim Friseur wird auch nachgeholt 😀
Tja, so wies aussieht gehts morgen nach Arthurs Pass und zurück zum Trail. Diese Gegend ist sehr abgeschieden und ich habe vermutlich für die nächsten Wochen keinen Empfang. Ihr werdet euch also ein bisschen gedulden müssen zum nächsten Blogeintrag 🙂
An dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank an den Beini, welcher mich in der Zeit der Internetabstinenz für den Pacific Crest Trail anmelden wird. Ich habe nämlich bei der ersten Terminvergabe keinen freien Starttag mehr bekommen und am 15.1. werden die restlichen Anmeldungen vergeben. Welche aber innerhalb weniger Minuten vergriffen sind und ohne diesen Wisch darf ich nicht auf den Trail! Ich hoffe wirklich, dass das klappt, sonst scheitert der Traum an einer banalen Formalität.
Ich wünsche euch schöne Tage, wir sehen uns dann Ende Jänner wieder 🙂