Tag 22: Pakiri – Sheepword Campsite (Dome Forest)
In der Früh sind noch immer alle Sachen nass. Aber wenigstens nicht salzig von den Crossings, diesmal habe ich nämlich mitgedacht und alles gestern durchgespült. Unser Plan ist es heute etwas später weg zu gehen und eine kurze Etappe einzulegen. Die kommenden 60 Kilometer führen durch Wälder, die sehr schwer zu begehen sein sollen. So ist zum Beispiel ein Abschnitt von 9 Kilometern mit einer Gehzeit von 6 1/2 Stunden angegeben. Dass es keinen Sinn hat am TA einen Streckenabschnitt in Kilometern zu bewerten habe ich schon längst verstanden. Jedes Rivercrossing, die teilweise unglaublich schlechten Wege und sonstige abenteuerlichen Umwege (Bootfahren fällt mir da spontan ein) brauchen auf kurze Distanz viel Zeit. Deshalb lasse ich, wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, auch die Kilometerangaben weg. Vielmehr spielt es für mich am TA, im Gegensatz zum Camino, auch überhaupt keine Rolle wieviele Kilometer ich zurückgelegt habe, als dass es darum geht sämtliche Hürden des Trails zu überwinden.
Susann ist ein Morgenmensch und steht bereits beim ersten Weckerläuten habt acht, während ich versuche mich so lange es geht des Aufstehens zu verweigern. Aber ich bekomme ein schlechtes Gewissen und will Susann nicht warten lassen, also packe ich nicht ganz ohne murren meine Sachen und schlüpfe in die triefend nassen Schuhe.
Zuerst geht es auf Asphalt den zu erklimmenden Hügeln entgegen. Der Trail führt weiter über Farmland und obwohl es steile Abschnitte gibt, ist es trotz des Regens der letzten Tage ganz gut zu begehen. Wir treffen auf ein sehr neugieriges Schaf, das uns während einer kurzen Verschnaufpause ganz genau mustert.
Noch haben wir einen Grinser im Gesicht, aber das Lachen wird uns gleich vergehen. Der Trail verwandelt sich in ein unglaubliches Schlammfest. Der Gatsch geht zwar nur bis knapp über den Knöchel, aber man muss bei jedem Schritt aufpassen nicht auszurutschen und danach mit viel Kraft den Fuß (mit hoffentlich noch Schuh dran) wieder aus dem Schlamm zu ziehen.
Leider wird der Weg immer schlimmer. Wir betreten den Omaha Forest und der Trail besteht im Prinzip nur aus einem fußbreit gerodetem Pfad, der senkrecht den Berg hinauf führt. Und zwar so senkrecht, dass zwei Passagen nur kletternd zu bewältigen sind. Da bin ich froh, vor meiner Reise nach Neuseeland, noch ein paar Klettersteige gemacht zu haben. So sitzt trotz rutschigem Untergrung jeder Tritt und ich fühle mich zu keiner Zeit unsicher.
Am Gipfel des Berges… naja, eher des Hügels… steht eine Wetterstation, an der wir kurz Rast machen. Jetzt geht die Rutschpartie bergab weiter und wir kommen wirklich nur sehr langsam vorwärts. Was hauptsächlich mir zu schulden ist, Susann hüpft wie eine Gazelle von Vorsprung zu Vorsprung. Nach einem weiteren steilen Anstieg erreichen wir endlich die kleine Siedlung, welche unser Tagesziel ist. Wir jubeln heftig, denn dieser Abschnitt war wirklich die Hölle. Ich wollte ihn eigentlich umgehen, habe mich von Susann dann doch hinreissen lassen mitzumachen. Ursprünglich war meine Intension auf sie „aufzupassen“, aber ich glaube da war eher ich derjenige, der einen Aufpasser gebraucht hat 😀
Gerade als wir zum Campingplatz gehen wollen, blitzt in mir der Gedanke auf, dass ich noch so eine Etappe morgen eigentlich nicht machen will. Nachdem ein anderer Hiker meinte, dass ein großer Abschnitt des nächsten Waldes (Dome Forest) auf Forstraßen verläuft, überrede ich Susann noch 15 Kilometer dran zu hängen. GROOOOOOSSER FEHLER! Also ja, es kommt eine Forststraße. Die ist aber nach zwei Kilometern zu Ende und es geht genauso schlammig und steil weiter wie es aufgehört hat. Von den kleinen Bächlein, die es zu queren gilt, rede ich gar nicht. Wenn das Wasser nichtmal bis zu den Knie geht, ist das kaum noch einer Erwähnung wert 😀
Als wir zu einem größeren Fluß kommen waschen wir unsere Sachen einmal gründlich durch um uns vom gröbsten Schlamm zu befreien. Wir kommen nämlich gleich auf eine Schotterstraße und haben beschlossen die letzten 6 Kilometer des Waldes zu umgehen. Es wird schon dunkel und weil es kaum flache Stellen gibt, sind wir uns nicht sicher ob wir im Wald einen geeigneten Zeltplatz finden. Man muss dazu sagen, dass die neuseeländischen Wälder in keinster Weise mit dem zu vergleichen sind, was wir aus Europa kennen. Hier ist alles so dicht bewachsen, dass man sich ohne Machete wohl kaum fortbewegen könnte.
Wir gehen also die Schotterstraße entlang und müssen dann noch eine Weile dem Highway folgen, was definitiv nicht so berauschend ist 😀 Aber wir haben es geschafft! Das Schlimmste ist überstanden! Der Campingplatz sieht ein bisschen heruntergekommen aus und obwohl es heute Nacht und auch morgen wieder regnen soll, entscheiden wir uns gegen eine Kabine und bauen unsere Zelte auf, bevor es stockdunkel ist. Susanne isst gefühlt mehrere Kilo an verschiedenen Sachen (sie isst prinzipiell die ganze Zeit 😀 ), während ich mich mit einem kleinen Snack begnüge. Morgen wollen wir nämlich in einem unter Hikern berühmten Cafe frühstücken 🙂
Tag 23: Sheepworl Campsite – Puhoi – Auckland
Kurz bevor es zu regnen beginnt, bringen wir unsere Sachen unter einer Überdachung in Sicherheit. Wir gehen vor zum Highway und obwohl das Cafe nur einen Kilometer entfernt ist, wollen wir gerne hitchen. Es herrscht hier so viel Verkehr, dass uns nicht wohl dabei ist nochmal auf der Straße zu gehen. Susann hat offenbar ein Händchen dafür Autos anzuhalten. Gleich der zweite Wagen bleibt stehen und zwei offensichtlich komplett eingerauchte Franzosen nehmen uns das kurze Stück mit. Ich war mir sicher den einen Kilometer nicht zu überleben. Wir wären einmal fast in den Graben gefahren und zweimal beinahe mit dem Gegenverkehr kollidiert. Aber ist ja alles nochmal gut gegangen 😀
Wir betreten das Dome Cafe und schlemmen was das Zeug hält. Einen großen Frühstücksteller und was Süßes zum Abschluss 🙂 Mittlerweile schüttet es wie aus Kübeln und wir ziehen dadurch unseren Aufenthalt gerne etwas in die Länge 😀
Als der Regen nachlässt, brechen wir dann doch noch auf. Muss so kurz nach 10 gewesen sein. Der Weg heute ist deutlich besser, weniger steil und nicht ganz so rutschig. Und das obwohl immer wieder Regenschauer abgehen.
Christian gesellt sich zu uns. Ein Deutscher, den wir schon paar mal getroffen haben und gestern auch mit uns am Campingplatz war. Die beiden gehen immer wieder voran, denn ich habe Probleme mit meinem rechten Fuß und muss langsamer gehen. Vermutlich eine Nachwirkung der einseitigen Belastung beim rutschigen Abstieg gestern.
Zum folgenden Weg gibt es nicht viel zu sagen. Abwechselnd geht es durch Wald, über Farmland und Straßen. Es regnet jetzt nicht nur, sonder auch ein kleiner Sturm hat sich dazugesellt und schubbst uns immer wieder aus dem Gleichgewicht. Wir verlaufen uns mehrfach, werden aber immer wieder von Einheimischen auf den richtigen Weg geschickt. Passiert hier also anscheinend öfters 😀
Bei einem Abschnitt über Weideland… ok, hier muss ich kurz einhaken. Das war wieder mal ein komplett unnötiger Umweg. Direkt paralell zum Trail über das Weideland läuft eine kaum befahrene Schotterstraße (von der aus wir auf das Weideland abgebogen sind), welche mit einer kontinuierlichen Abflachung zu der Straße führt, wo uns auch der Trail über Weideland hin bringt. Mit dem Unterschied, dass der Trail überhaupt nicht präpariert ist, während die Schotterstraße… naja … halt eine Schotterstraße ist. Solche meines erachtens nach total sinnlosen Umwege gibt es während des Trailverlaufs zuhauf. Zum Beispiel habe ich auch nicht verstanden warum man sich 9 Kilometer absolute Schlammschlacht antun muss, mit unglaublich rutschigen Passagen direkt neben Stacheldraht (was ja nicht gerade ungefährlich ist), während es eine Straße mit exakt der gleichen Anzahl an Kilometern gibt, die drum herum führt…. Aber gut… zurück zum Thema. Bei einem Abschnitt über Weideland, wo es steil, matschig und rutschig ist, stürze ich. Insgesamt zum siebten Mal seit gestern. Zum Glück habe ich bis auf ein paar Kratzer keine Verletzungen davon getragen. Bis jetzt. Ich will auf dem steilen Gelände aufstehen, bekomme aber einfach keinen Halt und rutsche nach vorne weg. Um nicht in den Stacheldraht zu fallen, drücke ich mich mit dem rechten Stock weg und falle so erst mit dem Mund auf den linken Stock und anschließend mit dem Gesicht frontal in eine Distel. Verzweifelt versuche ich erneut aufzustehen, aber mein rechter Fuß macht einfach gar nichts mehr. Mit viel Kraft kann ich mich dann doch noch hochhieven und humple die letzten Meter zur Straße runter, wo Susann und Christian auf mich warten. Susann sieht sofort, dass ich auf meinen Fuß nicht aufsteigen kann und beschließt, dass ich so die letzten Kilometer nicht gehen sollte. Sie stoppt ein Auto für mich und der erste national eingestellte Neuseeländer, den ich treffe, bringt mich nach Puhoi.
Im Ort herrscht gerade Stromausfall. Das passiert bei Sturm öfters erzählt mir der Besitzer des örtlichen Stores während er vorzeitig schließt. Alles andere hat wegen dem Stromausfall auch geschlossen, es gibt also heute keine Nächtigungsmöglichkeit, außer einer Grünfläche, die von den Einheimischen zum campieren angeboten wird (obwohl es offiziell verboten ist). Den Fuß kann ich belasten, aber nur unter Schmerzen. Na immerhin scheint nichts gebrochen zu sein. Der Sturz hat anscheinend der ohnehin schon angeschlagenen Sehne nur den Rest gegeben.
Ich überlege lange wie es weitergehen soll. Eigentlich wollte ich von hier, Puhoi, nach Auckland hitchen, habe mich nach Absprache mit Susann dann doch entschieden mit ihr gemeinsam zu gehen. Nur ist dieser Abschnitt anspruchsvoll und ich weiß nicht ob ich ihn mit einem lädierten Fuß machen soll. Nach langem hin und her entschließe ich mich dann doch jetzt schon nach Auckland zu fahren und dort den Fuß hochzulegen. Zuerst warte ich noch auf Susann um mich zu verabschieden, auch wenn wir uns ziemlich sicher wiedersehen. Sie stoppt für mich wieder ein Auto, das mich zum nahegelenen Highway 1 bringt, welcher direkt nach Auckland führt.
Dort stehe ich nun und male mir schon aus ewig warten zu müssen. Aber noch bevor ich meinen Rucksack abgelegen kann, bleibt ein Wagen stehen. Ein Monteur nimmt mich mit und zwar fast bis zum Sadtzentrum Aucklands. Die Unterkunftsuche stellt sich als schwierig heraus. Es ist so etwas wie ein Eventwochenende in der Stadt und somit stehts um die Verfügbarkeit nicht zum Besten. Auch die Preise sind im Vergleich zu meinem letzten Aufenthalt doppelt so hoch. Obwohl der Fuß mittlerweile so stark angeschwollen ist, dass ich Angst habe meinen Schuh könnte es jeden Moment zerreissen, schleppe ich mich zu einer der günstigeren Unterkünfte, wobei das Wort „günstig“ nur im Verhältnis anzuwenden ist. So viel habe ich definitiv noch nie für einen Schlafplatz bezahlt. Nichtmal in dem 4 Stern Hotel in der Schweiz in Lausanne, als ich damals keine andere Unterkunft gefunden habe. Und jeder, der schon mal am Genfer See war, weiß in welcher Preiskategorie sich das abspielt.
Aber bis jetzt bin ich finanziell sehr gut durch Neuseeland gekommen und liege sogar unter meiner Budgetschätzung von 1000 Euro im Monat. Insofern darf man sich da, gerade unter diesen Umständen, schon mal was leisten. Und so beziehe ich mehr oder weniger erwartungslos das Apartment und komme aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Zwar ist es nicht groß, aber überaus komfortabel eingerichtet. Inklusive voll ausgestatteter Küche, Balkon und Waschmaschine. Dazu muss man sagen, dass sich das alles im 20. Stock abspielt und ich mit Sicherheit in einer Stadt noch nie einen so gigantischen Ausblick hatte.
Tag 24 – 26: Auckland
Zum Zeitpunkt des Eintrages sind wir gerade bei Tag 25, ich greife also einen Tag vor, kann aber jetzt schon garantieren, dass morgen nichts passieren wird 😀 Gestern habe ich nicht viel gemacht um den Fuß maximal zu schonen. Heute gings schon etwas besser und bin durch die halbe Stadt gedüst um die dringend benötigte neue Ausrüstung zu besorgen. Meine kurze Hose ist von den vielen Stürzen komplett zerrissen, meine Socken sind nur noch ein einziges großes Loch und die Schuhe sind durch. Bei der Hose habe ich mich für ein ganz dünnes Modell entschieden. Quasi eine Badehose mit Ziptaschen. Bei den vielen Rivercrossings und dem dauernden Regen erschien mir das doch praktisch. Bei den Socken habe ich von Smartwool diesmal auf eine Modell von Icebreaker gewechselt. Merinosocken mit dünner Polsterung. Schuhe. Nachdem ich so viel über den Altra Lone Peak gehört habe, wollte ich diesen Schuh unbedingt ausprobieren. Er ist sehr breit geschnitten, was sich definitiv seltsam anfühlt, vorallem weil man gerade bei den Zehen so unglaublich viel Platz hat. Aber wird schon nicht umsonst der meistverkaufte Trailrunner sein 😀 Wir werden sehen. Und eine neue Unterhose habe ich mir gegönnt. Ich hatte eine, die ich in Österreich besorgt habe, mit der war ich so unzufrieden, dass ich mich beim Wandern einfach nicht wohl gefühlt habe.
Wäsche habe ich theoretisch zwar gewaschen, aber mein Shirt ist so verschlammt, dass es noch immer dreckig ist 😀 Aber die ganzen Löcher vom Gestrüpp, durch das man sich kämpfen muss, passen ganz gut zum Gesamtbild. Mein Bergfuchs Shirt will ich nicht austauschen, wenns nicht unbedingt sein muss. Es ist wirklich sehr bequem.
Bisschen vernichtend ist der 50 Meter entfernte Burger King, aber ich habe mir fest vorgenommen heute Abend mal kein Fast Food zu essen 😀
In diesem Sinne werde ich morgen noch einen gechillten Erholungstag verbringen und hoffen, dass der Fuß übermorgen wieder so weit in Ordnung ist, dass ich weiter kann.
Man liest sich 🙂
Funedit: Bei einem Sturz konnte ich mich grad nich so irgendwie abstützen, aber den Wanderstock hats komplett durchgebogen und als ich ihn losließ, schnalzte er mir gegen den Dickschädel. Hat zumindest bei Susann für einen Lacher gesorgt 😀