Tag 92: Greymouth – Arthurs Pass – Hamilton Hut
Vor meiner Abreise organisiere ich mir noch ein Pappschild auf das ich in großen Lettern „Arthurs Pass“ schreibe. Nach Greymouth gibt es viele Kreuzungen und es ist wohl einfacher nicht so oft „umsteigen“ zu müssen. Und Feuchttücher hole ich mir auch noch. Weil ich ja jetzt voraussichtlich wochenlang in der Wildnis bin, mag ich mir das Schreckensszenario, ohne Feuchttücher rumlaufen zu müssen, gar nicht erst vorstellen. Vis-a-vis vom Supermarkt finde ich auch gleich eine tolle Stelle um den Daumen raus zu halten. Ich muss nicht lange warten, da bleibt auch schon jemand stehen. Allerdings kann er mich nur ein Stück weit mitnehmen, fährt aber einen kleinen Umweg um mich direkt auf der einzigen Verbindungsstraße nach Arthurs Pass abzusetzen. Dankeschön 🙂 Obwohl jedes Auto, welches an mir vorbeifährt, zwangsläufig durch Arthurs Pass durch MUSS, stehe ich eine knappe Stunde schildschwingend an der Straße ehe sich John erbarmt und mich reinspringen lässt. Er fährt diese Strecke seit 60 Jahren einmal in der Woche und so bekomme ich einen tiefgründigen Geschichtsunterricht über die Gegend.
John bringt mich direkt zum Wiedereinstieg des Trails, wodurch ich erheblich früher an meinem Tagesziel, eine Hütte gleich zu Beginn des Tracks, bin als gedacht. Das Wetter ist herrlich (hätte eigentlich regnen sollen) und es kommt ohnehin alle paar Kilometer eine Hütte, also gehe ich heute doch noch weiter. Der Weg zwar fordernd, aber nicht schwierig. Trotz etlicher Höhenmeter möchte ich heute ohne Wanderstöcke gehen. In der Vergangenheit waren sie mir zu oft im Weg, wenn ich irgendwo herumklettern musste. Und ja, es geht wesentloch einfacher, wenn man beide Hände frei hat um sich an Wurzeln hochzuziehen oder bergab an Bäumen festhalten kann.
Es gibt hier unglaublich viele Flüsse und Bäche, aber ich schaffe es mit Steingehopse meine Schuhe (fast) trocken zu halten. Mir stechen ein paar schöne Campspots neben einem großen Fluss ins Auge, aber ich habe mir für heute die Hamilton Hut als Ziel gesetzt. Sie hat auch den Beinamen „The Hamilton Hilton“. Und das muss ich mir natürlich ansehen 😀
Zuerst komme ich aber an einer sehr… nunja… nennens wir mal an einer Standardhüttr vorbei. Hat durchaus ihren Charme, aber die „Betten“ sind zusammengenagelte Baumstämme und es sind auch keine Matratzen drin. Der Boden ist tatsächlich einfach Erdboden und die Eingangstüre schließt nicht.
Wäre sicher interessant hier drin eine Nacht zu verbringen, aber wenn ich schon ein Hilton zur Auswahl habe… 😀
Kurz darauf stehe ich vor einem (nicht tiefen) Abgrund. Der Hang ist weggebrochen und mit ihm der Pfad. Abenteuerlich rutsche ich den Hang hinunter um mich dann wenige Meter später, auf der anderen Seite des Rutsches, auf allen Vieren wieder raufzuarbeiten. Dort treffe ich dann auch den ersten Hiker, der von Süd nach Nord geht. Er lässt sich ausschweifend über eine Stelle des Trails aus, welche ohnehin bereits auf meiner „das tu ich mir sicher nicht an“ Liste steht. Gedanklich habe ich diese Notiz nach unserem Gepräch mit Leuchtstift angestrichen, rot eingekringelt und mit drei Rufzeichen versehen.
Nach einer etwas ungemütlichen Hängebrücke, welche neben den beiden Drahtseilen zur Spannung ausschließlich aus Maschdraht besteht und nut einen Fuß breit ist, erreiche ich auch schon mein Ziel. Und tatsächlich, ein wahrliches Hotel. Es gibt zwei Wärter, unglaublich viel Platz und ist wesentlich sauberer als alle anderen Hütten in denen ich bis jetzt war. Wobei Sauberkeit relativ rasch kein Kriterium einer Hütte mehr ist 😀
Es sind ein paar andere Wanderer hier, unter anderem ein österreichisches Paar! Ein anderer TA Hiker ist auch da und ich frage ihn wie er denn über den Rakaia River will. Seine Frau holt ihn ab, aber für mich gibt es leider keine Mitfahrgelegenheit 🙁
Das Problem an diesem River ist, dass man da zu Fuß nicht durch kann. Also können… nachdem dabei einge Leute abgesoffen sind, hat man diesen Teil des Trails als Gefahrenzone deklariert. Der Trail hört also vor dem Fluss auf und geht danach wieder weiter. Normalerweise fährt man etwa 100 Kilometer drumherum. Leider ist hier nicht besonders viel, wodurch es auch kaum Verkehr gibt, was wiederum einige ausnutzen und wirklich horrende Preise für ein Shuttleservice verlangen. Dieser Part des Trails hat mich schon während der Planung genervt. Denn nur 70 Kilometer weiter kommt nochmal so ein Part, diesmal mit 160 Kilometer Umweg und noch weniger Zivilisation.
Tag 93: Hamilton Hut – Methven
Heute starte ich später, weil ich eigentlich nur zu einem nicht weit entfernten Campingplatz will.
Dieser Abschnitt ist unglaublich schön. Ich muss durch zig Flüsse durch (bzw. eigentlich durch den selben Fluss zig mal 😀 ), was unglaublich Spaß macht, weil ich immer wieder eine geeignete Stelle suchen muss, an der das Wasser nicht höher als über die Knie geht und die Strömung nicht zu stark ist. Ich verlaufe mich auch mehrmals, kann aber die Aussicht dadurch umso mehr genießen. Der Trail folgt dem Fluss des breiten Tals für etliche Kilometer.
Über Steine und durch Wasser geht es langsam auf eine Schotterstraße zu, welche mich zum Campingplatz bringt. Jetzt stehe ich vor der Entscheidung… hier bleiben oder weitergehen? Es sind gut 28 Kilometer bis zur nächsten Campingmöglichkeit neben einem Kraftwerk. Dort erhoffe ich mir von Arbeitern nach Ende ihrer Schicht mit in die Stadt genommen zu werden, von wo aus ich mir dann überlege wie ich auf die andere Seite des Flusses komme. Problem: morgen ist Sonntag, da ist kaum jemand dort. Und außer dem Kraftwerk gint es im Umkreis von 50 Kilometern grad mal ein paar Farmen, wobei für fast alles gerade keine Saison ist.
Weil ich dumm bin und dumme Entscheidungen treffe, beschließe ich am Campingplatz vorbei zu gehen und trotzdem den Picknickplatz neben dem Kraftwerk zu erreichen. Blöderweise habe ich vergessen mein Wasser aufzufüllen, wird also ein durstiger Marsch.
Natürlich erhoffe ich mir ein Stück mitgenommen zu werden, aber wie erwartet herrscht hier absolut tote Hose. Bis… nunja… ein Zufall eine weitere dumme Entscheidung nach sich gezogen hat 😀 Ein Pickup, von offensichtlich Jägern (erkennt man an den Hundezwingern auf der Ladefläche) bleibt stehen und sie bieten mir an mitzufahren. Das Auto ist rammelvoll, aber ich soll mich einfsch auf alles Zeug draufsetzen. Und wie das bei jungen Jägern in Neuseeland nunmal so ist, sind sie alle sternhagelvoll und eingeraucht. Erst wollen sie mich bis zum Kraftwerk mitnehmen, entschließen sich dann aber dazu, dass ich ihnen länger Gesellschaft leisten soll und führen mich zu einem Pub in Methven. Einerseits bin ich glücklich darüber sogar heute schon in die Stadt zu kommen, andererseits bin ich mir ziemlich sicher diese Fahrt nicht zu überleben. Der Fahrer hat ein Bier in der einen, das Handy in der anderen Hand, während er mit der Freisprecheinrichtung telefoniert und mit 120 über die kurvenreiche, und einspurige, Schotterstraße prescht. Er spricht mit einem Freund darüber, dass er einen Hitchhiker im Auto hat und den jetzt mit in die Bar bringt. Nach dem Telefonat bleibt er mitten in der Pampa stehen, dreht sich zu mir um und möchte wissen ob die nächsten Runden Bier eh auf mich gehen. Ich kann auf ein Sixpack vom Supermarkt runterhandeln und die Fahrt geht weiter.
Wie durch ein Wunder kommen wir heil in Methven an und als ich aussteige merke ich erst was mir während des Sitzens solche Schmerzen bereitet hat. Ich bin auf einer Schrotflinte gesessen…
Ich stehe ja zu meinem Wort und biete nach wie vor das Sixpack vom Supermarkt an. Immerhin haben sie mir knapp 100 Euro für einen Shuttle erspart. Allerdings sind sie der Meinung, dass ich alles andere als eine Spaßkanone bin (um nicht mit ins Pub zu müssen habe ich vorgegeben veganer Alkoholverweigerer zu sein) und verabschieden sich deshalb von mir. Hätte nicht gedacht, dass ich so leicht davon komme 😀
Methven ist ein Skiort und hat deshalb gerade Nebensaison, wodurch die Motels supergünstig sind. Weil das mit meinem Sparvorhaben ohnehin nix mehr wird (Kohle reicht nicht mehr für die USA) und es verdammt kalt ist, nehme ich mir ein Zimmer. So wie es aussieht für länger, denn übermorgen soll es schneien (man beachte bitte, dass in Neuseeland gerade sowas wie Hochsommer herrscht) und außerdem habe ich noch absolut keine Ahnung wie ich auf die andere Seite des Flusses kommen soll.
Tag 94: Methven
Meine erste Tat des Tages ist ein Marsch zum Touristenbüro. Ich frage nach der Möglichkeit zu hitchen. Die Dame am Schalter hat so allerlei Erfahrung mit diesem Problem der TA Hiker und gibt mir die Nummer des günstigsten Shuttles, welches aber noch immer 80 Euro kostet. Vom Hitchen rädt sie mir zwar grundsätzlich nicht ab, weist mich aber darauf hin, dass es an der gesamten Straße zum Traileinstieg nur eine Farm und drei Häuser gibt und ich somit verdammt viel Glück bräuchte um überhaupt jemamdem zu treffen.
Momentan habe ich drei Möglichkeiten: Die 50-60 Kilometer versuchen zu hitchen bzw. zu Fuß zu gehen. Das Shuttleservice in Anspruch zu nehmen. Oder aber gleich bis zum Ende des ZWEITEN Flusses zu hitchen um mir das exakt gleiche Problem drei Tage später zu ersparen. Allerdings müsste ich dann auf 70 Kilometer atemberaubende Landschaft verzichten. Genau diese Gegend war nämlich das Drehgebiet für das Königreich Rohan aus Herr der Ringe.
Momentan versuche ich andere Hiker zu finden um die Kosten des Shuttles zu teilen. Schaut aber bisher schlecht aus. Mich nervt sowas extrem. Ich verstehe warum es Teil des Trails ist, schöne Landschaft halt, aber dieses organisatorische Drumherum geht mir schön langsam auf den Keks. Ich will doch einfach nur wandern 🙁
Aber ich habe ja noch genug Zeit während ich morgen den hochsommerlichen Schneefall aussitze…